Kapitel 54

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Die ersten drei Monate vergehen unglaublich schnell. Ich steige wieder in die Proben für das neue Stück im Musical ein, verbringe viel Zeit im Stall und fange wieder an mit Odin und Diva zu arbeiten. Eine Uni habe ich mir auch bereits rausgesucht, bewerben kann ich mich dafür jedoch erst im Frühjahr. Bis dahin genieße ich meine freie Zeit. Auch wenn es in Hollywood natürlich toll war, die Zeit am Set war auch anstrengend. Und eine Pause schadet nicht. Entspannt lasse ich meine Beine baumeln, während Odin entspannt durch den Wald trottet. Mein Blick fällt auf meine ehemals weißen Schuhe. Da diese jedoch zu den Stallschuhen umfunktioniert wurden, sind sie mittlerweile von Staub und Dreck überzogen. Aber das ist mir sowas von egal. Ich spüre wie sich Odin unter mir verschnellert. Grinsend streiche ich ihm über den Hals. Diese Strecke kennen wir auswendig und gleich hinter der Kurve erstreckt sich eine lange Wiese. Perfekt um Odin einfach rennen zu lassen.  Auch wenn wir nur mit Halsring unterwegs sind, hört Odin ganz genau auf mich. Wir sind ein eingespieltes Team, geben exakt aufeinander acht. Kaum hat sich die Wiese vor uns geöffnet, lehne ich mich leicht vor und schnalze einmal mit der Zunge. Mit gespitzten Ohren rast Odin los. Es ist jedes Mal wie fliegen. Genießend schließe ich die Augen und breite meine Arme aus. Ein besseres Gefühl gibt es nicht.

Unruhig trete ich von einem aufs andere Bein. ,,Milli, ganz ruhig", meint Julian genervt. ,,Sorry. Ich bin so aufgeregt." Hibbelig stelle ich mich auf die Zehenspitzen. Dann geht die Schiebetür vom Flughafen auf und zwei bekannte Gestalten kommen heraus. ,,Da", rufe ich übermütig. Am Gang und Köperbau erkenne ich Nick und Orlando sofort. Ihre Gesichter sind mit  Sonnenbrillen getarnt und bisher scheint sie noch niemand erkannt zu haben. Was auch besser so ist. Glücklich, die zwei endlich wieder zu sehen, laufe ich los und falle ihnen in die Arme. ,,Na, Deer", begrüßt mich Nick. ,,Habt ihr zwei Chaoten es also doch geschafft." ,,Natürlich haben wir das. Was hast du denn gedacht?", gibt Orlando selbstbewusst von sich. Kichernd zucke ich nur mit den Schultern und öffne den Kofferraum, während die zwei von Julian begrüßt werden. Kurz darauf sitzen wir alle im Auto. ,,Wie weit ist es eigentlich?", fragt Nick und beugt sich etwas vor. ,,Fünf Stunden", gebe ich trocken zurück. ,,Echt jetzt? Deutschland ist doch gar nicht so groß", mischt sich Orlando ein. ,,Natürlich. Was wisst ihr schon von Deutschland?" ,,Wir fahren eine Viertel Stunde", macht Julian mein Spiel kaputt und fährt vom Flughafengelände. ,,Wenigstens einer der nett ist", meckert Nick. Ich drehe mich vom Beifahrersitz zur Rückbank und strecke ihm die Zunge raus, was er nur erwiedert.

Der nächste Tag bricht an und gleich nach dem Frühstück packe ich Orlando und Nick ein, um mit ihnen zum Stall zu fahren. Kaum sind wir angekommen, springt Space bereits begeistert aus dem Auto und rennt glücklich herum. So leicht kann man einen Hund glücklich machen. ,,Wirklich schön hier. Ist das dahinten Köln?" Neugierig sieht Nick sich um. ,,Ja von hier hat man einen mega Ausblick. Und da hinten ist das Siebengebirge. Oder wie ich es nenne: Mordor", grinse ich und drehe mich nach links. Wenn die Sonne untergeht und der Himmel rot wird, sieht es aus, als würde der Schicksalsberg in der Ferne erscheinen. ,,Das ist nicht dein Ernst", lacht Orlando. ,,Doch natürlich. Da hinten ist Mordor, Köln ist Gondor, der Königsforst ist der Düsterwald und wir befinden uns momentan in Rohan, in den Weiten des Pferdelandes. Die Entfernungen stimmen zwar nicht so ganz, aber das muss man ja nicht so ernst nehmen." Ein aufgeregtes Wiehern ertönt vom Tor, das zum Paddok führt. Odin hat mich bereits gehört und steht aufgeregt am Gatter, um mich zu begrüßen. ,,Na, Schöner", begrüße ich ihn und laufe den kleinen Weg runter zum Zaun. Brummelnd bläst der schwarze Wallach seine Nüstern auf und streckt mir seinen Kopf entgegen. Lächelnd streiche ich ihm über das besondere Abzeichen an seiner Stirn. Der weiße Strich formt eine Sichel, die sich bis runter zu seinen Nüstern zieht. Dieses Pferd ist einfach eine unfassbare Schönheit. Doch nicht nur er hat meine Anwesenheit gemerkt, auch Levante kommt angetrottet, weil er mich scheinbar interessanter findet als das Heu. Ich öffne das Tor und gehe mit Orlando und Nick rein. Sofort stellt sich Odin vor mich, sodass ich seine Lieblingsstelle kraulen kann. Kurz widme ich mich ihm, dann lasse ich jedoch von ihm ab. Schließlich gilt es noch ein Pferd zu begrüßen. Geübt stoße ich einen lauten Pfiff aus und erhalte prompt eine Antwort von der Wiese. Zwei Sekunden später kommt bereits Diva mit ihrer besten Freundin Maya angetrabt. Die Beiden sind wirklich unzertrennlich. Diva hatte es am Anfang nicht leicht, sie hat ihren Namen alle Ehre gemacht. Aber nach langer Zeit wurde sie endlich von der Herde akzeptiert. Schnaubend bremst sie vor mir ab und bläst mir ihren warmen Atem entgegen. Lächelnd streichel ich mein Pony am Hals. Orlando und Nick beschäftigen sich bereits mit Odin und Levante, die die Streicheleinheiten sichtlich genießen. ,,Habt ihr Lust auf ein bisschen Spaß? Die Pferde könnten was Energie ablassen." ,,Wir sind immer für Spaß zu haben. Was denkst du denn?", ruft Nick. Empört schnaubt Odin auf, als Nick mit dem Kraulen aufhört. Schlau wie mein Pferdchen ist, stellt er sich wieder in Position und das extra nah. Seufzend ergibt sich Nick seinem Schicksal und fährt mit dem Kraulen fort.

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