Rising Sun - Biss das Licht d...

By chaela

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Fangeschriebene Fortsetzung der Twilight-Saga mit Renesmee und Jacob! ____________ Jetzt Fan auf Facebook wer... More

Prolog
Edward Cullen ist mein Bruder - und Morgen kommt der Osterhase
Hartnäckige Jungs gibt es in jeder Generation
Mein erstes Date
Blutdurst
Ein ganz neues Gefühl
Wenn die Wut sich aufstaut - und man seinem Unmut Luft macht
[Jacob] Ich kann nicht mehr
Mein Werwolf
Dies wäre absolut nicht notwendig gewesen
Die Sache mit dem Blut
Was ist Liebe?
Vorbereitungen
Ich gehöre nur dir
Forks
Prägung
Kälte
[Jacob] Eine schwere Entscheidung
Winterzauber
Volturi
Die Flucht
Alles oder Nichts
Das dritte Kind
La Push
Das Blumenmeer
Der weiße Wolf
Bis in alle Ewigkeit (Finale)

Artgenossen oder: Die Einladung

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By chaela

Eine ganze Weile schon hatten meine Augen das lodernde Kaminfeuer fixiert. Eigentlich war es nicht notwendig. Keinem von uns war hier jemals kalt, aber die Leute, die vielleicht jetzt im Winter vorbei liefen, würden sich vielleicht wundern, wenn hier Tag um Tag kein Rauch aus dem Kamin kommen würde – oder denken wir würden immerzu in Daunenjacken durch das Haus laufen. Aber lieber starrte ich das beruhigende warme falsche Feuer an und zerbrach mir darüber den Kopf, als meinem Gegenüber in die Augen zu sehen, das mich seit einer gefühlten Ewigkeit mit seinen dunklen Augen beobachtete, oder darüber nachzudenken, was er just im Moment dachte. Und doch erwischte ich mich dabei, wie ich ihm immer wieder einen flüchtigen Blick zuwarf. Mein Gesicht sah weg, doch meine Augen huschten herüber. Für ihn musste das nun entweder schüchtern oder arrogant wirken. Mir war beides egal.

Er saß da auf unserem weißen Sofa und hielt die ebenfalls schneeweiße Kaffeetasse in der Hand, wie ein gewöhnlicher Gast, der mal eben zu Besuch da war. In der einen Handfläche, den Teller, auf der die Tasse stand, die Finger der anderen hatten sich um den Griff geschlossen. Doch wir alle wussten, dass er kein gewöhnlicher Gast war. Ganz besonders mein Freund, der nun neben mir saß. Er hatte seinen Arm um mich gelegt, während die andere Hand an meinem Bauch lag. Es war fast wie ein überdimensionales blickendes Schild mit der treffenden kurzen und knappen Aufschrift: „Meins“.

Trotzdem hatte ich den Vorfall vor der Terrasse nicht vergessen und war immer noch sauer auf ihn. Meine Hände lagen entweder auf dem Sofa oder auf meinem Bauch, jedoch nicht an Jake.
So einfach würde ich nicht vergessen, dass er immer wieder ausflippte wegen Kleinigkeiten, Neid oder Eifersucht.

„Es tut mir Leid, dass ich mein Kommen nicht angekündigt hatte“, sagte unser Gast mit einem leichten Akzent. „Mir blieb leider nicht allzu viel Zeit.“

„Das ist schon in Ordnung, Nahuel“, antwortete Carlisle wie immer in ruhigem freundlichen Ton. „Viel wichtiger ist doch: warum bist du hier?“

Nahuel sah kurz auf seine Tasse, dann wanderte sein Blick zu mir und anschließend auf den Tisch, wo er nun sein Getränk abstellte, ehe er endlich sprach.

„Nun ... nachdem wir vor acht Jahren nach Hause zurückgekehrt waren und die Volturi nun von meiner und der Existenz meiner Schwestern wussten, suchten sie uns auf. Sie wollten Informationen ... über den Aufenthaltsort meiner Schwestern ... und meines Vaters. Sie wollten gegen ihn und seine Experimente vorgehen. Ich erzählte ihnen was ich wusste, mit der Bitte meine Schwestern zu verschonen. Um jedoch sicher zu gehen, dass sie meiner Bitte auch nach kamen, entschloss ich mich sie zu begleiten.“

An dieser Stelle hielt Nahuel inne und sah auf den schwarzen Kaffee der nun keine kleinen Wellen mehr schlug. Offenbar fiel es ihm schwer, das Geschehene nochmal Revue passieren zu lassen. Er schluckte kurz, dann fuhr er schließlich fort.

„Wir fanden sie. Sie waren noch immer in Südamerika gewesen. Meinen Vater brachten sie sofort um.“

Ich hatte keine Zweifel, dass dies kein großer Verlust für Nahuel gewesen war, so wie er das Wort „Vater“ aussprach. Mein Blick fiel auf meinen Vater, der die Arme verschränkt an den Sessel lehnte, in dem meine Mutter saß. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es war seine Eltern nicht zu lieben und ihren Verlust nicht zu beklagen, aber ich war natürlich auch anders aufgewachsen als er.

„Was ist mit deinen Schwestern?“, wollte Carlisle nun wissen.

„Sie ... sie leben. Sie sind bei den Volturi. Sie tragen keine Schuld an seinen Verbrechen, trotzdem sind sie zu lange unter seinem Einfluss gewesen. Die Volturi wollten kein Risiko eingehen. Und ich auch nicht. Ich blieb bei ihnen. Ich konnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass sie sie umbrachten, sobald ich ihnen den Rücken zukehrte, also blieb ich.“

„Du bist ein Volturi?“, rief meine Mutter nun etwas entsetzt aus und lehnte sich in ihrem Sessel vor. Nahuel nickte nur und sah dann wieder zu Boden. Wieder wanderte mein Blick zu meinem Vater, der nun einen ziemlich wütenden Gesichtsausdruck hatte, wenngleich er nicht jedem direkt auffallen würde, mir allerdings schon. Ich sah den Zorn in seinen Augen, er hatte die Lippen geschürzt und schüttelte den Kopf. Er hatte etwas in seinen Gedanken gelesen, was Nahuel uns noch nicht erzählt hatte.

„Dad?“, fragte ich vorsichtig. Ich hatte keine Lust zu warten bis Nahuel noch einen Brocken Information aus sich herauspresste.

„Ausgerechnet jetzt ...“, flüsterte mein Vater dann. Mehr bekam er nicht heraus. Meine Mutter erhob sich von ihrem Platz, stellte sich neben meinen Vater und legte eine ihrer bleichen Hände an seine Wange.

„Edward?“

„Er ist als Bote zu uns geschickt worden“, erklärte mein Vater nun. „Die Volturi wollen sehen was aus Renesmee geworden ist, jetzt da sie ausgewachsen ist.“

„WAS?!“, riefen nun mehrere Stimmen aus, einige nur entsetzt, andere mit Zorn getränkt.

