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Mit einem gezwungenen Lächeln übergab ich meine Tasche. Die Sicherheitsvorkehrungen erinnerten mich sehr an die eines Flughafens. Hach, wie einfach es gewesen war, hier reinzukommen, wenn der eigene Vater das Freiticket darstellte, doch nun musste ich mich hier alleine durchschlagen. Das Piepen der massiven Geräte ließ mich auf den Füßen wippen und mein Blick wanderte über die uniformierten Männer, die wie Zinnsoldaten an den Checkpoints standen. Die restlichen Schüler schienen sich aber wenig von ihnen zu stören, es wurde emsig geflüstert und gedämpft gekichert. Vielleicht war ich hier die Paranoide, die hoffte, an diesem Morgen nicht ausversehen ein Küchenmesser eingepackt zu haben. Ich dachte definitiv zu viel nach.

Man führte uns durch die dunklen, prunkvollen Gänge, flankiert von mehreren Soldaten. Ich hielt mich möglichst mittig. Weshalb hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas passieren würde? Irgendetwas, was mir nicht gefallen würde. Bitte nicht. Liebes Schicksal, hab Erbarmen meiner. Ich blickte umher, doch Alon war verschwunden, also kümmerte ich mich wieder um mich selbst. Immerhin musste ich mich ja nur bei der Menge bleiben und von Außenstehenden nicht gesehen werden. Dieses flaue Gefühl im Magen machte mich noch wahnsinnig!

Die freudig lärmende Menge wurde in einen Saal geführt, der nur so von dunklem Marmor und goldenen Verzierungen strotzte. Überall hingen Kronleuchtern, klar, was hatte ich auch erwartet, etwa irgendwelche Ikea Lampen? Eher nicht. Ich schluckte und blickte umher, als sich die Menge wieder in Bewegung setzte und sich die Schüler begannen, etwas zu zerstreuen. Bald auch erkannte ich die Ursache, und zwar ein alter Mann mit weißem, zurückgekämmten Haar und grauen, müden Augen. Den Mann hatte ich doch irgendwann schonmal in der Zeitung gesehen. Oder im Fernsehen.

Es wurden uns ein paar Informationen über das Machtzentrum genannt, die wir bereits mindestens zehn Mal im Unterricht zu hören bekommen haben. Welch großen Einfluss es auf die Welt habe, wie wichtig doch die Mitglieder des hohen Rats waren und um welch verschwiegene Verträge es immer ging. Es klang wie eine geheimnisvolle Organisation, nicht wahr? Oder eine einzige Verschwörungstheorie. Oder eine konspirative Mafia. Mit geweiteten Augen ließ ich den Blick über die luxuriöse Umgebung schweifen, als würde ich im nächsten Moment irgendeine geheime Tür erspähen, aus der ich in die Freiheit verschwinden konnte. Dem war leider nicht der Fall.

Die Führung begann und die Schüler wurden durch die langen Gänge gelotst, immer wieder in irgendwelche Säle gebracht und die gesamte Zeit von wichtig klingenden Worten beschallt, die manchmal von den vielen Schritten und dem leisen Flüstern übertönt untergingen. Ich konzentrierte mich nur auf die Worte des Herren.

Das Machtzentrum gab es bereits im Mittelalter. Damals wurde es von einem mächtigen Kaufmann, einem Alpha natürlich, gegründet und somit eine geheime Gilde errichtet, die nur für Werwölfe war. Mit der Zeit gelang es dem Alpha, die stärksten Werwölfe des Landes in die Gilde zu etablieren. Bald schon war sie so berühmt unter den Werwölfen, dass man sogar von anderen Ländern hereinströmte, um sich ebenfalls einschreiben zu lassen. Über die Jahre hatte sich das Machtzentrum seinen Ruf stolz erhalten, nun war es wichtiger denn je, mit den stärksten Werwölfen der Welt an seiner Spitze. Kaum zu glauben, dass er dazugehörte.

Eine nette, kleine Geschichte, nicht wahr? Ich blickte nach vorne und musterte die vielen Hinterköpfe, es gab nur ein einziges Problem. Ich musste aufs Klo. Fast hätte ich laut aufgeseufzt. Wieder ließ ich meinen Blick über die Menge gleiten, bis ich den Lehrer erblickte, der auf uns aufpassen sollte. "Entschuldigung, aber gibt es hier irgendwo ein WC?", fragte ich und er deutete auf eine etwas kleinere Tür mit einem Schild daneben. Aha. "Aber beeil dich.", warnte er mich und ich nickte schnell, ehe ich mich umdrehte und an den Soldaten hindurch auf die Tür zueilte. Ich konnte erst aufatmen, als die Tür hinter mir zugefallen war, die Präsenz der Wachmänner war schon etwas beunruhigend.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now