5. Unerwartete Verkupplungen

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Das ist doch verrückt! Total unnötig!

Endlich stand Karma auf und zog sich um. Es störte ihn wohl nicht, dass ich zusah.
,,Willst du dich auch mal fertig machen? Du bist doch derjenige, der so unbedingt gehen will", sagte er und knöpfte sein Hemd zu.

,,Oder brauchst du wieder Hilfe?"

Er grinste mich über die Schulter an und vor meinem Auge blitzte ein Bild auf: wie er vor mir kniete und mir meine Kleidung auszog, Teil für Teil, bis nichts mehr übrig war . . .

Ich wurde rot. Ich musste aufhören, seine Sticheleien als Flirting wahrzunehmen. Es war falsch, so von ihm zu denken, denn er hatte mit Sicherheit kein Interesse an Männern. Er war einfach so drauf.

,,Nein danke."
Eilig holte ich mir meine Schuluniform und verschwand im Bad. Mich störte es nämlich, wenn mich jemand angaffte.

Das Frühstück verlief still und genauso war es mit dem Schulweg. Jedenfalls bis sich uns ein schwarzhaariger Junge anschloss, von dem ich instinktiv wusste, dass er Sugino hieß. Er redete mit uns wie immer, und obwohl wir ihn nicht kannten, verstanden wir uns gut.

Der Großteil der Klasse war schon da. Karma wirkte so, als wäre er jeden Tag hier, während er den Platz in der letzten Reihe ansteuerte. Jetzt war ich auf mich allein gestellt.

,,Neue Frisur, Nagi?", flötete mir ein blondes Mädchen, Nakamura, zu.
Ich nickte verdutzt. ,,Äh, ja, so gefallen sie mir besser."
Es war echt ein seltsames Gefühl, jemanden zu kennen, ohne ihn zu kennen.

,,Nagisa?", fragte eine andere Stimme. Ich drehte mich zu einem Mädchen mit grünen Haaren um. Aber . . . warte, wer war das? Ich hatte sie noch nie gesehen, nicht einmal in der Fake-Erinnerung.

Für einen Moment erkannte ich Erleichterung in ihrem Blick.

Hä?

,,Hast du einen Stift für mich?", fragte sie.
Ich rührte mich nicht. Wie bekam man denn den Namen einer Person heraus, die man offensichtlich kennen sollte?

Ich fühl mich wie in Death Note.

,,Klar. Hier", antwortete ich verunsichert und war froh über den neutralen Ton in meiner Stimme. Als ich ihr den Stift reichte und sich unsere Hände streiften, kribbelten meine Finger, als wären sie eingeschlafen. Verwirrt sah ich auf. Sie starrte zurück.

,,Wohooo, Nagisa! Für deine Verhältnisse gehst du ja richtig ran", sagte Maehara und legte seinen Arm um meine Schultern. ,,Wird Kayano gerade zu mehr als deiner besten Freundin, hmmm? Playboy~."

,,Du nennst ihn Playboy?", schnaubte Okano von weiter vorne und gab mir damit Zeit, um das Gesagte zu verarbeiten. ,,Du bist so nervig, echt!"

Das war Kayano, eine unserer Zielpersonen? Sie wirkte unschuldiger als ich dachte.

Wir sind beste Freunde? Warum kam sie dann nicht in der Erinnerung vor?

,,Heheh, ich hab doch gesagt, dass sich eines Tages auch jemand für deinen Körper interessieren wird", lachte Maehara unverschämt weiter und grinste Kayano an. ,,Trotz der ewigen Null, Kayanochi~!"

Aufgebracht hielt sie die Hände vor ihre Oberweite und begann ihn anzumotzen. Er und die anderen Schüler lachten nur. Sie tat mir fast leid.

Aber ich sollte doch wenigstens so tun, Freunde halfen sich bei sowas doch, oder?

,,Wir sind Freunde, mehr nicht", sagte ich matt. ,,Bitte hör auf sie zu mobben, Maehara."

Die Klassensprecherin, Kataoka, pflichtete mir bei und schnauzte Okajima an, den Schüler mit den kurz geschorenen Haaren. Während durch den Klassenraum diskutiert wurde, sah ich zu Karma.

Er saß stumm an seinem Platz. Sein Blick wechselte aufmerksam zwischen mir und Kayano, dann schweifte er weiter, zu einem Mädchen mit geflochtenen Zöpfen und Brille. Sie kannte ich auch nicht.

Das müsste dann Okuda sein.

Wäre es nicht viel einfacher, sie einfach jetzt in einem Schwung zu töten? Klar, dann gäbe es ein Massaker und so weiter, aber sobald wir wieder durchs Portal waren vergaß uns jeder. So bekämen wir auch keine Probleme und es sah für jeden so aus, als hätten beide zusammen Selbstmord begangen, oder so.

Aber ich darf nicht. Noch nicht.

Gerade als ich zu meinem Bein sah, in dessen Seitentaschen ein Messer steckte, stand plötzlich Karma neben mir.
,,Lass uns schwänzen, Nagisa", sagte er. ,,Ich will ins Kino."

Ich sah ihn schief an. ,,Wir sind doch gerade erst-"
Er trat gegen mein Schienbein und nickte zur Tür.

Warum auf einmal?

Ich zögerte. ,,Ein anderes Mal. Ich möchte heute hier bleiben. Geh doch lieber alleine schwänzen."

Er verdrehte die Augen. ,,Dann sehen wir uns Zuhause. Viel Spaß dir noch."
Er warf mir einen genervten Blick zu, bevor er verschwand und mich verdattert im Klassenraum zurückließ.

Da Karma das oft tat, war keiner überrascht oder gar wütend darüber. Abgesehen von mir.

Mich einfach allein zu lassen, wo heute mein erster Schultag ist... Im Ernst? Er ist wirklich gegangen, einfach so?

Scheinbar ja. Er setzte wohl oft seinen Willen durch. Als "Prinz der Unterwelt" war das sicher nichts neues für ihn. Trotzdem war ich enttäuscht.

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Unterricht mit einer Klasse machte Spaß. An sich war das Gerede des Lehrers ja echt ermüdend, aber die Schüler waren cool. Mit anderen zu lernen war viel schöner als allein.

[Ich sollte vielleicht mal erwähnen, dass es Koro-Sensei in dieser FF nicht geben wird, sowwy :/]

Auf dem Nachhauseweg begleiteten mich Sugino und Kayano. Mich erstaunte, wie nett sie waren. Sie machten keine bösen Witze oder versuchten, mich vor ein fahrendes Auto zu schubsen.

Im Gegenteil, als wir in einen Laden gingen, gaben sie mir einen Tee mit kleinen Kugeln aus. Er konnte nicht vergiftet sein, denn beide probierten davon.

Als ich die Haustür öffnete, lief die Dusche. Aha. Er ist also wirklich hier. Mit Teufelchen habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen. Dass er mich ohne ein schlechtes Gewissen da lässt, geht gar nicht. 

Vorwurfsvoll stellte ich meine Tasche auf den Boden und riss die Badezimmertür auf. Leider wurde mir erst zu spät bewusst, dass ich gerade die Badezimmertür öffnete, wo doch das Prasseln der Dusche zu hören war.

Oh . . . !

Durch die Hölle mit dir - Karmagisa (laufend)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt