32. Hörst du es?

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(POV. Nagisa)

Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber Karma sah süß aus wenn er verlegen war. Er wurde rot. Es begann an seinen Ohren, breitete sich über seine Wangen aus und glich fast seinen Haaren.

„Alles okay?", fragte ich belustigt.
Er nickte, aber bis er antwortete verstrichen einige Sekunden. „Ja. Wollen wir raus gehen?"
Ich kicherte. Themenwechsel waren ja wirklich seins.

Wir setzten uns nach draußen, auf eine halbwegs stabile Bank in der Nähe der Flammen. Die Raucherluft war hier stärker und das Geschrei lauter, aber im Gegensatz zu mir legte Karma zufrieden den Kopf zurück und schloss die Augen. Das würde ich wohl nie an ihm verstehen.

„Kennst du diesen Ort?", fragte er.
„Ja, natürlich."
Seine Lächeln wurde schmaler. „Weil . . . ich früher oft hier war?"
„Uhm. Zum Teil."

Er grinste und ging sich mit beiden Händen durch die Haare. Das Feuer warf flackernde Schatten auf sein Gesicht, sodass es in der Dunkelheit so aussah, als würde es leuchten.

„Okay, ich hab mir was überlegt."
„Aha?"
„Ich will den Ort hier ein bisschen umgestalten. Mein Vater hatte kein Gefühl für Stil und es macht mich fertig, an so einem hässlichen Ort zu leben. Außerdem wäre es eine ganz nette Abwechslung von den ganzen Leichen."

Er sah mich seufzend an. „Deshalb dachte ich, wir könnten das vielleicht zusammen machen. Du musst mir nur sagen, was du ändern willst."
„Egal was?"
„Egal was."

„Okay, also, es wäre schön, wenn die Luft etwas sauberer wäre oder so. Oder wenn hier ein paar Laternen ständen, wie bei den Menschen. Dann wäre es nicht so . . . nicht so düster."

Ich musste ja gerade reden. Besagte Dunkelheit hatte es mir möglich gemacht, ihm mühelos folgen zu können, monatelang. Aber jetzt brauchte ich sie nicht mehr.

„Hier standen mal Laternen", sagte Karma und deutete auf eine verrostete Stange einen Meter von uns entfernt. „Die meisten sind erst erloschen und kaputt gegangen, als sich die Psyche meines Dads verschlechtert hat."
„Er war gar nicht immer so?"
„Nein."

Mehr sagte er nicht. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm es sein musste, wenn der eigene Vater dem Wahnsinn verfiel. Jahr für Jahr, mehr und mehr. Ob er Karma überhaupt so wehtun wollte?

„Ich habe eine Idee", schreckte mich Karma auf und er erhob sich und ging auf die Brandstelle zu.
Ich folgte ihm. „Was denn für eine?"
„Flammen der Verdammnis sind ewig. Wenn ich ihre Energie für Laternen benutze, ist es egal, was mit mir passiert, sie erlöschen nicht."

Seine Augen leuchteten. „Ich muss nur . . ."
Er streckte die Hand aus und fasste geradewegs in eine Seele, dessen Kreischen noch lauter wurde als vom Rest.
„Sieht sie dich?", fragte ich leise. „Und hört sie, was wir sagen?"

„Ja. Aber es ist für sie wie ein Alptraum", erklärte er. „Und du solltest aufpassen. Wenn man zu lange in ihrer Nähe steht, ziehen sie einen ins Feuer."
„Dann komm da weg!", keuchte ich.

„Geht schon", sagte er gelassen und nahm seine Hand zurück. Ein scharfes Geräusch entfuhr mir. Seine Haut war von goldenen Brandwunden übersät. Das alles nur für eine klitzekleine Flamme, die jetzt über seiner Handfläche schwebte.

„Alles in Ordnung? Ich dachte, du bist immun gegen Feuer?", stammelte ich und war empört, als er lachte.
„Eigentlich schon. Aber bei diesem Feuer ist es anders. Es ist dazu da, alles zu zerstören."

Ich musterte die Flamme über seiner Hand und trat einen Schritt zurück. „Zerstört sie dich dann nicht jetzt gerade?"
Er nickte. „Es ist nicht so schlimm wie's aussieht. Heute Abend ist es verheilt."

Durch die Hölle mit dir - Karmagisa (laufend)Where stories live. Discover now