Kapitel 53

2.6K 174 9
                                    

Belle

Es dauerte ein ganze Weile bis ich wieder zu mir gekommen war und mich wieder alleine in meinem Krankenhauszimmer vorfand. Wie war ich eingeschlafen? Als ich mich versuchte aufzurichten, durchfuhr mich ein Stechen im linken Arm. Ich hob die Decke an und entdeckte einen kleinen blauen Fleck an meinem Unterarm. Die Ärzte mussten mir was zur Beruhigung verabreicht haben. Anders konnte ich mir meinen entspannten Zustand nicht erklären. Trotz der leichten Benommenheit, hievte ich mich auf die Beine und trottete zum Fenster und schob die Jalousien hoch.

Es war bereits stockdunkel draußen. Der Himmel war von grauen Wolken verdeckt. Nicht einmal der Mond schaffte es diese zu durchbrechen. Seufzend wand ich mich von diesem Anblick ab und dachte darüber nach wie es wohl war, draußen mitten in einer leeren Landschaft mit nichts weiter als Malutensilien und einer blanken Leinwand zu sitzen und die Natur zu bewundern. Doch würde ich nie mehr wieder auch nur einen Fuß in diese freie Welt setzen können. Das hatte mir mein Vater klargemacht.

Noch dazu hatte er wieder einmal Sicherheitsmänner mehrere Stockwerke unter meinem Fenster gepflanzt, damit auch ja niemand mehr in meine Nähe kommen konnte. Es war hoffnungslos. Ich war wieder gefangen, in der Mitte von fremden Leuten, die im Notfall auf ihr eigenes Leben verzichten mussten, um meines zu beschützen.

Auch wenn ich mich schonen sollte, auch wenn ich mir keine Hoffnungen über diesen albernen Traum über Freiheit machen sollte, setzte ich mich auf die Fensterbank und starrte wieder nach oben in den Himmel. Ob Jack auch gerade diesen Anblick hatte? Oder hockte er in einem Verließ ohne Fenster und starrte die kahle Wand an? Dachte er vielleicht an mich?

Sei nicht albern. Er hatte ganz andere Probleme. Vielleicht plante er gerade auch seine Flucht. Ja, vielleicht tat er das wirklich. Vorausgesetzt, ihm ging es gut. Nicht einmal das wusste ich.

Ich lehnte meine Schläfe an die kalte Scheibe und atmete tief durch. Wie könnte ich ihm helfen? Das konnte ich nicht. Ich hatte schon genug Fehler begangen. Ich hatte meine eigenen Leute verraten, nur weil mein Herz sich beim Anblick dieser Leute verkrampfte und bei ihm schneller schlug. Er war fort. Und seitdem fehlte etwas. Da hatte sich etwas in mir aufgelöst und es schmerzte zutiefst. Es nahm mir die Freude an meiner Rückkehr, die Sehnsucht nach meinem Zuhause.

Schau hin. Hör zu. Jacks Worte hallten auf einmal in meinen Gedanken wider. Wohin sollte ich schauen? Wem sollte ich zuhören? Was hatte er damit gemeint?

Egal was es war, ich musste doch wenigstens irgendwas tun können... auch wenn ich nicht viel ausrichten konnte. Da gab es sicherlich etwas, das ich tun konnte. Das ich tun musste.

Entschlossen stand ich auf und warf mir einen Morgenmantel um, da es im Krankenhaus kühler war als in meinem Zimmer. Ich griff nach der Türklinke und atmete noch einmal durch. Ich musste raus. Ich musste einfach erfahren, was hier gespielt wurde. Musste wissen, was im Keller dieses Krankenhauses vorging, welche schmutzigen Geheimnisse gedeckt wurden und welche Bürden sich die Roten auferlegt hatten.

Meine Hände zitterten als ich die Tür aufmachte und sich augenblicklich zwei Bodyguards an mich wandten. »Brauchen Sie etwas, Miss Night?«

Gute Frage. Nur hatte ich keine Antwort darauf. Würden sie mich auch weiterhin begleiten, wenn ich ihnen meine Absichten erklären würde? Oder würden sie sofort meinen Vater einschalten? Da ich selbst nicht wusste, was mich da unten erwartete, konnte ich es nicht riskieren, meinen Vater davon hören zu lassen.

»Ich will nur frische Luft schnappen.«, versuchte ich an ihnen vorbei zu schreiten, aber im Nu wurde mir der Weg versperrt.

