Wie auf heißen Kohlen saß ich am Nachmittag auf dem Sofa und zappelte mit den Beinen, während ich andauernd mein Handy anstarrte.
„Mach dir keine Sorgen, er wird sich schon noch melden", meinte Skylar alle fünf Minuten und fing schließlich selbst an, im Zimmer herumzulaufen.
„Skye, es sind schon ungefähr vier Stunden rum, seitdem er Zuhause angekommen ist. Vier Stunden! Worüber können sie sich denn vier Stunden lang unterhalten?"
Ich fing an, an meinen Fingernägeln zu knabbern und ignorierte die Stimme meiner Mutter im Kopf, die mir sagte, dass ich schleunigst damit aufhören sollte. Aber das hier war viel wichtiger als Fingernägel.
Ich stand auf und schnappte meine Jacke. „Ich gehe jetzt zu ihm."
„Oh nein, das lässt du schön bleiben." Skylar stellte sich vor die Tür und hielt mich auf.
„Warum?"
„Er hat gesagt, du sollst ihm nicht helfen kommen, schon vergessen?", erinnerte sie mich und ich plumpste seufzend zurück auf die Couch.
„Aber ich kann nicht mehr länger warten", maulte ich. „Ich muss wissen, was Sache ist. Ich halte es nicht-"
In diesem Moment leuchtete mein Handydisplay auf und ein Bild von Luke erschien darauf. Ich schnappte laut nach Luft und mein Herz schlug wie wild, als ich auf den grünen Hörer drückte und mein Handy mit fast schon zittrigen Händen an mein Ohr hielt.
„Luke! Und? Sag schon!"
„Ich, ähm... Ich würde es dir lieber persönlich sagen. Kannst du rüberkommen?"
Mein Hals wurde trocken und ich konnte im ersten Moment nicht antworten. Schnell räusperte ich mich und antwortete: „Ja, ja klar. Ich bin schon unterwegs."
Ich legte auf und sah nur panisch in Skylars Gesicht. „Schlechte Neuigkeiten?", fragte sie leise.
„Ich weiß es nicht", antwortete ich. „Er hörte sich aber nicht gerade glücklich an. Er will es mir persönlich sagen. Ich habe ein schlechtes Gefühl, Skye. Ich gehe lieber sofort zu ihm."
Sie nickte nur mitfühlend und ich verließ daraufhin das Haus. Das konnte nicht wahr sein. Sein Traum konnte nicht geplatzt sein, das würde ich auf keinen Fall zulassen.
Während ich zu ihm lief und keine Sekunde Pause machte, überlegte ich mir, was ich zu seinen Eltern sagen würde, um sie doch noch irgendwie umzustimmen.
Atemlos kam ich vor seiner Tür an und musste mich zusammenreißen, um nicht im Sturm zu klingeln. Es war mal wieder Claire, die mir öffnete. Verwundert sah sie mich an. „Hallo, Lemony. Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst... ein wenig erschöpft aus."
Ich konnte in diesem Moment nicht anders, als sie wütend anzufunkeln. „Ich wollte zu Luke", meinte ich nur, ohne sie zu begrüßen. Sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen, aber gerade war es mir herzlich egal.
„Selbstverständlich. Er ist oben. Wir haben gerade..." Ich ließ sie nicht zu Ende sprechen, denn schon war ich an ihr vorbeigerauscht und stürmte die Treppen hoch.
Ohne anzuklopfen betrat ich sein Zimmer und sah ihn auf seinem Bett sitzen. Luke lächelte mich matt an und stand auf, sobald er mich erblickte. „Du hast einen neuen Rekord aufgestellt, wie es mir scheint. So schnell warst du ja noch nie hier."
„Spar dir das", winkte ich ab und betrachtete ihn prüfend. „Was genau haben deine Eltern gesagt? Es tut mir ja so leid. Ich wollte wirklich, dass du es schaffst..."
Ich ging auf ihn zu und wollte ihn tröstend umarmen, aber er hielt mich auf, genauso, wie Skylar noch vor wenigen Minuten.
„Moment mal, Liebling. Wovon sprichst du gerade?"
Verwirrt sah ich ihm in die Augen. „Vom Gespräch? Mit dir und deinen Eltern? Über das College...?"
„Ach so, das." Er lachte und jetzt war ich wirklich beunruhigt.
„Luke...? Was ist los? Sag es mir endlich! Du spannst mich echt auf die Folter", redete ich vor mich hin, während er mich einfach nur ansah und gar nichts sagte.
Irgendwann war ich wirklich kurz davor, ihm den Kopf abzureißen, als er endlich mit der Wahrheit rausplatzte: „Meine Eltern erlauben mir, an die University of California in Los Angeles zu gehen! Vorausgesetzt, ich bekomme ein Stipendium."
Mein Mund klappte auf und meine Augen wurden groß. „Luke! Das sind... fantastische Neuigkeiten!"
Ich warf mich ihm um den Hals und er drückte mich fest an sich. „Ich wusste, du würdest es schaffen."
Er lachte. „Noch bin ich nicht angenommen. Das Stipendium ist die Voraussetzung, also muss ich in den letzten Wochen noch alles geben. Außerdem kam der Brief von der UCLA noch nicht an, also steht noch überhaupt nichts fest."
Ich löste mich von ihm und sah ihm in die Augen. „Aber ich weiß, dass du es schaffen wirst. Du bist schließlich ein Alleskönner", lachte ich. „Wie kam es denn dazu? Was hast du deinen Eltern erzählt?"
„Das, was ich dir auch erzählt habe. Dass es wirklich mein Traum ist und dass es das ist, was ich will. Wir saßen da, ohne zu übertreiben, mehrere Stunden und haben über diese eine Sache diskutiert, aber am Ende war es das wert. Sie haben mir zugehört und mich verstanden und dafür bin ich ihnen echt dankbar."
Ich lächelte. „Das ist sehr schön, ich bin echt stolz auf dich."
Plötzlich fingen seine Augen an zu leuchten und er griff nach meinen Händen. „Komm mit mir nach Los Angeles", sagte er aufgeregt.
Überrascht sah ich ihn an. Ich sollte mit Luke nach L.A.? Das war eine wunderschöne Vorstellung und ich hätte alles stehen und liegen gelassen, um seinen Wunsch zu erfüllen. Aber es ging nicht.
„Komm mit mir!", wiederholte er. „Wir könnten dort zusammen studieren. Es gibt so viele verschiedene Studiengänge, du wirst mit Sicherheit etwas für dich finden! Und das mit dem Stipendium wird auch kein Problem werden, schließlich bist du sehr gut in der Schule. Du... hast dich doch dort beworben, oder?"
Es war so unglaublich süß von ihm, wie viele Gedanken er sich bereits gemacht hat und ich wollte unbedingt Ja sagen. Aber ich hatte meine Pflichten zu erfüllen. Ich wollte es mir nie eingestehen, aber wir hatten sowieso keine Zukunft zusammen.
Er würde aufs College gehen und ich musste zurück nach Castelaria, wo ich die Königin werden würde. Wir würden uns nie wiedersehen. So schmerzhaft es auch klang, leider war das die bittere Realität.
Luke schien an meinem Gesichtsausdruck zu merken, dass etwas nicht stimmte und dann verschwand auch das Strahlen aus seinem Gesicht. „Du willst nicht mit mir mitkommen." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Nein, nein. So ist das nicht. Ich würde nur zu gerne mit dir nach L.A. gehen, aber... Es geht nicht." Ich presste meine Lippen aufeinander. Ich drückte mich immer noch davor, ihm die Wahrheit über mich zu erzählen und ich konnte nur hoffen, dass er keine Fragen stellt.
Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er ließ seine Hände sinken und ich wusste sofort, dass ich ihn verletzt habe. Es tat mir im Herzen weh, ihn so zu sehen. Aber dann tauchte ein neuer Hoffnungsschimmer in seinen Augen auf und er sah mich wieder an.
„Ich kann auch hierbleiben! Ich kann auch an die University of New Orleans gehen, sie ist nur ein paar Stunden entfernt, hier in Louisiana, und wir könnten uns jede Woche besuchen!"
Das klang natürlich verlockend und wäre theoretisch auch möglich, aber wieder musste ich wiedersprechen. „Nein, Luke, das geht erst recht nicht. Und weißt du auch, wieso? Weil die UCLA dein Traum ist. Du hast gerade stundenlang deine Eltern davon überzeugt, dieses College zu besuchen und ich werde mich nicht dazwischen stellen. Du musst nach Los Angeles gehen. Ob mit mir, oder ohne mich. Verfolge deinen Traum."
Ich versuchte mit allen Kräften, die Tränen zu unterdrücken, denn das klang bereits wie ein Abschied. Ein unvermeidbarer Abschied, zu dem es sowieso bald kommen würde.
Er seufzte. „Ich werde mich damit nicht zufrieden geben, Liebling. Nur damit du es weißt. Ich werde alles versuchen, um dich umzustimmen, also mach dich auf etwas gefasst. Ich will dich unbedingt mit mir haben. Ich weiß nicht, ob ich es alleine schaffe."
„Du wirst es schaffen, das weiß ich. Du bist Luke, du kannst alles." Ich hörte auf zu sprechen, weil ich die Tränen verhindern wollte, die jederzeit aus mir ausbrechen könnten. Ich war kurz davor.
„Du bist echt ein Engel, weißt du das?", meinte Luke und strich mir sanft über mein Gesicht. „Aber ich werde trotzdem um dich kämpfen. Ich werde dich hier nicht alleine lassen."
Ich schmolz dahin. Er war süßer als Schokolade und niemand konnte Schokolade widerstehen, genauso wenig, wie man Luke nicht widerstehen konnte. Aber ich musste. Ich hatte ein Volk, das auf mich wartete und über das ich regieren sollte. Leider war das alles, was ich in meinem restlichen Leben zu tun hatte.
Und dann bekam ich die wohl schlimmsten Gedanken, die ich nur bekommen könnte. Er wird sich in L.A. neu verlieben. Er wird dort jahrelang studieren, da ist es nur klar, dass er dort jemanden finden wird. Sie werden zusammenziehen und heiraten und ich werde irgendwelche Söhne vorgestellt bekommen, und würde mein Leben lang unglücklich bleiben.
Ich wollte nicht, dass meine Zukunft so aussieht. Ohne Luke würde sie nur schwarz und grau sein, das wollte ich verhindern. Aber wie sollte ich es anstellen, dass meine Zukunft in bunten Farben erleuchtet und ich von meinen Pflichten befreit werde? Meine Chancen waren nicht sehr hoch. Ich fing an zu zittern.
Luke redete mit mir, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Ich wollte das alles nie. Gar nichts von allem. Niemals wollte ich mein ganzes Leben auf Castelaria verbringen und gleichzeitig wollte ich mich nicht verlieben und Freundschaften knüpfen, weil ich genau wusste, dass ich mich irgendwann von allen trennen musste.
Ich werde sie alle nie wiedersehen. Luke, Skylar und Beau. Die Menschen, die mir so viel bedeuteten. Sie alle hatten Träume, die nun wahr werden würden. Jeder wird ein anderes College besuchen, die mehrere hundert, vielleicht sogar tausend Kilometer von mir entfernt sein würden. Und das tat weh.
„Lemony? Lemony!" Irgendwann fing ich wieder wahrzunehmen, dass Luke bei mir war und meinen Namen rief. Ich suchte nach seinem Blick und sah ihn erschrocken an. „Mein Gott, ist alles in Ordnung? Du sahst so aus, als würdest du jeden Moment in Ohnmacht fallen!"
Ich hatte einen riesigen Kloß im Hals und war unfähig, zu sprechen. Tränen kullerten mir die Wange hinunter und ich warf mich in seine Arme. „Ich will dich nicht verlieren, Luke", sprach ich aus, was mich quälte.
Er drückte mich fest und versuchte mich zu beruhigen. „Das wirst du nicht. Ich verspreche es."
❋ ❋ ❋
Ich habe immer einen Kloß im Hals, wenn ich die paar letzten Zeilen des Kapitels lese, wie ging es euch? :/
Hat jemand vielleicht einen Lösungsvorschlag, wie Lumony trotz allem noch zusammenbleiben kann?
Und wann wird Lemony Luke wohl endlich von ihrem Geheimnis erzählen?
So viele ungeklärte Fragen, die sich im Laufenden alle auf jeden Fall noch aufklären werden und ich bin sehr gespannt! :)
Vielen Dank auch an alle für die bereits über 60k reads! Auf Instagram habe ich ein etwas längeres Dankeschön verfasst, wer es gerne lesen & mir folgen möchte, kann dies liebend gerne tun, ich heiße dort @niciwattpad. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr vorbeischaut und dort ein wenig mit mir chattet :D
Frohe Ostern <3
- nici