„Es tut mir Leid“, versuchte Nahuel sich zu entschuldigen. „Sie wollten Jemanden schicken, da habe ich mich freiwillig gemeldet. Wenn ich nicht gekommen wäre, dann ein Anderer.“

„Ein Anderer, der vielleicht vorschnell gehandelt hätte“, mutmaßte mein Großvater weiter.

„Und dabei seine Gliedmaßen verloren hätte ...“, fügte Jake dann noch hinzu und funkelte Nahuel finster an.

„Nein, Nahuel“, sprach mein Großvater weiter und ignorierte dabei gekonnt Jakes Einwurf. „Es ist schon gut so wie es jetzt ist. Du hättest es nicht verhindern können. Eigentlich hätten wir damit rechnen müssen, dass sich die Volturi nach Renesmees Geburtstag melden würden und das ihnen eine schriftliche Mitteilung nicht ausreichen würde.“

Mein Blick fiel zusammen mit einigen Anderen auf Alice, die unruhig mit dem Fuß wippte.

„Ich hab das nicht kommen sehen ...“, war alles was sie sagte und klang dabei so entrüstet, wie ein Schüler der eine Klausur vergeigt hatte.

„Jetzt wissen wir es ohnehin und müssen das Beste daraus machen“, sagte Jasper ruhig und legte einen Arm um seine Freundin.

„Ja“, antwortete Jake. „Unseren freundlichen Besuch nach Hause schicken und diese Killer ignorieren.“

Edward lachte bitter. „Die Volturi kann man nicht einfach ignorieren. Wenn wir ihrer Einladung nicht nachkommen-“

Jake unterbrach ihn. „Einladung? Du nennst DAS eine Einladung?“, rief er empört und zeigte dabei auf Nahuel.

„Ja, Jacob, das ist eine Einladung und wir MÜSSEN ihr nachkommen, andernfalls werden sie kommen.“

Jake schnaubte. „Pff... das ist mir herzlich egal.“ Seine Augen fixierten nun meinen Vater, anstelle von Nahuel. Mein Vater wiederrum schürzte die Lippen und sah kurz an die Decke, ehe er wieder Jake ansah.

„Du bist ein Gestaltwandler. Ein Lebewesen, das existiert um die Menschen vor Vampiren zu schützen, unser einziger natürlicher Feind und ausgerechnet DIR ist es egal, dass die Volturi hier herkommen und bei ihrem kleinen Zwischenstop womöglich noch ein Drittel von Acworth umbringen?“

Jake wippte nervös mit dem Bein, dann erhob er sich, scheinbar nicht mehr in der Lage zu sitzen. „Nein, Edward, meine Aufgabe ist es Renesmee zu beschützen!“

„Das hat ja auch Niemand abgestritten“, warf meine Mutter nun ein.
Jetzt starrte Jake meine Mutter an wie ein Auto.

„DU auch noch? Ist euch das Leben eurer Tochter denn vollkommen egal?“

Jetzt wandelte sich Bellas Blick. Er hatte bei ihr einen empfindlichen Nerv getroffen. „Wenn es etwas auf dieser Welt gibt, das mir wichtiger ist als mein eigenes Leben, dann ist es das von Renesmee!“, schrie sie ihn an. Mir klappte der Mund ein wenig auf. So hatte ich sie bis jetzt noch nicht erlebt. Jakes Augen wurden zu kleinen Schlitzen und sein Mund schien zu beben, genauso wie der Rest seines Körpers.

„Schön ... und trotzdem wollt ihr sie in den Tod schicken ...“, fauchte er fast.

„Welche Wahl haben wir denn, Jacob?“, fragte mein Vater. Doch es war offenbar eine rhetorische Frage und keine, auf die er eine Antwort verlangt hatte, trotzdem gab Jake ihm eine.

„Ich könnte mit Nessie weggehen. In ein paar Stunden sind wir meilenweit von hier entfernt. Bis diese Blutsauger hier auftauchen sind wir längst Auf und Davon.“

„Vergiss es“, sagte Alice nun, sie hatte immer noch die Arme verschränkt und wurde von Jasper im Arm gehalten. „Demetri ist der beste Tracker und wird euch finden, ganz gleich wo ihr seid.“

Doch Jake wog weiter die Chancen ab und hatte prompt ein Gegenargument. „Dann gehen wir dorthin, wo sie uns nicht hin folgen können. Irgendwo wo die Sonne vom Himmel knallt. Uns macht es nichts aus. Nessie glitzert ja nicht wie ein Weihnachtsbaum.“

Rosalie lachte sarkastisch. „Das ist aber ein Ort, der auch für uns nicht betretbar ist.“

Jake wand sich ihr zu und grinste sie ziemlich bösartig an. „Ich kann gut für sie sorgen, dazu brauche ich euch nicht.“

- „Du willst also allen ernstes mit ihr nach Mallorca oder Hawaii ziehen? Wie lange? Selbst wenn ihr dort Jahre bleibt, werden die Volturi euch nicht vergessen haben. Sie werden euch auch in zwanzig, hundert oder zweitausend Jahren noch finden und solange könnt ihr dort nicht bleiben. Du kannst sie nicht solange von ihrer Familie trennen!“

Sicher hätte ich irgendwann gerne mal selbst ein Wörtchen dazu gesagt, schließlich ging es hier darum mich ins sonnige Mallorca zu verschiffen und mich dort für ein paar Jahrtausende zu verstecken, aber irgendwie hatte ich bis jetzt keinen Ton herausgebracht. Ich war nicht mal richtig in der Lage, das Ausmaß dieser ganzen Sache einzuschätzen. Ich wusste nicht richtig, was es bedeuten würde. Wie gefährlich die Volturi wirklich waren. Ich konnte mich zwar noch teilweise an die Geschehnisse von damals erinnern, allerdings wusste ich nur, dass sie damals in relativ großer Zahl erschienen waren und dann mit uns geredet hatten. Es war nicht zu einem Kampf gekommen, sie hatten uns nicht mal angefasst. Wenn ich damals nicht auch die Anspannung und die Angst meiner Familie gespürt hätte, würde ich fast sagen, dass sie eben andere Vampire waren, die sich gern unterhielten. Aber das waren sie nicht und obwohl Jake die Volturi genauso wenig kannte wie ich, schien er sehr große Angst um mich zu haben.

Nachdem ich gedanklich abgeschweift war, widmete ich mich jetzt wieder der Diskussion hier am Tisch, die sich noch immer nicht gelegt hatte.

„Es ist doch gar nicht sicher, dass sie ihr was antun werden“, meinte Alice.

