3. Durch das Portal

2.7K 159 55
                                    

Nagini blieb im Totenreich. Nagisa fand, dass es mit so einer großen Schlange schwierig werden würde, deshalb gingen wir nur zu zweit und ließen sie in meinem Zimmer zurück.

,,Gut, wir haben alles. Nach dir, Mylady", lud ich Nagisa ein. Schon wieder durfte ich Unsicherheit in seinem Blick erhaschen, bevor er nickte und auf das Portal zuging.

Ich folgte ihm und spürte schon bald ein vertrautes Ziehen im Bauch. Energiewellen kamen mir entgegen und versuchten, mich zurück in die Hölle zu drücken, doch ich ging weiter, atmete tief durch und empfing die erste Erinnerung.

,,Sieh ihn dir an, Schatz! Ist er nicht süß? Wie wollen wir ihn nennen?", fragt eine aufgeregte Stimme.
,,Ich hab doch gesagt, dass ich das nicht entscheiden kann. Such du aus, du hast einen besseren Geschmack als ich", antwortet jemand abweisend.
Das vertraute Gesicht einer Frau blickt auf mich hinab. ,,Karma. Du bist Karma, mein kleiner Engel, der vom Himmel hinabgestiegen ist . . ."

Kaum hatte ich den ersten Schlag überstanden, schoss der nächste auf mich ein. Es war jedes mal brutal, und das auf seine ganz eigene Art und Weise. Das Portal spielte mit meinem Kopf.

,,Jetzt komm schon her, du Missgeburt!"
Das Gebrüll meines Vaters hallt durch den Flur. Ich kauere mich im Wandschrank zusammen und zittere vor Angst. Es war ein Fehler, sein Glas umzukippen. Wenn er mich findet, bringt er mich um. Oder er holt seinen Gürtel, oder er benutzt dieses Messer . . .
Ich betrachte die Schnitte an meinen Beinen. Rot wie bei einem Menschen. Leider bin ich noch zu schwach um mich zu verteidigen. Er schlägt Mum immer wenn sie mir helfen will . . .
Plötzlich wird die Schranktür aufgerissen und ich sehe Dads Gesicht. Er grinst wie ein Teufel. In seiner Hand hängt der Gürtel. Verdammt, er hat mich gefunden.

,,In der Zeitung stand, dass sie betrunken war. Sie konnte bei einem Abhang nicht mehr bremsen und ist in einen Baum gefahren. Ihr Mann ist Alkohol-abhängig und lässt seine Wut wohl immer an der Familie aus. Das hat sie nicht verkraftet und selbst zum Alkohol gegriffen. Wie kann man nur so dumm sein! Jetzt bleibt der Junge allein zurück. Und er lügt auch noch das Jugendamt an, um nicht ins Heim zu müssen."
,,Naiver Junge. Lieber ins Heim als bei diesem schrecklichen Mann zu bleiben!"
,,Haltet die Fresse!", fauche ich und werfe einen ganzen Stapel Teller auf die tuschelnden Menschen, alle in schwarze Trauerkleidung gehüllt.
Die Teller zerspringen wie Granaten auf dem Boden. Lautes Schreien, entsetzte Blicke. Auf einmal sehen sie mich mit so viel Respekt an, wie meinen Vater. Oh ja, sie sollen Respekt haben.

,,Wir können dich nicht bei deinem Vater lassen, tut uns leid. Es gibt einfach zu viele Anzeigen. Wir suchen gerade nach einer Wohngruppe für dich. Nimm so lange das hier und ruf an, wenn wieder etwas passiert. Diese Menschen werden dir helfen."
Kühl wird mir ein Zettel in die Hand gedrückt.
Ich beäuge ihn kritisch. ,,Telefonsorge? Ernsthaft? Ihr könnt mich alle mal."
Das Papier kreischt, als ich es zerreiße und in den Müll werfe. Diesen Schwachsinn brauche ich nicht. Wieso können mich fremde Menschen zwingen, auszuziehen? Sie haben keine Ahnung.

,,Ihr seid also die neue WG von oben, hm? Wie nett. Du und dein bester Freund? Schön, dass es endlich geklappt hat mit euch, wir haben schon viel vom Jugendamt gehört. Wenn ihr was braucht, sagt einfach bescheid. Aber versucht bitte nicht das Haus abzureißen, haha!"
,,Ja. Haha", antworte ich trocken und schleppe den letzten Karton in unsere Wohnung. Ich weiß nicht mal, wer das ist.

Durch die Hölle mit dir - Karmagisa (laufend)Where stories live. Discover now