Serendipity || h.s. ✓

Av dezemberwind

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„Er war ihr Abenteuer und ihr Untergang zugleich." Harry Styles hat genug von der Liebe. Doch dann befindet e... Mer

vorwort
prelude
prolog
1 | sonorous
3 | quiescent
4 | murmur
5 | halcyon
6 | plethora
7 | caprice
8 | nebolous
9 | maladroit
10 | coruscate
11 | dulcet
12 | desultory
13 | radiant
14 | Susurration
15 | suffuse
16 | ebullient
17 | penumbra
18 | felicity
19 | coalesce
20 | surreptitious
21 | effervescent
22 | mellifluous
23 | pyrrhic
24 | cynical
25 | inexorable
26 | resonant
27 | evocative
28 | felicity
29 | resplendent
30 | petrichor
31 | enchanted
32 | vestige
33 | beguile
34 | afar
35 | enrapture
36 | moiety
37 | amorphus
38 | crescent
39 | shriek
40 | zenith
41 | coarse
42 | dalliance
43 | inexorable
epilog
danksagung

2 | languid

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Av dezemberwind

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| 2 |

l a n g u i d

september 2012

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Allison || In Momenten wie diesen wünsche ich mir, dass ich unsichtbar werden und einfach durch die Wand verschwinden könnte. Doch die Macht der Versprechen hält mich in dieser überfüllten Menge des Clubs fest, während ich versuche, mir einen Weg zu Harry Styles durchzukämpfen. Meine Würde verschwindet mit jedem weiteren Meter, während ich mit jedem Zentimeter bösere Blicke zugeworfen bekomme.

‚Girls Just Want To Have Fun' dröhnt durch die Boxen des Clubs und lässt die Umgebung vibrieren, während ich mich bücke, um mich zwischen zwei besonders hysterischen Damen hindurch zu quetschen, die ihre Arme in Harrys Richtung ausstrecken.

Er schenkt der Menge ein gequältes Lächeln und keinem der Mädchen scheint aufzufallen, dass er sich unwohl fühlt. Ich kann ihn durchaus verstehen, denn bei dem Andrang wäre ich selbst schon völlig in Panik ausgebrochen.

Unter normalen Umständen würde ich das gerade laufende Lied durchaus genießen und mich wahrscheinlich sogar auf die Tanzfläche trauen, doch heute kommt es mir vor wie die Ironie des Schicksals.

Ich weiche einem besonders spitzen Ellbogen aus und ignoriere einen beleidigten Blick, als ich mich zwischen zwei Freundinnen weiter nach vorne schlängele. Dabei bin ich froh, dass ich mit zwei Brüdern aufgewachsen bin, denn in einem Armkampf weiß ich mich durchaus zu behaupten.

Als ich endlich vor Harry Styles zum Stehen komme, muss ich mir den Platz mit drei anderen Personen teilen und meine Haare hängen mir sicherlich im Gesicht, als wäre ich gerade durch einen Gewittersturm gerannt. Außerdem laufen mir immer noch Wassertropfen aus den Spitzen auf meinen Pullover herab, dessen Rückseite mittlerweile völlig durchnässt ist. 

„Hey, Harry." Ich räuspere mich, doch er bemerkt mich nicht einmal, während er versucht, sich weiter in die Ecke zu flüchten.

Unsicher zupfe ich an seiner Anzugsjacke, was zumindest seine Aufmerksamkeit erreicht. Er dreht sich in meine Richtung und eine Sekunde lang kann ich einen genervten Ausdruck auf seinen Zügen erkennen, bevor sich ein halbes Lächeln auf seine Lippen legt.

„Tut mir leid, aber ich mache heute keine Fotos. Willst du vielleicht ein Autogramm?"

Ich starre ihn an. „Nein, natürlich nicht!"

Stirnrunzelnd begegnet Harry meinem Blick, während er erfolgreich einem weiteren Paar Hände ausweicht, das nach seinen Haaren greifen will. Seine Pupillen sind durch den Alkohol und das gedämpfte Licht des Clubs, das immer wieder durch Lichteffekte durchbrochen wird, leicht geweitet.

„Kann ich dir sonst irgendwie weiterhelfen?" Harry schenkt mir ein charmantes Lächeln, von dem ich schwören könnte, dass es nicht echt ist. Doch es ist bloß eine Vermutung, denn ansehen kann man ihm sein Unwohlsein nicht, wenn man sich nicht auf die angespannte Schulterpartie achtet, die wirklich kaum zu bemerken ist.

„Ich bin deine Rettung", entgegne ich und muss lachen, als ich die Verwirrung in seinem Blick erkennen kann. „Das Mädchen vom Telefon? Du wolltest eigentlich April erreichen und hast mich letztendlich dazu überredet, dich abzuholen?"

Es dauert zwei Sekunden, dann breitet sich Erkenntnis aus und Harry schenkt mir ein erleichtertes Lächeln. „Ich erinnere mich daran."

„Super", meine ich und muss mich dazu zwingen, nicht die Augen zu rollen. Sein Verhalten macht mir wieder einmal deutlich, warum ich jeglichen Alkohol meistens meide.

Harry fährt sich durch die Haare. „Wollen wir dann los?"

„Sicherlich", murmele ich.

Er beugt sich in meine Richtung und redet gerade so laut, dass ich ihn verstehen kann, während er gleichzeitig geübt eine Umarmung an ein Mädchen verteilt, das daraufhin in hysterisches Schluchzen ausbricht. Beruhigend streicht Harry dem Mädchen über den Rücken, während er mir ins Ohr flüstert.

„Okay, das ist der Plan. Ich werde uns nach draußen bringen und dann rennen wir, bis uns niemand mehr folgt. Ich hoffe, du bist sportlich?"

„Nein, überhaupt nicht", gebe ich zu.

Harry seufzt frustriert und ich halte mich davon ab, ihm einen genervten Blick zuzuwerfen. Ich habe schließlich nicht ahnen können, dass der Gefallen auch noch mit einer Jobbeschreibung einhergeht.

„Egal, wir werden trotzdem irgendwie entkommen können. Lauf einfach bloß los, wenn ich es dir sage und bleib nicht stehen." Seine Mundwinkel richten sich leicht nach oben. „Außer du stirbst, dann ist es eventuell erlaubt."

Unsicher erwidere ich sein Grinsen.

„Halte am besten einen Meter Abstand von mir, sehe auf den Boden und weiche allen Kameras aus. Es ist besser, wenn keiner dein Gesicht einfängt", meint Harry, als würde er mir gerade die Einkaufsliste erklären, während ich vollkommen überfordert bin. „Bereit?"

Bevor ich nicken kann, schiebt er sich durch die Menge und ich weiche seinem Blick aus, während er uns beiden einen Weg nach draußen kämpft. Unauffällig zu wirken ist mir noch nie schwer gefallen und heute bin ich dankbar dafür, dass ich nicht zu den Mädchen gehöre, die jede Sekunde Aufmerksamkeit erwecken. Während ich hinter Harry hereile, achtet kaum jemand auf mich.

Erst als wir uns durch die schwere Glastür am Ausgang quetschen und er mir zuruft, dass ich jetzt rennen muss, drehen sich einige Blicke in meine Richtung herum. Doch es ist bereits zu spät und sie sehen nur meinen Rücken, während ich durch die regnerische Nacht sprinte, in dem Versuch, Harry auf den Fersen zu bleiben.

Ich weiß nicht, ob er sich meinetwegen zurückhält, aber ich schaffe es, mit ihm mitzuhalten und irgendwann wird das Gekreische schließlich leiser, bis wir auch die besonders hartnäckigen Verfolger abgehängt haben. Ich ringe nach Atem, während wir langsamer werden und schließlich in einer kleinen Gasse im Norden Manchesters gänzlich zum Stehen bleiben.

„Manchmal hasse ich mein Leben", keucht Harry.

Dann übergibt er sich in den Busch zu unserer Rechten.