„Nicht zu hundert Prozent vielleicht“, erwiderte Jake. „Aber zu siebzig mindestens!“

- „Dann nutzen wir die restlichen dreißig und erklären ihnen ganz in Ruhe die Sachlage und das sie nichts zu befürchten brauchen. Sie haben schon einmal auf uns gehört. Sie werden es wieder tun.“

„Ja, sie haben davon abgesehen uns alle in Stücke zu reißen, weil du den da noch gerade so im letzten Moment an geschleppt hast“, antwortete Jacob und deutete dabei auf Nahuel ohne den Blick von Alice abzuwenden. „Dieses Mal haben wir aber kein Beispiel, keinen Beweis, gar nichts! In unserer Geschichte ist es nie vorgekommen, dass ein Werwolf etwas mit einem Vampir hatte und selbst wenn, es wäre noch immer nicht das Selbe!“

Carlisle kam näher, legte eine Hand auf Jakes Schulter. „Das ist schon richtig, Jacob. Trotzdem haben wir keine andere Wahl. Wir müssen zu den Volturi gehen, ihnen klar machen, dass sie nichts zu befürchten brauchen und hoffen, dass sie uns wie beim letzten Mal zuhören und uns glauben werden.“

Mein Freund ballte die Hände zu Fäusten, biss sich auf die Lippen und starrte auf den gefliesten Boden. Langsam erhob ich mich von meinem Platz und lief zu Carlisle herüber. Alle Blicke ruhten jetzt auf mir. Vielleicht würde diese Reise mein Tod bedeuten, vielleicht starben auch alle, die mit mir gehen würden, aber vielleicht war dies auch eine Prüfung die es zu bestehen galt. Die letzte Schranke für den Pfad des Glücks und ich musste sie passieren. Eine andere Möglichkeit – so sehr ich es mir wünschte und so sehr Jake auch versuchte sie zu finden – gab es offenbar nicht und ich wollte nicht für den Tod unzähliger Menschen verantwortlich sein, wenn es wirklich sein konnte, dass die Volturi bei einem Besuch hier in New Hampshire ihre Nahrung aus der Umgebung beziehen würden. Lieber starb ich mit dem Wissen, dass ich damit viele Andere rettete. Ich war mir aber auch bewusst, dass ich weder meine Familie retten konnte, noch Jake oder meine Babys. Wenn ich sterben würde, würden sie wahrscheinlich alle sterben. Carlisle und die Anderen sahen mich gespannt an. Ich sah meinem Großvater unverwandt in seine goldenen Augen.

„Ich will nach Italien gehen“ war alles was ich dann sagte. Sofort spürte ich die Kälte im Raum, die auch das Feuer im Kamin nicht beseitigen konnte. Sie war zu präsent und nahm noch mehr zu, als Jakes Wärme hinter mir verschwand. Ohne noch mal etwas zu sagen, stürmte er in sein Zimmer und knallte die Türen hinter sich zu.

Ich saß noch eine ganze Weile mit meiner Familie im Wohnzimmer. Sofort hatten sie sich daran gemacht alles zu organisieren. Vom Kofferpacken bis zur Ankunft bei den Volturi und der Rückreise (auch wenn es die vielleicht nicht geben würde), war innerhalb kurzer Zeit schon alles geplant. Ich hörte jedes Wort, sah jedoch Niemanden an. Augenscheinlich starrte ich auf die Tischkante vor mir. In Wirklichkeit sah ich nur ins Leere. Jacobs Platz hatte nun meine Mutter eingenommen. Ich hatte meinen Kopf an ihre Brust gelehnt und sie strich mir sanft durch mein langes Haar. Obwohl ich inzwischen ausgewachsen war, fühlte ich mich hier noch immer so wohl, wie ein Neugeborenes bei seiner Mutter. Sie hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich hatte derweil meine Hände an meinem Bauch und hoffte, dass meine Babys nicht allzu viel von alledem mitbekommen würden, befürchtete jedoch das Gegenteil.

„Nessie“, hörte ich dann meine Großmutter sagen. Sie hatte sich neben uns gesetzt und eine Hand auf meinen Schoß gelegt. „Du solltest jetzt schlafen gehen. Es ist sehr spät. Du hattest einen langen Tag und brauchst deinen Schlaf, auch wenn es schwer fällt.“

Ich nickte und richtete mich langsam auf, dann sah ich meine Mutter an. Ihr Mund wurde zu einem liebevollen Lächeln. „Hab keine Angst, meine Kleine. Wir werden dich niemals im Stich lassen. Es wird alles gut werden.“

Ich musterte sie und versuchte meinen Mund auch zu einem Lächeln zu formen und irgend so Etwas in der Art wurde er dann auch, aber wirklich überzeugend war es wohl kaum. „Danke, Mommy“, sagte ich dann. „Ich hab dich lieb.“

Meine Mutter gab mir einen Kuss auf die Stirn, Esme strich mir kurz durchs Haar, als ich an ihr vorbeiging und allen Anderen warf ich noch einen kurzen Blick zu. Sie alle hatten eine zuversichtliche Miene aufgelegt, doch ich war mir sicher, dass sie noch vor hatten einen Schlachtplan anzufertigen, wenn ich schlief. Aber was sollte ich schon tun. Dies war eine Schlacht, bei der ich nicht helfen konnte. Die einzige Person, die jetzt meine Hilfe brauchte und der ich jetzt helfen konnte, befand sich direkt unter mir im Keller, also öffnete ich die hölzerne Tür und ging die wenigen Stufen hinab. Mit einem mulmigen Gefühl passierte ich den, inzwischen wieder sauberen und trockenen, Whirlpool und stand schließlich vor Jakes Tür.

Einen Moment lauschte ich noch, aber ich konnte nichts hören und befürchtete, dass er womöglich irgendwie nach draußen gegangen war, daher klopfte ich auch nicht mehr an, bevor ich rein ging.

Im Raum war es dann stockfinster, aber durch meine Vampiraugen konnte ich immer noch sehen, dass er auf dem Bett lag und ich spürte seine Anwesenheit. Langsam ging ich zu ihm herüber und schaltete die Nachttischlampe an. Der Raum wurde wie immer von einem orange-roten Licht geflutet. Jake lag mit dem Rücken zu mir im Bett und rührte sich nicht. Vorsichtig legte ich meine Hand an seine Schulter.

„Jake?“

Keine Reaktion. Ich rüttelte ein wenig, zog und drückte, doch er drehte sich nicht um und ich hatte auch nicht die Kraft ihn umzudrehen. „Jake?“, fragte ich erneut, doch natürlich reagierte er noch immer nicht auf mich. „Jake ... Ich weiß genau das du wach bist, du brauchst dich nicht schlafend stellen.“

Immer noch nichts. „Och Jake ... jetzt sei doch bitte nicht wütend auf mich, weil ich nicht auf deiner Seite war ...“

Es half einfach nichts, aber gut, ich verschränkte kurz die Arme und ließ meinen Blick über das Bett schweifen, dann kroch ich am Fußende hinein und krabbelte zwischen Jakes massigem Körper und der Wand nach vorn zu seinem Gesicht. Ich hatte mich schon darauf gefasst gemacht, ihn da jetzt im Scheinschlaf vorzufinden und seine Augenlider hochziehen zu müssen, aber offenbar war ich absolut verblendet gewesen, denn Jake stellte sich weder schlafend noch war er in irgendeiner Form wütend. Seine Augen waren nicht geschlossen, sondern offen und sie hatten bis dato wahrscheinlich die Wand fixiert, denn er sah nicht zu mir empor, als ich da so saß. Dass er aber eine Wand anstarrte, war nichts was mich erschrak. Mir klappte der Mund auf und ich sah ihn erschrocken an, denn seine Augen waren glasig und sein ganzes Gesicht nass.

„Jake ...“, flüsterte ich besorgt und legte meine Hand an seine Wange. Langsam legte er seine rostrote Hand auf meine, dann schloss er die Augen und einige Tränen bahnten sich ihren Weg durch seine geschlossenen Lider und über sein feuchtes Gesicht. Er weinte stumme Tränen für mich, machte keinen Mucks und ich wusste auch nicht was ich sagen sollte. In all den Jahren, hatte ich ihn noch nie so gesehen. Ich legte mich vorsichtig neben ihn, ohne die Hand wegzuziehen, die er festhielt. Nachdem ich meinen Kopf auf eines seiner Kissen gebettet hatte, öffnete er seine Augen wieder und betrachtete mich eine Weile. Immer wieder liefen ein paar Tränen über seine Wangen. Ich rückte näher an ihn heran, nahm meine Hand von seiner Wange, wischte die Tränen weg und schüttelte dabei kaum merklich den Kopf. Jake seinerseits senkte den Kopf, bis seine Stirn die Meine berührte. Seine Hände wanderten an mein Haar, strichen darüber und verweilten dann in meinem Nacken. Alles was ich nun hörte war gelegentlich leises Schluchzen.

„Ich will dich nicht verlieren...“, flüsterte er unter Tränen und nun kamen sie auch mir.

„Das wirst du nicht, Jake. Das wirst du nicht“, antwortete ich sanft.

„Und wenn doch...“, sagte er dann. „Dann werde ich dir folgen.“

Erschrocken sah ich auf, nahm seinen Kopf in meine Hände und starrte ihn an. „Nein, Jake! Sag sowas nicht“, bat ich und versuchte dabei so befehlend wie möglich zu klingen, doch durch die Tränen war es eher ein Flehen als ein Befehlen. Er legte wieder eine seiner Hände auf meine, zog sie sich von der Wange und küsste sie.

„Ich kann ohne dich nicht überleben, Renesmee. Ohne dich ist mein Leben sinnlos.“

Ich schluckte kurz, dann setzte ich mich auf und er musterte mich stumm im Liegen. „Versprich mir, dass du nichts Dummes anstellen wirst. Weder in Italien, noch wenn mir irgendetwas passieren sollte“, sagte ich nun etwas bestimmender.

Er schloss kurz die Augen und hielt inne, ehe er sich ebenfalls aufsetzte und ich nun wieder zu ihm empor schauen musste. „Das ist ein Versprechen, dass ich dir nicht geben kann, Nessie.“ Seine Antwort war klar und deutlich und sie kam so sicher aus seinem Mund, wie das Amen in der Kirche. „Wenn die italienischen Blutsauger euch etwas antun wollen, werde ich euch bis zu meinem letzten Herzschlag verteidigen. Wenn es mir nicht gelingen sollte, euch zu retten, dann werde ich euch unmittelbar folgen.“

Mir war sofort klar, dass er mit „euch“ nicht meine Familie, sondern unsere gemeinsamen Kinder meinte und obwohl ich damit gerechnet hatte, dass er so etwas sagen würde, bestürzte es mich, dass er mir in den Tod folgen wollte. Ich wusste, ich würde ihn niemals davon abbringen, also gab ich es auf und senkte den Blick.

Eine Weile war es still in dem kleinen Kellerraum. Niemand rührte sich und Niemand sagte etwas. Irgendwann spürte ich dann wieder seine Hand, die meine Wange streichelte und sich dann langsam unter mein Kinn schob. Er beugte sich zu mir herab und legte seine wohlschmeckenden Lippen auf meine. Es war ein leidenschaftlicher, kraftvoller Kuss, aber ich spürte auch Verzweiflung in ihm. Und Angst. Ich hätte so gern alles um uns herum vergessen. Alles was vorher war, alles was noch kommen würde. Aber während dieses Kusses hing all das wie ein dunkler Schatten über uns. Es ließ mich nicht vergessen. Es war schön, aber es fühlte sich an wie ein Todeskuss. Ganz so, als würde Jake glauben, dies sei das letzte Mal, dass wir so in trauter Zweisamkeit sein konnten und uns küssten. Er hörte gar nicht mehr auf mich zu küssen und ich wagte es nicht, mich von ihm loszureißen, denn irgendwo teilte ich seinen Glauben. Was, wenn dies wirklich das letzte Mal war, dass wir in diesem Zimmer waren, gemeinsam, eng umschlungen? Was, wenn Nahuel uns keine Einladung überbracht hatte, sondern unser Todesurteil? All die Angst vor der Geburt war nun verflogen. Nun hatte ich Angst, dass es niemals zu einer kommen würde.

Meine Hände lagen nun wieder schützend an meinem Bauch. Jake küsste mich weiter, ließ jedoch nun von meinen Lippen ab, er rutschte hinab zu meinem Hals, wanderte an ihm herab und schließlich auch seitwärts entlang. Ich stöhnte leise auf und drehte mich herum, so dass ich nun mit dem Rücken zu ihm saß. Er schob sogleich mein langes Haar beiseite und küsste mich leidenschaftlich im Nacken. Sofort durchflutete mich eine heiße Welle bis in die Zehenspitzen. Er küsste mich unbeirrt weiter. Das es mir gefiel, spornte ihn nur noch mehr an. Seine beiden Hände hielten nun meine Schultern fest, dann glitten sie an meinen Armen herab, was mir Gänsehaut verursachte. An meiner Hüfte ruhten sie anschließend eine Weile, während er weiterhin meinen Nacken liebkoste. Erst einige Sekunden später wanderten sie von meinen Hüften ausgehend wieder hinauf, doch an meiner Brust hielt er sich nicht solange, wie von mir erhofft, auf stattdessen glitt er wieder weiter hinab, bis zum Ansatz meines Shirts, dass er sanft anhob. Langsam verschwanden seine Hände unter ihm, als er sich behutsam daran machte meinen runden Bauch zu streicheln und seine Hände dann letzten Endes auf meine zu legen. Nun hörte er auch auf mich zu küssen und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Ich spürte seinen heißen Atem an meinem Ohr, der nun etwas schneller ging als sonst.

Und als wenn das nicht schon schön genug gewesen wäre, spürten ich nun die Bewegungen meiner Kinder in meinem Inneren und Jake spürte sie auch, denn im Augenwinkel sah ich, wie sein Mund sich zu einem zarten Lächeln formte. Es war ein sehr schönes, sanftes Lächeln. Es war ein Lächeln voller Wärme und Güte, voller Stolz und voller Liebe. Es war das Lächeln eines Vaters ...

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte Jake noch immer seine Arme um mich und meinen Bauch gelegt. Ich wollte mich gerade erheben, da zog er mich sanft aber bestimmt zurück in die Kissen.

„Noch nicht“, murmelte er verschlafen und kuschelte sich wieder an mich.

Ich lächelte. „Jake es ist fast Mittag.“

„Ist egal ...“, nuschelte er dann.

Ich seufzte und ließ meinen Blick über die mit Holz verkleidete Decke schweifen. Alles was ich hörte war der Wind, der draußen wahrscheinlich wieder Schnee herumwirbelte und irgendwo das Klirren von Tellern. Wahrscheinlich bereitete Esme das Essen für uns vor – oder für unseren Gast.

Mir wurde mulmig. Die gestrigen Gespräche, hatte ich doch für einen kurzen Moment glatt vergessen und jetzt kam mir erst wieder in den Sinn, warum Jacob mich so festhielt. Ich drehte mich nun zuerst auf den Rücken und dann zu ihm und zu meiner Verwunderung wackelte und quietschte das Bett dabei ganz ordentlich. Was war ich zartes Ding doch inzwischen wuchtig geworden.

„Oh ...“ war mein einziger Kommentar dazu und Jake grinste mich niedlich an.

„Mach dir nichts draus. Der Bauch macht dich nur noch schöner, als du ohnehin schon bist.“

„Ach wirklich?“, antwortete ich etwas verwundert.

Mein Freund nickte sanft, dann näherte er sich mir, wir schlossen die Augen und küssten uns.

Als wir uns voneinander lösten und ich die Augen wieder aufschlug, sah ich wie er sich über mich beugte, mit der einen Hand stützte er sich links von meinem Körper ab, mit der Anderen rechts, damit sein Gewicht nicht auf mir lag.

„Hey...“, flüsterte er dann.

Ich lächelte. „Ja?“

„Ich liebe dich.“

- „Und ich liebe dich.“

Jake sank etwas herab und küsste mich erst auf die Lippen, dann wanderte er immer tiefer, bis er letztlich meinen Bauch mit vielen kleinen Küssen bedeckte. Ich wurde von einem Kribbeln erfasst, dann spürte ich die Bewegungen unserer Kinder.

„Oh, Wow“, hauchte ich.

„Was?“, wollte Jake wissen und sah mich fragend an.

Zur Antwort nahm ich seine Hand und legte sie auf meinen Bauch, woraufhin er nun noch breiter lächelte. „Der Wahnsinn ...“

Er ließ sich nun noch weiter absinken und stützte sich nur noch auf den Ellbogen, dann legte er seinen Kopf seitlich auf meinen Babybauch und schloss seine dunklen Augen. Ich schloss meine ebenfalls und begann sein Haar zu streicheln. Und so lagen wir dann da. Einige Minuten lang, die dann zu Stunden wurden.

Letztlich stand die Sonne hoch am Horizont, als wir noch immer so verharrten. Ich war inzwischen wieder in einen Dämmerzustand verfallen und ich nahm an das Jake vielleicht wieder eingeschlafen war, aber ich hatte nun auch keine Lust mehr mich zu bewegen. Ich genoss einfach die Zeit mit ihm. Es war so herrlich ruhig geworden um uns herum. Kein Ton zerstörte die Stille. Es war so friedlich und ich wünschte, ich hätte das alles viel früher so intensiv wahrgenommen. Es war in den letzten Monaten so selbstverständlich gewesen, nun erst war mir klar geworden, dass dieses Leben alles andere als selbstverständlich war. Es konnte so schnell vorbei sein und jetzt waren die Chancen groß, dass es das bald sein würde. Eine einsame stumme Träne kullerte aus meinem schokobraunen Auge und rollte über meine zart rosige Wange.

Ja, bald ... sehr bald.

Die Sonne war im Begriff unter zu gehen, als Jacob sich wieder bewegte. Er erhob sich leise und sah mir ins Gesicht. Ich hatte meine Augen zunächst nur einen kleinen Spalt offen gehabt, nun öffnete ich sie ganz.

„Hast du Hunger?“, fragte er mich sanft.

Ich drückte mich mit den Armen nach oben und setzte mich mehr oder weniger aufrecht hin. Als ich dann die Beine bewegte und ganz aufstehen wollte, legte er seine Hand auf mein Knie.

„Ich kann dir was holen.“

Ganz offenbar wollte er mich für den Rest unseres Lebens in seinem Kellerzimmer versorgen.

„Ist schon in Ordnung, Jake“, antwortete ich etwas müde. „Ich muss sowieso mal ins Bad.“

Er überlegte kurz, dann nickte er und nahm seine Hand weg, so dass ich nun an den Bettrand rutschen und sie auf den Boden stellen konnte. Beim Aufstehen half er mir, dann deutete ich ihm an, dass ich allein laufen konnte.

In der Tat fühlte ich mich allerdings nun doppelt so schwer, wie noch am Vorabend. Ob das aber nun daran lag, dass ich den halben Tag im Bett verbracht hatte oder ob meine Babys einen Wachstumsschub gehabt hatten, konnte ich nicht sagen. So im großen und ganzen schien mein eigener Planet nicht gewachsen zu sein und so schleppte ich mich eben mit müden Beinen die Treppe hinauf. Allerdings verwunderte es mich nicht, dass Jake wenige Sekunden später hinter mir stand und mich stützte.

„Jake ... ich kann alleine gehen.“

- „Du siehst so wacklig aus, Schatz.“

Ich stöhnte. „Ich bin nur müde, das ist alles.“

Ich ging noch drei Stufen hinauf. Es fehlten nur noch ein paar wenige. Jake folgte mir auf dem Fuß. „Jacob ... bitte.“

Ich drehte meinen Kopf so weit es ging in seine Richtung. Er stand direkt hinter mir und sah mich mit einer Mischung aus Wut und Besorgnis an, wobei Letzteres über wiegte.

Dann hörte ich plötzlich das Quietschen der Kellertür und ein ordentlicher Schwall Licht strahlte uns entgegen. Ich nahm meine Hände vom Geländer und hielt sie mir vor mein Gesicht.

