An diesem Abend, der ein Traum hätte werden können, passierte nicht mehr viel. Und das lag alleine an mir. Luke war immer noch überwältigt und hielt so gut wie die ganze Zeit über meine Hand fest und machte kaum den Anschein, mich jemals wieder loslassen zu wollen.
Als er sie dann doch losließ und ich verkündete, nach Hause gehen zu wollen, fühlte es sich so an, als wäre es ein Abschied. Ich konnte die Trauer in seinem Gesicht erkennen und hasste mich selbst dafür, seine Freude zu dämmen, aber meine eigenen Gedanken blockierten mich in diesem Moment und ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte.
Skylar hatte recht, ich hatte keine andere Wahl, als mit meinen Eltern darüber zu reden und ich nahm mir offiziell vor, die nächstbeste Gelegenheit zu nutzen und nach Castelaria zurückzukehren. Mein eigentliches Zuhause.
Bei dem Gedanken daran erschauderte ich und war froh, als Skylar mich mit offenen Armen wieder empfang und ich die Wärme im Inneren wieder spürte. In der kurzen Zeit, die ich bei Luke war, hatte sich hier jedoch so einiges getan, das Skylar mir stolz präsentierte.
„Voilá! Deine ersten Wahlplakate!" Strahlend überreichte sie mir ein selbstgemachtes Plakat mit einer Zeichnung von mir und einer ungefähren Idee, wie es aussehen sollte. „Das gehen wir morgen nach der Schule natürlich professionell drucken. Ich habe auf dem Laptop die finale Version, ich kann sie dir gerne zeigen. Ach und ich habe mir überlegt, Buttons für dich zu machen. Wie findest du das?"
Erstaunt sah ich mir das Ergebnis auf dem Laptop an. „Wow, Skye. Das sieht wirklich toll aus! Danke, dass du dir so viel Mühe machst. Das ist doch eigentlich gar nicht nötig..."
„Und ob es nötig ist! Du musst diese Wahl gewinnen. Zumindest in die Top drei kommen."
„Du bist echt die Beste." Ich umarmte sie und wurde dann schlagartig wieder ernst, sobald Luke in meinen Gedanken auftauchte. Ich erzählte meiner besten Freundin, was soeben vorgefallen war und sie sah mich nur mit offenem Mund an.
„Lem, wenn er seine Bestätigung schon bekommen hat, wirst du deine auch vielleicht schon morgen bekommen. Und dann?"
„Ich werde mit meinen Eltern reden", sagte ich.
„Yes! Lemony, du musst sie überzeugen. Egal wie." Ich nickte und versuchte, positiv zu denken. Sag niemals nie. „Gut. Da das dann nun geklärt ist und ihr beiden schön zusammen nach LA gehen könnt, können wir uns jetzt getrost um den Wahlkampf kümmern."
Gesagt, getan. Die Plakate wurden gedruckt und die Buttons wurden gemacht. Als Allererste hatte ich meine Plakate in der Schule hängen, was Amelia natürlich nicht in den Kram passte. Denn am Tag darauf konnte ich auch überall ihr Gesicht erkennen und hätte ihr das falsche Lächeln darauf am liebsten weggewischt.
Als dann am Ende der Woche die Top drei auf dem schwarzen Brett bekanntgegeben wurde, brach in der Schule das komplette Chaos aus. Hunderte von Schülern schienen am Morgen vor dem einen Blatt zu stehen und ich hörte nur Gemurmel und Gekreische. Ich machte mir nicht einmal die Mühe, mich dorthin zu quetschen, denn ich würde sowieso nur zerdrückt werden.
Dafür kam Beau aufgeregt auf mich und Skylar zugelaufen und rief schon von weitem: „Hast du gesehen? Du bist mit unter den Top drei!"
„Echt?" Schockiert sah ich ihn an und er nickte heftig. „Ja! Du, Amelia und noch ein Mädchen. Ich glaube, sie ist eine von Amelias Freundinnen."
„Yay!" Skylar klatschte und umarmte mich.
„Gute Arbeit!", grinste ich und lächelte. „Das habe ich irgendwie nicht erwartet, aber ich freue mich darüber. Wer ist denn bei den Jungs dabei?"
„Luke und Liam auf jeden Fall", antwortete er und warf einen Blick auf Skylar. „Keine große Überraschung", meinte sie nur. Ich wusste immer noch nicht, was nun mit ihr und Liam los war, aber sie hat auch lange nicht mehr von ihm gesprochen. Sehr seltsam.