Ich verziehe das Gesicht, als ich sehe, dass leider nicht alles auf den Blättern landet, sondern ein Teil ebenfalls auf meinen einst weißen Converse. Einen Augenblick lang zerstört sein Würgen die Stille der Nacht, danach ist es vollkommen still. Nur der Regen kämpft um unsere Aufmerksamkeit, doch er bleibt unerkannt und leise.

Einzig das sanfte Prasseln der Tropfen auf dem grauen Asphalt wagt es, ein wenig Töne in die Welt zu schießen.

„Sorry", meint Harry beschämt, als er das Unglück auf meinen Schuhen bemerkt. „Ich kaufe dir neue."

Seufzend streiche ich mir eine besonders nervige Haarsträhne aus den Augen. „Schon okay."

Dann schweigen wir, während wir inmitten der dunkelsten Nacht in Manchester stehen und uns vom Regen durchnässen lassen. Irgendwann fällt mir auf, wie duster es wirklich ist und unsicher mache ich einen Schritt von ihm weg. Er könnte mir sonst etwas antun, wenn ich schreien würde, würde mich wahrscheinlich nicht einmal jemand hören, weil alle bereits in der Welt des Schlafs versunken sind.

„Bist du ein Serienmörder?", erkundige ich mich leise bei ihm.

Harry starrt mich eine Sekunde lang an, bevor er in herzhaftes Gelächter ausbricht. „Nein. Ich könnte aber einer werden, falls du einen brauchst? Allerdings nur, wenn man dafür keinen Schulabschluss braucht, denn den habe ich nicht."

Meine Mundwinkel zucken nach oben. „Keine Sorge, den habe ich auch noch nicht."

Wir schweigen wieder, bis er schließlich einen Schritt in meine Richtung macht und dabei fast über seine eigenen Füße stolpert. „Willst du mir eigentlich gar nicht deinen Namen verraten?"

„Allison Baker", flüstere ich.

Er schenkt mir ein Lächeln. „Hey Al. Es freut mich, dich endlich auch offiziell kennenzulernen."

Zum ersten Mal seit unserer Flucht sehe ich ihm wirklich in die Augen. „Al? So hat mich noch nie jemand genannt. Eigentlich sagen alle Ally."

Achselzuckend läuft er neben mir durch die Dunkelheit der Nacht, während wir uns auf die Suche nach einer größeren Straße machen. „Al gefällt mir besser, also ist das jetzt dein Spitzname." 

Ich selbst bin wahrscheinlich am meisten überrascht darüber, dass er mir damit ein Lachen entlockt. Normalerweise würde ich in Gegenwart von Fremden am liebsten hinter das nächste Auto sprengen, doch Harry hat etwas an sich, das mich ruhiger werden lässt. Wahrscheinlich ist es die Tatsache, dass er sich gerade vor mir übergeben hat und damit alle Peinlichkeitsstufen ohnehin schon abgehakt worden sind.

„Willst du mir nicht auch deinen Namen verraten?", murmele ich leise.

Harry sieht mich entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich dachte, dass – Ich bin Harry Styles."

Ich nicke nachdenklich. „Das wusste ich schon. Es ist momentan schwer, an deiner Band vorbeizukommen."

Nun legt er die Stirn wieder in Falten. „Wieso hast du mich dann danach gefragt?"

Langsamen Schrittes bewegen wir uns in die Richtung der Hauptstraße, was nicht wirklich schwer ist, da von Zeit zu Zeit ein energisches Hupen oder aufbrausende Motoren zu vernehmen sind.

Achselzuckend hüpfe ich über eine besonders hartnäckige Pfütze, die meine Schuhe umso mehr zerstören würden. „Weil ich dich nicht persönlich kenne. Wer weiß, ob Harry Styles nicht bloß ein Künstlername ist?"

„Ist er nicht", lacht Harry.

Er schwankt gefährlich weit in Richtung Straße und ich kann ihn im letzten Moment noch am Ellbogen festhalten, bevor er über seine eigenen Füße stolpert. Kein Wort stiehlt sich über seine Lippen, aber ich bekomme ein dankbares Lächeln, das trotz der Dunkelheit im Licht der Straßenlaternen gut zu sehen ist.

