Kapitel 30

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Belle

»Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte er mich auf dem Weg zu einem Geschäft.

»Ja«, verdrehte ich die Augen, weil er es mir gefühlt zehn Mal schon erklärt hatte. »Wir gehen zusammen rein, suchen Zeitungen und schauen ob wir darin etwas zum Vorfall finden.«

»Gut, und?«

»Und ich verhalte mich unauffällig, weiche nicht von deiner Seite. Schon verstanden.«, zeigte ich ihm den Daumen nach oben.

»Du weißt, dass ich eine Waffe bei mir habe. Enttäusch mich diesmal lieber nicht.«

Nickend presste ich die Lippen aufeinander und war enttäuscht darüber, dass wir zu unserem alten Verhältnis zurückgekehrt waren. Er war der böse Farblose und ich die schwache, dumme Violette, die Gefolgschaft zu leisten hatte. Er hatte das Sagen und ich hatte seinen Anweisungen zu folgen. Ansonsten folgten Drohungen. Nichts Neues.

Nach vorletzter Nacht war ich fast davon überzeugt gewesen, dass Jack ein anderer Mann war. Nun, dass er gut war. Aber das hatte ich vermasselt mit meiner letzten Aktion. Die Hoffnung auf sein Vertrauen hatte ich mit eigener Kraft ausgelöscht. Die irrsinnige Vorstellung, dass wir irgendwas gemein hatten, verstrich. Wie lächerlich war ich eigentlich?

Ich seufzte traurig während wir den Laden betraten. Wie das wohl aussehen mochte? Zwei komplett unterschiedliche Menschen, die nur eine Gemeinsamkeit im Aussehen hatten. Beide sahen fix und fertig mit ihrem Leben aus. Meine Haut war wohl kreidebleich und meine Augen schmückten wahrscheinlich die dunkelsten Augenringe des Jahrhunderts während Jack noch sehr mitgenommen von der Prügelei aussah. Er hatte deutliche blaue und violette Flecken sowie kleinere Kratzer im Gesicht. Noch dazu liefen wir in abgetragenen und dreckigen Klamotten während die meisten Blauen sauber und ordentlich gekleidet waren. So viel zum »nicht auffallen«.

Selbstverständlich ernteten wir neugierige Blicke. Jacks schwarzes Armband versteckte sich unter seinem langen schwarzen Ärmel, aber meins machten wir absichtlich deutlich.

Wir fanden die Zeitungen und lasen uns verschiedene Artikel so schnell wie möglich durch, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Aber der Verkäufer hatte argwöhnisch seine Augen auf uns gerichtet.

Eigentlich würde ich nichts lieber wollen als dass wir aufflogen und man mich rettete, aber erstens hatte Jack eine Waffe dabei und zweitens wollte ich diesem sechzehn jährigen Jungen helfen. Ich hatte sein Vertrauen schon einmal missbraucht. Diesmal sollte er sich auf mich verlassen können.

Deswegen trat ich zurück und tat so als würde ich mir die Haarprodukte anschauen. Ich nahm mir sogar eine Bürste in die Hand und starrte in den Spiegel vor mir.

Entsetzt wich ich vor meinem eigenen Spiegelbild zurück. Das konnte nicht ich sein! Belle Gloria Night sah nicht so aus! Sie sorgte sich stets um ein gepflegtes Aussehen und ließ sich nicht so gehen... Wenn Dad mich so mit zerzausten Haaren, blasser Haut, den dunklen Augenringen und in den Klamotten eines Farblosen sehen würde! Meine Augen, die einst so viel Freude und Sorglosigkeit ausstrahlten, blickten mir nun trüb und glanzlos entgegen.

Ich schluckte all meine aufkommenden Gefühle der Sorge über mein eigenes Wohlergehen runter und kämmte mir leicht die Haarspitzen, die von meiner aufgesetzten Kapuze hervorlugten und versuchte die aufkeimende Übelkeit im Magen zu ignorieren. Ich spürte Jacks stechenden Blick von der Seite. Er fragte sich bestimmt, was ich da tat.

Und im nächsten Moment stand er auf einmal neben mir, lächelte mir durch den Spiegel zu und nahm meine Hand in seine. »Können wir los, Liebling?«

Perplex blinzelte ich während sich meine Hand in seiner verkrampfte. Ich konnte mir nicht erklären warum auf einmal eine angenehme Wärme mich durchzuckte. Überrumpelt starrte ich in seine Augen, die mich anfunkelten. Und als er kurz in eine andere Richtung schielte und einer Person zunickte, verstand ich. Es war eine Show.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt