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Von dem flachen Dach eines der höchsten Gebäude der Stadt aus wirkten die Machenschaften der Menschen vollkommen unbedeutend, verglichen mit den mächtigen Pyramiden, die im Hintergrund von Kairo, in der Stadt Gizeh, aufragten.
Erst wenn man näher und tiefer sank, wie sie es in diesem Moment tat, indem sie leichtfüßig eine Entfernung von drei Metern überwand und auf einem tieferen Dach landete, konnte man all die vielen Einzelheiten ausmachen. Zwischen den gleichförmigen Häusern aus gelb, braun und weiß angemalten Schlammziegeln hingen Wäscheleinen, die sich wie ein riesiges Spinnennetz durch die Stadt zogen.
Da war ein Haus, das besonders war. Keine Wäscheleinen, keine daraus quellenden, arabische Klagerufe über das Wetter oder andere primitive Dinge. Es war wohl das einzige Haus, das scheinbar völlig still und tot an seinem Platz stand. Aber um das Gebäude herum waren Menschen - bewaffnete Menschen - die es wie eine Festung bewachten.
Es mussten etwa zwanzig von den Wachen sein, allesamt scheinbar nicht im Besitz von Schusswaffen, aber dafür von Messerhalftern, auf den Rücken geschnallten Schwertern und Äxten.
"Woher sollen wir hier Schusswaffen bekommen? Selbst wenn es bei uns Händler gebe: womit sollten wir die bezahlen?", hatte Asenath ihnen einige Stunden zuvor erklärt.
"Wir bevorzugen ohnehin traditionelle Waffen. Ich kann dir versichern, dass keiner der Einheimischen hier eine Schusswaffe tragen wird. Das macht es aber nicht einfacher, sie zu überwältigen."
An diesen Worten zweifelte Elide nicht. Sie wusste, dass diese Männer viel besser trainiert waren als die restlichen, denen sie bisher begegnet waren. Selbst von dem Dach aus konnte sie die im Sonnenlicht vor Schweiß glitzernden Muskeln erkennen, die aufrechte Haltung und die bewusste, kampfbereite Gewichtsverlagerung. Diese Männer waren gut.
Aber sie waren besser.
Elides Blick schweifte zu Bucky hinüber. Der ehemalige Sergeant wartete hinter dem Dachrand kniend auf einem der Dächer links von ihr. Sein Scharfschützengewehr hatte er auf sein erstes Ziel gerichtet, das Sonnenlicht tränkte sein braunes Haar in einen rötlichen Schein. Sie selbst würde von oben in das Gebäude steigen. Bes, der Beduine, wartete nur auf das Signal, frontal auf die äußeren Wachen loszugehen. Wie sie, hatte er sich seine dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen und die Art, wie er bewegungslos und leise mit dem Schatten verschmolz, den ein höheres Haus aufs Dach warf, ließ sie annehmen, dass er schon öfter derartige Missionen durchgeführt hatte. Für sie war es auch nichts neues, auch wenn sie bei Hydra eher Tötungs- als Rettungsaktionen aufgetragen bekam. Früher ... früher hatte sie mehr Leute zu retten gehabt, als sie in den Tod zu schicken.

Sie fuhr eine ihrer klingenartigen Krallen aus, die das blendende Sonnenlicht wie ein Spiegel reflektierte. Dann lenkte sie das Licht zu Bes, ließ es ein-zwei-drei mal blinken. Bes erkannte das Signal, sie fuhr die Kralle ein. Er begann mit dem kurz andauernden Abstieg, sprang von einem Dach und Sims zum nächsten, um an Stellen mit Händen und Füßen Halt zu finden, an denen andere keinen gefunden hätten; so näherte er sich dem Gebäude, dessen Größe etwa der Hälfte von einem Firmensitz entsprach. Elide beobachtete gebannt, wie er durch die menschenleeren, engen Straßen und Gassen bog und dann vorne hinter einer Hausecke anhielt, bis - sie gab Bucky das Zeichen - ein Schuss die Luft zerfetzte.
Ihr blieb kurz der Atem weg, als sie Bes vorstürmen und mit der Waffe herumwirbeln sah, sein Breitschwert wie die Verlängerung seines Armes. Bucky zielte und schoss ein zweites Mal, ein drittes Mal. Endlich brach völliges Chaos aus und die sichtbaren, auf dem Balkongängen stationierten Wachen hetzten zur Unterstützung nach unten. Ihre Kampfrufe eins mit den Schmerzensschreien ihrer Kameraden.
Jetzt war sie dran.
Sie stand auf, spannte ihre Waden wie die Sehnen eines Bogens und nahm Anlauf. Der Gegenwind zerrte ihr die Haare und die Kapuze aus dem Gesicht und sie machte sich gar nicht erste die Mühe, die Kapuze wieder aufzusetzen, als sie sich zur Landung am Boden abrollte. Stattdessen nutzte sie jede Sekunde und rannte bereits auf das andere Ende zu, packte den Dachrand und schwang sich mit den Beinen voran durch das Fenster. Das laute Klirren der Scherben, die scheppernd zu Boden fielen, erfüllte den Raum.
Die im Zimmer stationierten Männer - es waren sieben - starrten sie an. Elide stieß ein melodramatisches Seufzen aus.
"Ein Spruch wär jetzt cool gewesen", witzelte sie. Dann hoben die Männer schnell ihre Waffen.
Nun war sie es, die blöd reinguckte.
Denn fünf von diesen Männer trugen keine Schwerter oder Äxte. Sie hatten Schusswaffen.
Sie formte ihren Mund zu einem "O", bevor unzählbar viele, ohrenbetäubende Knalle in ihren Ohren widerhallten.
Elide wurde durchlöchert.
Wie Schweizer Käse.

Black Jackal | Bucky FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt