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An jenem Morgen fielen dicke Schneeflocken vom Himmel. Stumm blickte ich aus dem Fenster und beobachtete ihren ruhigen Tanz. Ich wusste, dass sie nicht so schnell wieder aufhören würden. Langsam streckte ich eine Hand aus und malte Kristalle an das beschlagene Fenster, die Oberfläche fühlte sich angenehm kühl unter meinen Fingerkuppen an und kurzerhand lehnte ich meine Stirn gegen das Glas. Es war ein träger Morgen, doch das änderte sich, als meine Mutter in mein Zimmer trat, eine Kiste in ihren Händen und die Augen fest entschlossen auf mich gerichtet.

Bald schon hatte ich das Gefühl von Zeit verloren. Meine Mutter werkelte meines Geschmackes nach viel zu lange an meinem Gesicht herum, obwohl sie versprochen hatte, es dezent zu halten, wenn es schon sein musste. Meine glatten Haare bekamen Wellen und mir wurde der silberne Schmuck angelegt, nachdem ich das Kleid und die Schuhe endlich trug. Zuletzt legte sie mir das weiße Kunstfell um die Schultern und trat ein Schritt zurück, um gegen die Brust meines Vaters zu stoßen, der sofort einen Arm um ihre Taille schlang. Beide musterten mich mit verdächtig glänzenden Augen. "Ich schätze, wir müssen uns langsam damit abfinden, dass vor uns kein Mädchen mehr steht, sondern eine junge, wunderschöne Frau.", wisperte meine Mutter und strich über den Arm meines Vaters, der ihr einen Kuss auf die Wange hauchte. "Ja.", murmelte er und winkte mich heran. Mit fest aufeinandergepressten Lippen eilte ich auf sie zu und ließ mich in die innige Umarmung fallen. Draußen fiel der weiße Schnee.

Meine Mutter hatte sich als Letzte umgezogen, sie trug ein dunkelrotes, figurbetontes Kleid, was von meinem Vater mit einem Pfeifen quittiert wurde. Ich ging meinen eigenen Gedanken nach, während sie sich gegenseitig Komplimente zuflüsterten und meine Mutter kicherte. Wer ahnte schon bei diesem Anblick, dass sie schon knapp zwanzig Jahre verheiratet waren?

Ein riesiges Tor entpuppte sich, doch ob es das Tor des Himmels oder das Tor zur Hölle war, würde sich noch ergeben. Zehn muskulöse Werwölfe standen davor und ließen sich von den anfahrenden Gästen die Einladungen reichen, ihnen schien die Kälte nichts auszumachen. Kein Wunder bei den dicken, und trotzdem formellen Jacken und Hüten. Ich wich ihren Blick aus und war froh, als ein Ruck durch das Fahrzeug ging und wir weiterfuhren. Durch den leichten Schneesturm, der draußen wütete, konnte ich nicht viel entdecken, jedoch konnte ich laut stolzer Erklärungen meines Vaters erkennen, dass wir auf einen speziellen Parkplatz fuhren, der nur für höher gestellte Persönlichkeiten, unter anderem Beamte oder Ratsmitglieder, gedacht war. Ein weiterer, uniformierter Herr erwartete uns und wir stiegen aus, um uns von ihm in das Gebäude führen zu lassen. Wölkchen formten sich vor meinem Mund und meine Eltern zitterten etwas angesichts der Kälte, doch gegen ihre Erwartungen war ich ganz ruhig.

꧁soundless snow꧂Where stories live. Discover now