Dann ging alles ziemlich schnell. Ich konnte für einen Augenblick nichts sehen, ging einen kleinen Schritt zurück und verlor prompt das bisschen Gleichgewicht, dass ich noch hatte. In diesem Moment konnte ich von Glück sagen, dass Jacob direkt hinter mir gestanden war. Ohne Umschweife hatten seine starken Arme mich gehalten, so dass ich nur ein wenig nach hinten kippte, jedoch nicht fiel. Trotzdem fühlte ich mich nun ein bisschen benebelt. Ich musste Jake nun wie ein nasser Sack in seinen Armen vorkommen. Meine Augen waren kaum geöffnet und ich sah alles wie durch einen Schleier. Mein Kreislauf war zusammengesackt.

„Nessie!“, rief Jacob besorgt.

„Oh, das tut mir wirklich sehr sehr Leid“, hörte ich dann eine zweite Stimme. Sie war mir weniger bekannt, aber der Akzent verriet mir, dass es sich wohl um Nahuel handelte.

„Das ... das wollte ich nicht. Ich hatte Geräusche gehört und dachte ihr bräuchtet Hilfe.“

Offenbar war er es gewesen, der die Tür geöffnet hatte. Jake ignorierte seine Worte zunächst. Er schob einen Arm unter meine Kniekehlen und hob mich dann komplett hoch, ehe er mit einem großen Schritt die restlichen Stufen nahm.

„Schönen Dank auch“, zischte Jake zu dem Halbvampir, als er mit mir auf dem Arm, an ihm vorbei lief.

Wenige Minuten später lag ich dann mit einem kalten Lappen auf der Stirn auf dem Sofa im Wohnzimmer. Unter meinen Kopf und meine Beine hatte man jeweils ein oder mehrere Kissen geschoben und Carlisle tastete fachmännisch meinen Bauch ab. Jacob kniete zwischen Tisch und Sofa und hielt ein Wasserglas an meine Lippen, von dem ich zaghaft trank.

„Stimmt was nicht?“, fragte mein Freund besorgt, als Carlisle seine Instrumente wieder in den Koffer packte.

- „Nein, den Babys geht es gut.“

Jakes besorgter Blick wanderte abwechselnd zu mir und zu meinem Großvater. „Und ihr?“, wollte er dann wissen.

Carlisle setzte sein „Arzt-Lächeln“ auf – jenes Lächeln von dem man nicht sagen konnte ob es nun echt oder falsch war – und antwortet mit seiner beruhigenden sanften Stimme: „Nur ein kleiner Schwächeanfall. Die Zwillinge, die Streitereien hier im Haus, Nahuels Botschaft. Das ist gerade alles etwas viel für sie. Sie muss sich den Rest des Tages ausruhen, dann sieht die Welt schon bald ganz anders aus.“

Anschließend beugte er sich herab und gab mir noch einen Kuss auf die Stirn. Danach wand er sich ab zum gehen und machte sich in Richtung Flur auf, da kam ihm mein Vater entgegen und hob eine Hand gegen seine Brust um ihn zum Stehenbleiben zu bewegen. Edwards Worte waren mehr ein Flüstern und das Zuhören und Verstehen fiel mir schwer, wo ich doch sowieso schon alles etwas gedämpft hörte und nur spärlich die Augen geöffnet hatte.

„Carlisle ...“, sagte mein Vater eindringlich, jedoch flüsterleise. „In ihrem Zustand ...“, er brauchte einen Moment um sich zu sammeln und die Worte aus sich herauszupressen. „Wird sie da den langen Flug gut überstehen?“

Die Antwort kam dann wahrscheinlich in Gedanken zu ihm, denn hören konnte ich Carlisle nicht, ehe sie beide das Zimmer verließen. Und ich blieb zurück ohne zu wissen, was mit mir eigentlich los war. Ich fühlte mich mit einem Mal schlapp und kraftlos.

Kurze Zeit später war meine ganze Familie permanent um mich herum. Jake kniete noch immer neben mir und hielt meine Hand.

Meine Augen waren für mich beton schwer und so hatte ich nun nachgegeben und sie geschlossen. Ich hörte nur noch gelegentliche Wortfetzen heraus, bis ich letztlich ins Land der Träume sank ...

Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht, als ich meine Lider langsam wieder öffnete. Ich wusste nicht wie lange ich geschlafen hatte, aber ich wusste, dass gerade ein neuer Morgen begonnen hatte. Zaghaft erhob ich mich und warf über die Sofalehne hinweg einen Blick nach draußen. Der Schnee glitzerte im Sonnenschein des Morgens wie ein Vampir. Es sah wunderschön aus.

Ich setzte mich wieder aufrecht hin und begutachtete den Raum. Es sah ruhig und friedlich aus. Eigentlich wie immer. Nur Jake fehlte wohl irgendwie. Ich warf einen Blick hinter mich, dann erst schaute ich auf den Boden neben mir. Dort lag er schlafend. Ich hatte wirklich keine Ahnung wie lange ich hier schon gelegen hatte und er tat mir Leid.

„Renesmee ...“, hörte ich nun meine Mutter sanft flüstern. Sie war so schnell, dass ich nicht bemerkt hatte wie sie den Raum betreten hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam sie zum Sofa und trat vorsichtig von der anderen Seite an mich heran, damit sie nicht auf Jacob treten musste.

„Hi, Mum“, sagte ich.

Meine Mutter nahm mich in den Arm und küsste mich aufs Haar.

- „Wie geht es dir? Oh, wir haben uns solche Sorgen gemacht, mein Schatz.“

„Es geht mir gut, Mum“, antwortete ich. Und tatsächlich war es so, dass die Müdigkeit und die Schwäche verflogen waren. Jetzt erst fiel mir wieder ein, was ich ursprünglich machen wollte, als ich den Keller verließ.

„Oh, Mum ... ich muss mal eben ins Bad“, sagte ich eilig und rutschte dann bis zum Sofarand nach vorne. Glücklicherweise hatte es auf dieser Seite keine Lehne, so dass ich nirgendwo drüber steigen musste. Als ich mich dann hinstellen wollte, stand meine Mutter prompt neben mir und half mir auf.

„Geht es?“, fragte sie und streichelte behutsam meine beiden Arme.

„Ja, Mum. Ist schon okay.“

Ziemlich widerwillig ließ meine Mutter mich anschließend los und ich marschierte schnurstracks aus dem Wohnzimmer und dann die Treppe hinauf. Da der Treppenabsatz direkt neben der Küche war, war es kaum verwunderlich, dass Esme auf der ersten Stufe stand, immer bereit mich aufzufangen, sollte ich wieder ins Wanken geraten, doch das geschah nicht.

Ich war froh, dass ich, oben angekommen, in Ruhe gelassen wurde. Natürlich horchten sie von unten, ob es mir gut ging und obwohl sie weit bessere Ohren hatten als Menschen, stellte ich nach wenigen Sekunden fest, dass ich unterbewusst angefangen hatte, mehr Lärm als sonst zu machen. Ich schlug sämtliche Schranktüren förmlich zu, nachdem ich Lappen und Handtücher herausgezogen hatte und pfefferte meine Zahnbürste in den Becher. Sogar das Wasser schien lauter zu plätschern als sonst, aber das kam mir sicherlich nur so vor. Ich drehte gerade den Hahn aus, da glaubte ich Schritte vor der Badezimmertür vernommen zu haben. Ich schüttelte den Kopf und stieg aus der Dusche. Wahrscheinlich nur Carlisle, der in sein Arbeitszimmer gegangen war. Ich band mir ein hellblaues großes Handtuch um, das mit Blumen in einem etwas dunkleren Blauton verziert war. Generell war es mir egal wie meine Handtücher aussahen, aber um ein großes Handtuch nach dem Duschen kam ich nie herum. Die Haare hatte ich noch offen und es tropfte immer wieder etwas Wasser von ihnen herab, als ich mich, so gut es ging, auf den Badteppich kniete um den Kleiderberg zu durchwühlen, den ich mir da vorher hingeworfen hatte. Doch auch als ich unten nur noch den Teppich vor mir und sämtliche Kleidungsstücke zweimal umgedreht hatte, der Büstenhalter war nicht dabei. Ich seufzte entnervt. Hatte ich den doch tatsächlich in meiner Eile, schnell ins Bad zu kommen vergessen. Gut, eigentlich kein Problem, dachte ich mir. Das Bad war ja schließlich nahezu direkt schräg gegenüber von meinem Zimmer. Ich öffnete also die Tür und sah vorsichtig einmal nach links und einmal nach rechts. Ich hatte mich ganz gut in mein blaues Handtuch gewickelt, trotzdem mochte ich es nicht wenn man mich so durch den Gang laufen sah, zumal das Handtuch ziemlich mit meinem Bauch zu kämpfen hatte und daher etwas kürzer ausfiel. Als ich sicher war, dass der Flur vampirfrei war, spurtete ich rasch in mein Zimmer, machte die Tür hinter mir zu und öffnete meinen Kleiderschrank. Ordnung war ja bekanntlich das halbe Leben und Alice liebte Kleider so sehr, wie andere ihre Haustiere, deswegen hatte sie mir schon früh beigebracht auch Ordnung in meinem Leben zu halten und das galt selbstverständlich auch für meine Kleider. Die Unterwäsche lag also seit gut acht Jahren immer ganz unten im Schrank, sorgsam verstaut in einer milchig durchsichtigen Box, die man bequem vor und zurück rollen konnte. Beim ersten Griff in die Kiste hatte ich dann doch tatsächlich den schwarzen BH in der Hand, den ich mit Alice im Sommer in der Stadt gekauft und später mit Jake am See im Wald getragen hatte. Ich ließ den samtenen zarten Stoff durch meine Finger gleiten. Das Schwarz war ein so starker Kontrast zu meiner hellen Haut und doch sah es unglaublich gut aus. Alice hatte so recht gehabt, was die Farbe anging und letzten Endes trug ich den Beweis, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes voll ins Schwarze getroffen hatten, seit Monaten unter meinen Shirts.

Während die eine Hand langsam den Stoff losließ und der BH damit wieder in der Kiste verschwand, fasste ich mir mit der anderen an meinen Bauch. Inzwischen bereute ich es nicht mehr wirklich, dass wir damals die Verhütung vergessen hatten. Ich konnte nicht mehr nachvollziehen, dass ich das Leben in meinem Bauch zuerst auslöschen wollte und nun wusste ich, dass ich nicht nur ein Kind erwartete, sondern gleich zwei und jetzt da ich mit der einen Hand in meinen Bhs hing, fragte ich mich doch tatsächlich einen kurzen Augenblick, ob da nicht vielleicht auch mindestens ein Mädchen dabei war. Ein süßes kleines Mädchen, wunderhübsch und mit langem seidigem schwarzem Haar. Eines das mehr nach seinem Vater kam, als nach seiner Mutter. Vielleicht hatte es ja die schokobraunen Augen, die ich von meiner Mum geerbt hatte oder doch eher leichte Locken? Mein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, soviel bekam ich noch mit. Wie die Tür allerdings hinter mir aufging und wieder geschlossen wurde, war mir komplett entgangen. Erst als ich die Anwesenheit einer weiteren Person im Raum spürte, sah ich Richtung Tür. Erschrocken schob ich meine Dessous-Kiste zurück in den Schrank und stand dann auf. Allerdings ein bisschen zu schnell für meinen Zustand, so dass ich anschließend ein wenig zurück taumelte und gegen meinen Schreibtisch stieß, wo ich mich dann mit dem Rücken dagegen lehnte und mit einer Hand abstützte, während die andere mein Handtuch festzurrte.

Die Situation wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn mir gegenüber meine Mutter, meine Oma oder eine meiner Tanten gestanden wäre. Sogar bei einem meiner Onkel wäre ich gelassener geblieben. Doch mir gegenüber stand ein besonderer junger Mann. Der offensichtlich einzige männliche Artgenosse, den ich hatte und auch ohne das man es mir gesagt hätte, hätte ich direkt diese seltsame Anziehungskraft gespürt die zwischen uns lag. Es war ein seltsames Gefühl und es war vor allem eine komplett andere Anziehung als jene, die ich bei Jake spürte. Bei Jake war es Liebe, hier war es keine. Das hatte ich von Beginn an gespürt. Was uns verband war einzig und allein die Tatsache, dass wir von der selben Art waren und dass wir sonst nie einem anderen Lebewesen begegnet waren, das so war wie wir. Ich schluckte einen Moment. Mein Herz pochte nun bedeutend schneller und das lag nicht nur daran, dass ich erschrocken war.

„Nahuel“, begann ich stockend. „Was ... was machst du hier?“

Sein wohlgeformter Mund lächelte und er kam noch ein wenig näher heran, sagte jedoch nichts. Er war ohne Zweifel schön und er machte eigentlich einen freundlichen Eindruck. Trotzdem machte mir gerade diese Freundlichkeit und diese Perfektion an ihm Angst. Hätte ich gekonnt, wäre ich noch weiter zurückgegangen, aber das Möbelstück blockierte mich und so nahm ich nun einfach beide Hände um mein Handtuch über der Brust festzuhalten.

„Spi-spionierst du mir nach?“, fragte ich vorsichtig und sah von unten zu ihm empor.

Sein Blick schien an meinem Körper entlang zu wandern. Von unten nach oben wanderten seine dunklen Augen und blieben dann an meinen haften. Was sollte das? Was wollte dieser Kerl von mir? Warum starrte er mich seit seiner Ankunft so penetrant an?