„Wenn ich also deine Dienste als Serienmörder brauche, kann ich dich im Telefonbuch finden?", scherze ich.

Im Laufe der letzten Minuten bin ich mutiger geworden, denn ich bezweifle, dass Harry sich morgen überhaupt noch an unsere Begegnung erinnern kann. Es ist wie ein Ausflug in eine fremde Realität. Eine Wirklichkeit, in der ich nicht mehr ich selbst bin, sondern viel waghalsiger und mutiger. Die Worte fließen problemlos über meine Lippen und ich mag es, wie leicht es ist, mich mit ihm zu unterhalten. Besonders deswegen, weil ich alles sagen kann und keine Angst haben muss, dass er mich verurteilt. Denn morgen Früh werden wir wieder zwei Fremde sein, die sich ohnehin nie wieder begegnen werden.

„Ich habe keinen Telefonbucheintrag. Viel zu riskant. Aber du hast ja meine Handynummer", grinst Harry amüsiert.

Ich merke, wie meine Gesichtsfarbe zehn Nuancen dunkler wird und hoffe, dass die Dunkelheit dieser regnerischen Nacht mir Schutz gewährt. Ihn nach seiner Nummer zu fragen, war gar nicht meine Absicht gewesen und kurz bereue ich es, dass ich überhaupt den Versuch gestartet habe, witzig zu sein.

„Ich lösche deine Nummer gleich direkt wieder, denn eigentlich sollte ich sie ja gar nicht haben", murmele ich.

Ich weiche seinem Blick aus, bis mir auffällt, dass er stehen geblieben ist. Vorsichtig hebe ich den Kopf, bis ich auf grüne Augen treffe, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde. „Behalte sie, Al. Das würde mich freuen."

Stumm nicke ich und eile dann weiter durch die Dunkelheit, um dem Risiko entfliehen zu können. Je schneller ich dieses Versprechen erfülle, desto schneller kann ich wieder in meine geliebte Gewohnheit flüchten.

„Wo ist dein Auto?", fragt Harry mich schließlich, als wir die Hauptstraße erreichen und sieht sich suchend um, als würde sich dadurch ein Fluchtwagen manifestieren.

„Ich habe kein Auto. Noch nicht einmal einen Führerschein." Augenverdrehend sehe ich ihn an. „Du wirst also laufen müssen, du Popstar."

Harry fährt sich mit den Fingern durch die Haare, die einmal in dunklen Locken in der Luft standen, nun durch den Regen aber fast schwarz an seinem Kopf pappen.

„Verstehe mich bitte nicht falsch, Al, denn normalerweise habe ich wirklich keine Probleme mit Spaziergängen. Aber gerade muss ich mich schon anstrengen, geradeaus laufen zu können. Können wir also bitte Plan B nehmen?"

Ein Auto fährt viel zu schnell neben uns durch eine Pfütze und bespritzt uns mit kaltem Dreckwasser, das mich zum Zittern bringt. Die Nacht könnte gar nicht schlechter laufen.

„Wenn du mir sagst wie Plan B lautet?", entgegne ich entnervt. „U-Bahnen fahren nachts in Manchester nämlich nicht mehr. Wir sind hier nicht in London."

Harry rauft sich verzweifelt durch die Haare und strahlt mich dann mit verträumten Blick an, als hätte er alle Rätsel der Welt gelöst. „Taxi!"

„Teuer!", entgegne ich in derselben Begeisterung, doch er scheint nicht einmal mehr mitzukriegen, dass ich mich über ihn lustig mache. Es ist wahrscheinlich ein Wunder, dass er sich nicht erneut über mir übergeben hat, wenn man dem gequälten Gesichtsausdruck Glauben schenkt.

„Nicht so laut bitte, Al. Ich glaube, mein Kopf explodiert gleich."

Seufzend beschließe ich, dass ich genügend Mitleid mit ihm habe, um mein Gespartes für die überteuerte Taxifahrt zu opfern. ‚Der große Gatsby' wird damit dann leider bis zum nächsten Monat warten müssen, bis ich mir es leisten kann.

„In Ordnung. Dann halten wir mal nach einem Taxi Ausschau", meine ich mit bemüht sanfter Stimme und komme mir vor, als würde ich mit einem Kleinkind reden.

Harry lässt vor Erleichterung die Schultern senken und lehnt sich gegen die Straßenlaterne auf der Suche nach Halt. Ich kann sehen, wie die Anspannung aus seinen Zügen weicht und erst jetzt wird mir wirklich bewusst, wie sehr er sich vorhin auf das Laufen konzentrieren musste, ohne sich nicht erneut zu übergeben.

„Wo sind eigentlich deine Freunde? Musst du denen nicht Bescheid sagen, dass du die Party verlassen hast?", wundere ich mich, während ich nach einem Taxi Ausschau halte.

Ein Schatten huscht über Harrys Gesicht. „Nein, die sind schon weggewesen. Haben bei all der Aufmerksamkeit zu viel bekommen und sind geflüchtet."

Das erste Taxi, was ich entdecke, will ich begeistert heranwinken, bis mir auffällt, dass es leider bereits Fahrgäste in seinem Inneren hat.

„Deine Freunde sind Idioten. Man lässt keinen seiner Freunde einfach so im Stich."

Seufzend fährt Harry sich durch die Haare. „Ich sehe sie ohnehin nicht mehr oft. Es sind mehr Bekannte als Freunde. Noch aus meiner Schulzeit."

Ich nicke bloß, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Die Stille um uns schwillt an, wird immer bedrohlicher und überwältigt uns schließlich fast, wenn nicht genau in diesem Moment endlich ein freies Taxi die Oxford Road entlangfahren würde. Eilig winke ich es heran.

„Schaffst du die Taxifahrt, ohne dich erneut übergeben zu müssen?" Fragend sehe ich Harry an.

„Ich denke schon, Al."

„So sicher klingst du nicht."

Er schwankt leicht, als er sich wieder aufrichtet und von der Straßenlaterne ablässt. „Aber achtzig Prozent. Das sind fast hundert und damit total ausreichend."

Ich mustere ihn immer noch nicht überzeugt, helfe ihm aber doch auf den Rücksitz des Wagens und folge ihm dann ins Innere.

„Guten Abend. Wohin darf es denn gehen?", begrüßt uns der Fahrer freundlich.

Ich erwarte, dass Harry antworten wird, doch nachdem er nach ein paar Sekunden immer noch nichts gesagt hat, wird mir klar, dass das ein Trugschluss ist.

„Kann ich bei dir übernachten, Al?"

Hustend starre ich ihn an, woraufhin er hastig die Hände in die Luft streckt.

„Keine Sorge. Das ist wirklich keine Anmache", versichert Harry mir mit roten Wangen hastig. „Ich brauche nur wirklich eine Couch, weil ich gerade keinen Ort zum Schlafen habe. Deswegen habe ich auch versucht, April zu erreichen."

Mein Zeigefinger trommelt hektisch gegen das Gummi der Innenverkleidung. „Ich dachte, ich sollte dich einfach abholen? Weil du betrunken bist?"

Leicht beleidigt verschränkt er die Arme. „Danke für deine Hilfe, aber ein Taxi hätte ich mir schon noch selbst rufen können."

Der Taxifahrer räuspert sich vernehmlich. „Ich nehme auch Standgeld, nur damit ihr Bescheid wisst."

Wir ignorieren ihn gekonnt, denn die paar Euro machen jetzt auch nicht mehr den Unterschied.

„Was ist mit einem Hotelzimmer?", schlage ich vor. Wahrscheinlich hat er einfach nur vergessen, in welchem Hotel er untergekommen ist, aber das Problem werden wir schon lösen können. Man muss bloß logisch an die Sache herangehen.

Harry schüttelt jedoch bloß seufzend den Kopf. „Ich habe kein Hotelzimmer und wenn ich jetzt so in einer Lobby auftauche, werde ich morgen in jeder Zeitung zu sehen sein." Ein trockenes Lachen löst sich aus seiner Kehle. „Harry Styles kotzt betrunken ins fünf Sterne Hotel ist eine Schlagzeile, die eindeutig amüsant enden wird."

Ich beiße mir auf die Unterlippe, während mein Herz und mein Verstand einen inneren Kampf ausführen. Letztendlich gewinnt ersteres, denn Harry sieht aus wie ein begossener Pudel und ich will mir nicht vorstellen, wie schlimm es sein muss, Schlagzeilen dieser Art überhaupt als Alternativen bedenken zu müssen. In diesem Moment bin ich wahnsinnig froh, dass ich mich damit in meinem Leben nicht auseinandersetzen muss.

„In Ordnung", murmele ich schließlich. „Du kannst auf unserer Couch schlafen. Aber ich warne dich, dass du morgen garantiert Rückenschmerzen haben wirst."

„Besser als von meinem Manager in Stücke gerissen zu werden, weil ich mich wieder einmal nicht an eine Abmachung gehalten habe."

Harry lässt sich geschafft in dem Ledersitz hinabgleiten, während ich dem Taxifahrer die Adresse meines Elternhauses durchgebe.

Leise Musik dringt aus den Lautsprechern des Autos, während lauter Regen an die Fensterscheiben klatscht und dennoch nicht ins Innere gelangen kann. Er ist ausgesperrt aus dieser verschobenen Wirklichkeit, in der ich mich heute Nacht befinde.

„Al? Du bist total nass", lächelt Harry schließlich und wickelt begeistert eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger. Sein betrunkenes Ich erinnert mich sehr an meinen Bruder Seth, der in diesem Zustand ebenfalls alles witzig findet und Leute mit Umarmungen überzieht.

„Es regnet. Da wird man nun einmal nass. Das bist du doch auch."

Seufzend bringe ich mich aus seiner Reichweite und zwinge mich, nicht die Augen zu verdrehen. Die Haarsträhne fließt sanft zwischen seinen Fingern heraus, bis sie schließlich wieder über meine Schultern fällt. Mit faszinierenden Augen folgen seine Augen der Bewegung, bis er sie schließlich zusammenkneift und die Hand vor den Mund presst.

„Fuck", fluche ich leise. „Musst du dich übergeben?"

Harry schüttelt den Kopf, doch es dauert, bis er schließlich die Augen wieder öffnet und seine Stirn gegen das kalte Fensterglas lehnt.

„Schau einfach nach vorne. Das hilft", meine ich in möglichst beruhigendem Tonfall.

Er folgt meiner Anweisung und atmet einige Male tief durch, bis seine Gesichtsfarbe schließlich wieder gesunder wird.

„Geht's wieder besser?", frage ich besorgt.

Harry nickt stumm und legt dann wie selbstverständlich seinen Kopf auf meinen Schoß. Während ich durch die ungewohnte Berührung kaum atmen kann, ist er die Ruhe selbst und malt gedankenverloren einige Muster auf die Lederverkleidung des Fahrersitzes.

„Deine Augen sind übrigens wunderschön. Die schönsten Augen, die ich kenne", murmelt Harry langsam.

Ich zucke zusammen. „Danke. Aber das ist der Alkohol, der deine Gedanken vernebelt."

„Alkohol kann überhaupt nicht neblig sein", kichert er.

Seufzend lehne ich mich gegen die eisigkalte Fensterscheibe und frage mich den Rest der Fahrt, wie zum Teufel ich in diese wirre Realität gelangt bin.

„Da vorne rechts. Das Haus ist etwas versteckt", erkläre ich schließlich die letzten Meter.

Das Taxi rollt langsamer und kommt schließlich gänzlich zum Stehen, woraufhin Harry begeistert wieder in die Höhe fährt. Die schnelle Bewegung lässt ihn jedoch erneut grün um die Nase werden.