„Jetzt können wir uns jedenfalls komplett dem Vorbereitungsteam widmen." Sie warf ihren Arm um meine Schultern. Es waren tolle Leute mit in dem Team und ich war froh, dass sie uns freundlich aufgenommen und sich sehr über unsere Hilfe gefreut haben. Es muss so viel geplant werden, dass jeder seine eigene Aufgabe bekommen hat.
Skylar ist für den DJ zuständig, sie wird einen organisieren und mit ihm gemeinsam entscheiden, was für Musik am Abend des Proms gespielt wird. Meine Aufgabe war es, das Thema auszusuchen und dafür zu recherchieren. Dann würden alle gemeinsam kurz davor die Turnhalle, wo der Prom stattfinden würde, schmücken und darauf freute ich mich am meisten.
Am heutigen Nachmittag trafen sich alle aus dem Vorbereitungsteam, um erste Ergebnisse zu präsentieren, als jemand Neues zu uns stoß. Dawn. Schon als ich sie von weitem sah, gefror alles in mir. Ich hatte sie eine Weile lang nicht mehr gesehen und schon ewig kein Wort mehr mit ihr gewechselt, aber ihr Blick war kalt und ich wusste ganz genau, wieso ich sie gemieden hatte.
Selbstverständlich setzte sie sich jedoch direkt neben mich und ich war im ersten Moment überrascht, dass niemand etwas dagegen hatte. War sie etwa schon länger in dem Team? Die Antwort lautete: Ja. Ihre Aufgabe war es, sich um den Außenbereich vor der Turnhalle zu kümmern, auf dem man auch feiern sollte.
Ich stellte meine ersten Ideen vor und spürte die ganze Zeit ihren Blick auf mir. „Ich habe mir überlegt, irgendetwas mit Lichtern zu machen", fing ich an. „Es sollte etwas besonderes sein. Etwas magisches. Lichterketten, Kerzen, alles soll romantisch und gemütlich erscheinen. Was sagt ihr dazu?"
Jedem gefiel die Idee und alle schwärmten sofort und warfen neue Ideen in die Runde, die ich mir sofort notierte. Als die Besprechung wenig später vorbei war, schnappte Dawn nach meinem Arm. „Was soll das?" Sie zog mich beiseite und ich sah sie stirnrunzelnd an. „Was meinst du?"
„Wieso machst du das alles hier mit? Wieso interessiert dich das?"
„Das sollte ich wohl eher dich fragen." Ich konnte nicht anders, als zu lachen. „Ich dachte, du hasst Menschen."
„Das tue ich auch. Nur nicht alle."
Ich verschränkte meine Arme. „Warum wolltest du wirklich mit mir sprechen?", fragte ich.
Sie grinste frech. „Man könnte meinen, du würdest mich gut kennen. Du bist also wirklich mit Luke zusammen." Wusste ich es doch. Mir wurde heiß und kalt, aber ich ließ mich nicht beirren. „Ja, das stimmt. Und?"
„Was hat er denn zu dir gesagt? Ist er wirklich glücklich mit dir?"
„Was soll das, Dawn? Was willst du? Natürlich ist er glücklich mit mir. Immerhin hat er gesagt, dass er in mich verliebt ist."
Sie hob eine Augenbraue. „So, so. Verliebt also." Ich nickte stolz und zeigte ihr meine Überlegenheit. „Nur verliebt, interessant."
Nun verschwand das Lächeln aus meinem Gesicht und sie hatte mich am Finger. „Was meinst du mit nur verliebt?"
„Naja, er ist nun mal nur in dich verliebt, das heißt, er liebt dich nicht."
Schockiert wich ich einen Schritt zurück. Was wollte sie mir damit sagen...? Ich erinnerte mich an den Moment bei Luke vor wenigen Tagen, wo ihm das „Ich..." im Hals stecken gelieben war und ich erwartet hatte, dass er mir sagt, dass er mich liebt. Was er nicht getan hat.
„Er liebt dich nicht, Daphine. Er ist nur in dich verliebt und Verliebtsein dauert höchstens paar Monate. Nicht länger. Du wirst die Königin von Castelaria und wirst ihn nie, nie wieder sehen. Und er wird dich vergessen."
Dass diese Gedanken schon lange in meinem Kopf herumschwirrten, war nichts Neues, aber dies nun so offen und geradeaus von Dawn zu hören, war wie ein Messerstich ins Herz. Sie grinste mich noch kalt an, dann drehte sie sich um und ließ mich einfach so stehen.
Eine Träne lief mir über die Wange und augenblicklich befand sich Skylar an meiner Seite. Stumm hakte sie sich bei mir ein und führte mich nach draußen in die frische Luft. Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, aber genau das Gegenteil geschah. Denn was war, wenn Dawn recht hatte? Wenn das, was Luke für mich empfand, wirklich nur Verliebtsein war und keine Liebe?
Mit gesenktem Kopf und Skylars Arm um mich trabte ich nach Hause, wo mich dann eine schöne Überraschung erwartete. In der Tür steckte ein Zettel, den Skylar verwundert herauszog. Ich sah an ihren Augen, wie sie in kurz überflog und reichte ihn mir daraufhin grinsend. „Ich glaube, der ist für dich."
Sie schloss die Tür auf und ließ mich bedröppelt hier draußen stehen, während ich die kurze Nachricht durchlas. „Hallo mein Liebling, da ich nun weiß, dass du als Prom Queen kandidierst und auch noch beim Vorbereitungsteam mitmachst und das alles zusammen sehr viel Arbeit erfordert, habe ich heute Abend eine kleine Überraschung für dich, die dich hoffentlich ein wenig entspannen wird und ich würde mich freuen, wenn du kommst. ;) -L"
Lächelnd drückte ich die Notiz an mich und flog praktisch ins Haus hinein. Vielleicht wird mir heute die Gelegenheit geboten, meinen Gedanken und Dawn zu zeigen, dass sie falsch lagen. Skylar sah mich nur mit hochgehobenen Augenbrauen an und grinste wissend. „So, so, eine Überraschung also, hm?"
Ich schnappte mir ein Kissen und bewarf sie damit. „Hey!" „Nix hey. Das geht dich gar nix an. Du hättest den Zettel eigentlich auch gar nicht lesen dürfen." Ich plumpste neben sie auf die Couch und spürte, wie mir warm wurde.
„Ach Gott, das ist aber soo romantisch. Anstatt dir einfach eine SMS zu schreiben, kommt er den ganzen Weg nach hierher und lässt dir eine Notiz hier!" Sie seufzte verträumt. „Er ist so ein Romantiker."
„Ja, aber er ist mein Romantiker", ermahnte ich sie und hob meinen Zeigefinger.
„Schon klar, Lem. Nicht in fünf Milliarden Jahren würde ich etwas von Luke wollen. Ich wünschte mir nur, dass ein Junge für mich auch so etwas romantisches tun würde..." Sie lehnte sich an meine Schulter und ich umarmte sie.
„Das wird jemand ganz bestimmt für dich tun. Was ist denn mit Liam? Ich dachte... er wäre in dich verliebt?"
„Das ist er auch..." Erneut seufzte sie schwer und dann kam die Wahrheit aus ihr heraus: „Aber ich habe festgestellt, dass ich nicht in ihn verliebt bin."
Schockiert hielt ich sie an ihren Schultern fest und sah ihr tief in die Augen. „Was?", fragte ich und mein Mund klappte auf.
Ein trauriges Lächeln huschte ihr übers Gesicht. „Liam ist toll und wirklich ein guter Freund, aber er ist nicht der Richtige für mich. Ich... Weiß auch nicht genau, warum, aber mein Herz sagt mir dies. Und mein Herz sagt mir auch, dass ich für den Moment keinen Freund haben will. Dass wird mir alles ein wenig zu viel."
Verständnisvoll nickte ich und strich über ihren Arm. „Lass dich bloß nicht stressen, okay, Skye? Irgendwann wird der Richtige vor der Haustür stehen und du wirst es merken." Sie nickte und blickte stur auf einen Punkt in der Ferne.
Ich erwähnte Beau lieber nicht und auch sie verlor in dieser Konversation kein Wort über ihn, aber ich hatte die Vermutung, dass Skye vielleicht seinetwegen festgestellt hat, dass sie nichts für Liam empfindet.
Aber bevor ich mich darum weiter kümmern konnte, musste ich wissen, wie genau ich den Unterschied zwischen „Verliebtsein" und „Liebe" erkennen konnte und was davon Luke letztendlich für mich fühlte.
❋ ❋ ❋
Glückwunsch an Lemony zum Einzug in die Top 3! :) Immerhin ist Dawn nicht auch mit dabei, haha. Apropos Dawn, sie ist wieder da, um Unruhe zu stiften und versucht natürlich alles, um ihrer Schwester das Leben schwerzumachen. Aber wird sie damit durchkommen...?
Mehr dazu später, denn erst einmal folgt ein wenig Lumony-Action :D ;) Das nächste Kapitel wird superrr romantisch, also freut euch schon mal darauf <33
- nici