„Hast du etwa Angst vor mir, Renesmee?“ Seine Worte rissen mich aus meinen Gedanken und ich starrte ihn mit großen Augen an. Erwischt.

„Nein“, log ich rasch und senkte dann den Blick etwas, so dass ich ihm nicht mehr in die Augen sah. Nahuel allerdings schien stattdessen ein „Ja“ verstanden zu haben.

„Die brauchst du nicht zu haben. Ich will dir nichts tun. Ich will nur ein wenig mit dir reden. Seit meiner Ankunft hatten wir dazu noch keine Zeit.“

Reden? Er wollte nur Reden? Und dazu musst er mich heimlich in meinem Zimmer überfallen?

„Okay“, sagte ich und atmete einmal tief aus. Die Tatsache, dass ich es bei ihm nicht mal fertig brachte zu sagen was ich dachte, machte diese Situation für mich nicht unbedingt einfacher.

„Der Tag an dem ich dich traf, war für mich ein ganz besonderer Tag“, begann er dann leise zu erklären. Seine Stimme war engelsgleich und seine Worte trieben mir die Schamesröte ins Gesicht. „Du hast mir gezeigt, dass ich kein Monster bin.“

Jetzt blickte ich langsam auf und sah ihm etwas unsicher in seine dunklen Augen. Sein Blick sah immer noch freundlich aus, doch hatte er nun etwas trauriges an sich.

„Diese Erkenntnis war für mich fast wie eine zweite Geburt. Seit ich denken konnte, wuchs ich in der festen Überzeugung auf, ein Monster zu sein. Eines, das das Leben seiner eigenen Mutter auslöschte. Ich fühlte mich wie ein Dämon, eine Kreatur die nicht existieren sollte und kein Leben verdient hatte. Und jede Halbschwester, von deren Existenz ich erfuhr, bestärkte mich in dem Glauben, den auch sie hatten ihre Mütter getötet. Aber du nicht.“

Ich senkte wieder meinen Blick. Den Bruchteil einer Sekunde spielte ich mit dem Gedanken, ihm zu sagen, dass auch ich mich manchmal wie ein Monster fühlte, denn eigentlich hatte er ja Unrecht. Auch ich hatte meine Mutter bei ihrer Geburt getötet. Mein Vater hatte sie verwandeln müssen, um ihr Leben zu retten. Aber ich brachte es nicht übers Herz, es ihm zu erzählen. Ich wollte seine Illusion nicht zerstören.

„Deine Familie liebt dich. Genauso wie du bist. Für sie bist du kein Monster“, fuhr er fort. „Du hast einen Vater und eine Mutter, die Beide ihr Leben für dich aufgeben würden, die dich lieben.“

Wieder sah ich ihn an, doch dieses Mal lag nur Unverständnis in meinem Blick. „Aber du doch auch, Nahuel“, konterte ich. „Deine Mutter HAT ihr Leben für dich geopfert, weil sie dich über alles geliebt hat!“

Nahuel sah mich ungläubig an. Er sah etwas verwirrt aus, so als würde er mir meine Worte nicht ganz abnehmen wollen, so als sickerten sie nur zögerlich zu ihm durch.

„Vielleicht hast du Recht.“ Die Worte waren kaum mehr als ein Hauch. „Aber ich bin allein gewesen, die ganze Zeit.“

„Was ist mit deiner Tante?“, fragte ich dann. An sie konnte ich mich noch erinnern. Die hübsche Frau mit dem dunklen Hautton und dem langen schwarzen Haar, das zu einem Zopf gebunden war.

„Huilen wollte mir folgen, weil es die letzte Bitte meiner Mutter war, dass sie für mich sorgt. Aber ich bat Huilen mich allein mit den Volturi gehen zu lassen. Ich wollte nicht, dass sie da mit reingezogen wird. Sie lebt wahrscheinlich noch immer irgendwo in Südamerika. Ich hoffe, dass es ihr gut geht. Sie hat mich jeden Schritt meines Lebens begleitet und mich alles gelehrt, was ich weiß und obwohl ich sie immer an meiner Seite hatte, fühlte ich mich ... allein.“

Nahuel hielt inne und musterte mich wieder, dann trat er einen kleinen Schritt näher. Meine Augen wanderten kurz zu seinen Füßen und dann wieder hoch.

„Hattest du dieses Gefühl nie, Renesmee? Allein zu sein?“

Ich schüttelte sachte den Kopf und sah in sein Gesicht. Er sah mir tief in die Augen und ich nahm an, dass er hoffte, die Wahrheit darin zu finden. Augen logen nie und sein Blick sank etwas, als er erkannte, dass ich nicht so fühlte wie er.

„Nein“, sprach ich es nun auch aus. „Wie könnte ich? Ich habe eine tolle große Familie um mich herum.“

Nahuel runzelte fragend die Stirn. „Aber ... sie alle ... sind nicht ... wie du“, sagte er zögernd.

Ich strich mir mit der einen Hand über den Oberarm des anderen Arms. „Ich weiß“, antwortete ich. „Manchmal ... da merke ich schon, dass ich anders bin. An Sommertagen kann ich nicht mit meiner Familie Spaziergänge machen oder Baden gehen. Ich kann mit ihnen an speziellen Tagen nicht in ein Restaurant zum Essen gehen. Aber das sind alles Dinge ... all diese Dinge, die ich nicht mit ihnen unternehmen kann, kann ich mit Jacob unternehmen.“

Mein Gegenüber schien enttäuscht zu sein. Er hatte vielleicht noch einen Funken Hoffnung gehabt, dass ich auch so froh über einen Artgenossen war wie er. In der Tat freute es mich ja irgendwie, dass ich nicht so einzigartig war, wie zunächst angenommen, aber so sehnsüchtig vermisst hatte ich einen anderen Halbvampir eigentlich nie. Wahrscheinlich hätte ich das getan, wenn es Jacob nicht gäbe, aber glücklicherweise sah die Realität anders aus. Ohne das ich es richtig steuerte, rutschten meine Hände hinunter zu meinem Bauch und strichen darüber. Nahuel war dies nicht entgangen.

„150 Jahre habe ich gewartet“, sagte er leise und starrte dabei ins Leere. „Auf Jemanden wie dich. Und nun bin ich ein Jahr zu spät...“

Wieder schüttelte ich den Kopf. „Nein, Nahuel. Auch wenn du ein Jahr eher gekommen wärst. Ich habe schon immer Jacob gehört. Einen richtigen Zeitpunkt für dich, hat es nie gegeben.“

Die Worte fielen mir nicht schwer, obwohl ich wusste, dass sie für ihn vielleicht wie Faustschläge waren. „Es tut mir Leid“, fügte ich noch hinzu, dann ging ich mit gesenktem Blick an ihm vorbei zurück ins Bad.

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