„Einfach ruhig atmen", meine ich panisch, weil ich mir wirklich Besseres vorstellen kann, als das er nun in den letzten Sekunden ins Taxi kotzt.

Als ich mir sicher bin, dass wir das Unglück gerade noch abgewendet haben, reiche ich dem Taxifahrer seine Entlohnung und helfe Harry vorsichtig aus dem Auto heraus.

„Dein Freund braucht übrigens dringend eine kalte Dusche",  meint der Fahrer amüsiert. „Das hilft gegen zu viel Alkohol."

Seufzend nicke ich. „Danke für den Tipp. Einen schönen Abend noch."

Der Fahrer winkt uns einmal kurz zu, bevor er mit röhrendem Motor viel zu schnell um die Ecke verschwindet. Wahrscheinlich hat er ebenfalls Angst um seine Ledersitze gehabt und ist froh, Harry losgeworden zu sein. Dieses Glück habe ich bisher noch nicht.

„Wohnst du hier, Al?" Strahlend sieht Harry mich an und schwankt in Richtung des Gartenzauns, das meinen Nachbarn gehört.

„Nein, hier drüben", korrigiere ich ihn und führe ihn durch den Vorgarten meines Elternhauses.

Er steht geduldig neben mir, während ich meinen Haustürschlüssel suche und aufschließe.

„Sei bitte leise", flüstere ich ihm zu, während wir ins Innere treten und ich die Tür sanft wieder hinter uns ins Schloss fallen lasse.

Ich muss Harry zugutehalten, dass er sich wirklich bemüht, leise über den Flur zu tapsen, sobald er seine Schuhe ausgezogen hat. Dabei hat er einen konzentrierten Gesichtsausdruck und wenn ich genau darauf achte, kann ich sehen, dass über seiner Stirn kaum merklich zwei Falten entstehen.

„Wo willst du hin?", zische ich hastig in seine Richtung, als er die Tür zur Garage aufreißen will.

Harry strahlt mich an. „Kalt duschen, Al! Das hat der nette Mann aus dem Taxi doch gesagt."

„Du kannst jetzt nicht duschen. Dann werden alle wach", flüstere ich in seine Richtung.

„Wohnt hier noch jemand außer dir?" Er runzelt die Stirn, während ich ihn ins Wohnzimmer führe und sanft auf die Couch drücke.

„Nicht jeder von uns kann alleine in einer Villa wohnen, Harry. Oder einem Schloss oder Anwesen. Wo auch immer Popstars ihre Zeit verbringen", antworte ich ihm, während ich ihm behelfsmäßig wie Sofakissen gebe und dann eine Kuscheldecke aus dem Schrank hole, die dort für die kälteren Wintermonate verstaut ist.

„Ein Schloss wäre toll, Al. Du dürftest dann aber auch bei mir einziehen."

Ich lächele. „Du solltest jetzt wirklich schlafen gehen. Ein wenig Ausnüchtern wird dir gut tun."

Er breitet sich auf dem Sofa aus, wobei seine Füße über den Rand hinwegschauen und sieht mir neugierig zu, während ich die Decke über ihm ausbreite. Dann zieht er sich den Stoff bis unters Kinn.

„Al?"

„Harry?"

„Vielen Dank für alles", flüstert er.

Dann dreht er sich um und Sekunden später ist er bereits im Land der Träume versunken, während ich erst Stunden danach in einen unsanften Schlaf falle. Mit wirren Träumen von Regenschirmen, kotzenden Popstars und Taxifahrern, die Glitzer über uns werfen.

_________________

Ihr Lieben,

Kapitel 2 von Serendipity ist da und somit auch die erste wirkliche Begegnung von Ally und Harry. Was soll ich sagen, sie ist zumindest alles andere als gewöhnlich.

Was meint ihr, wird am nächsten Morgen noch passieren? Irgendwelche Vermutungen?

Glaubt ihr, dass Harry sich nach dieser Begegnung überhaupt noch an Ally erinnern wird?

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag!

Fortsett å les

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