Zitternd presste ich die Lippen aufeinander und blieb ratlos stehen. »Lasst mich durch.«

»Tut uns Leid, Miss Night, aber wir dürfen Sie, auf Befehl Ihres Vaters, nur im Notfall rauslassen.«

Natürlich. Ich schnaufte durch. Ich war kurz davor zu verzweifeln.

»Es ist ein Notfall. Ich habe Atemprobleme-«, setzte ich an, aber noch bevor ich es zu Ende ausgesprochen hatte, rief einer bereits durch das Headset nach einem Arzt, der nach mir sehen sollte.

Verdammt. »Ich brauche keinen Arzt. Frische Luft würde-«

»Bitte, begeben Sie sich zurück ins Zimmer, es wird ein Arzt in Kürze eintreten.«

Es war zum Haare raufen! Nichtsdestotrotz tat ich, was man mir sagte und schloss die Tür wieder und näherte mich dem Fenster. Mein Zimmer lag fast im letzten Stockwerk, hier runterklettern war wohl auch abgehakt.

Es klopfte an der Tür, weswegen ich mich schnell auf das Bett warf und mich zudeckte. Als ich den Arzt reinbat, hatte ich bereits eine grobe Idee von dem, was ich ihm erzählen könnte.

~~~

»Bitte atmen Sie tief ein und halten die Luft für einige Sekunden an.«, wies Dr. Keith mich an. Brav folgte ich den Anweisungen bis er letztendlich fertig mit der Untersuchung war.

»Ich sehe keine Probleme. Können Sie mir noch einmal schildern, wie Sie sich fühlen?«

Ich schluckte. »Mir geht es gut.«

»Aber-«

»Sie können gehen.« Es war reine Zeitverschwendung mit ihm zu plaudern.

Der Arzt schien verwirrt, aber verließ den Raum, nachdem er mir eine gute und erholsame Nacht gewünscht hatte. Ob man meinen Vater von diesem Vorfall berichten würde?

~~~

Mit dem Ticken der Uhr in meinen Ohren, starrte ich hilflos die Decke an und dachte vergeblich über Wege nach, hier rauszukommen. Mir kam nichts in den Sinn. Nur eine Sache. Und die war lächerlich. Doch die Zeit lief und ich wurde von Minute zu Minute unruhiger. Vielleicht war das meine letzte Chance bevor ich wieder nachhause durfte. Ich musste es einfach tun.

Also öffnete ich das Fenster, schnappte mir den Schlüssel aus dem Schlüsselloch und atmete noch einmal tief durch ehe ich lauthals nach Hilfe schrie. Sofort stürmten die zwei Sicherheitsmänner rein, ihre Waffen bereit zu schießen und schauten sich alarmiert im Zimmer um.

»Er ist aus dem Fenster!«, machte ich weiter und als sich beide tatsächlich in die jeweilige Richtung begaben, schnellte ich nach draußen und schloss die Tür von außen ab. Es fiel mir unglaublich schwer, den Schlüssel nicht fallen zu lassen mit diesen zittrigen Fingern, aber als ich es tatsächlich geschafft hatte, verlor ich keine weitere Sekunde und sprintete zu den Aufzügen. Auf dem Weg, stolperte ich in einen Arzt. Dr. Keith.

»Sie müssen mir helfen!« Ich versuchte so panisch wie möglich zu klingen. Das laute Klopfen und Poltern, welche aus meinem Zimmer ertönten, erleichterten mir die Glaubwürdigkeit.

Überrumpelt lief er mit mir zu den Aufzugtüren, die zu meinem Glück sofort aufsprangen. Und genau als wir den Fahrstuhl betraten, hatten die Bodyguards es geschafft, die Tür einzutreten. Wir konnten nur noch einen Augenblick austauschen ehe sich die Türen schlossen und der Aufzug sich in Bewegung setzte.

Erleichtert atmete ich tief durch.

»W-Was geht hier vor?«, stotterte Dr. Keith. »Sind Farblose hier eingedrungen?«

»Ja.«

Und ohne ihn zu fragen, packte ich ihn am rechten Handgelenk und drückte sein Armband auf den Scanner, um die unterste Etage betätigen zu können.

»Was machen Sie da?«, entzog er darauf seinen Arm wieder und starrte mich fassungslos an.

Während sich der Fahrstuhl immer weiter nach unten bewegte, fragte ich mich auch, was zur Hölle ich da eigentlich tat...

Aber noch mehr fragte ich mich, welche schrecklichen Szenarien mich da unten empfangen könnten.

Red Princess - Die Suche nach der Roten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt