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Robert Lawsen stützte sich am Waschbecken ab, müde Augen blickten seinem Spiegelbild entgegen. An seinem Kinn funkelten rote Spuren, kleine Schnittwunden. Sein Blut glänzte an dem Rasiermesser, das er mittlerweile aus seinen zittrigen, faltigen Händen gelegt hatte. Gleich daneben stand eine Flasche irgendeines Gesöffs, das er in der Stadt aufgetrieben hatte. Es schmeckte im Vergleich zu einem guten Scotch oder Brandy wie seine eigene Pisse. Aber wenn man so betrunken war, dass man sich stützen musste, um nicht bei jedem einzelnen Schritt ins Torkeln zu geraten, machte einem das wohl nichts aus.
Er griff nach der Flasche und nahm noch einen Schluck. Und noch einen. Er hustete. Übergab sich.
Er nahm wieder einen Schluck.
Was für ein Drecksloch, in dem er gelandet ist, dachte er sich. Seine von dicken Brillengläsern verstärkten Augen ruhten auf der Kakerlake, die er in der Ecke des Badeszimmers gefunden hatte. Badezimmer war nicht einmal das geeignete Wort dafür. Er rümpfte die Nase. Wie war es nur so weit gekommen? Früher hatte er in eine Luxuswohnung seine Unterkunft nennen dürfen, mit einem Badezimmer, dessen Badewanne die Größe eines Whirlpools besaß. Er hatte in Betten geschlafen, die sich wie Marshmallows anfühlten, ab und zu hatte er sie sogar geteilt. Jetzt pennte er auf einem alten Sofa, das grauenvoll gepolstert war und drohte, jeden Moment auseinander zufallen. Nicht einmal einen Fernseher oder ein Radio gab es hier. Das Telefon war die einzige Technik, die auch nur ansatzweise modern war. Und das war sein eigenes.

Als er in das „Wohnzimmer" torkelte, und sich setzte, fiel sein Blick automatisch auf die Teepackungen, in der er es verstecke. Seine Kreation, sein Meisterwerk – sein Verderben. Hätte er sich doch nie auf diesen Deal mit dieser beschissenen Organisation eingelassen. Dann läge er jetzt noch immer zwischen den Bettlaken eines Fünf-Sterne-Hotels.  Am liebsten würde er den Mist, den er in seinem Labor erschaffen hatte, einfach wegwerfen. Jedoch fühlte er sich sicherer, wenn er es gut versteckt und in seiner Nähe behielt. So konnte er völlig sicher sein, dass niemand anderes es hatte. Auch wenn das bedeutete, dass er sein Leben lang auf der Flucht sein musste, aber so oder so würde Hydra ihn suchen, finden, töten. Wobei, töten vermutlich nicht. Er war der einzige, der die Formel kannte, wusste, wie man Devil's Dream herstellte. Es wäre dumm, ihn sterben zu lassen.
Robert trank weiter, genoss das Brennen, als der erwärmte Alkohol seinen Hals hinabrann. Als die Flasche leer in seinen schwieligen Händen lag, fluchte er. Das war seine letzte gewesen. Er brauchte neuen Alkohol. Aber er wollte keinen neuen kaufen gehen. Er hatte weder Lust noch Geld. Sein Bargeld war für den Flug, dieses erbärmliche Apartment und den Bodyguard drauf gegangen, der im Flur auf einem Stuhl saß und Wache hielt. Und natürlich für den Alkohol.  Auf seine Konten, die viel, viel Geld bereithielten, konnte er nicht zurückgreifen. Hydra hatte alles gesperrt.
Und hatten damit ihn eingesperrt.
Selbst wenn diese Arschlöcher ihn zu finden vermochten, konnte er nirgendwohin. Er war in diesem Land, in dieser Stadt, gefangen.
Von dem innovativen, brillanten, großartigen Wissenschaftler, der er mal gewesen war, war nichts mehr übrig. Er fragte sich, was die Menschen wohl denken würden, wenn sie ihn so sahen. Mit einer halbfertigen, schlampigen Rasur, schwarzen Augenringen und einem Bierbauch, der gegen seine engen Hemden protestierte.
Lawsen stieß einen frustrierten, klagenden Laut aus und ließ sich sinken. Da hörte er einen Warnruf von dem Bodyguard, der zur Türschwelle stürzte. „Es kommt jemand."
Zu mehr war er nicht imstande – ein Schuss ertönte. Die Schutzweste des Mannes verzögerte seinen Tod nur um Sekunden. Gegen die Kugel, die ihren Weg in die Stirn fand, ehe er auch nur seine Pistole ziehen konnte, war er wehrlos.
Robert Lawsens Herz hämmerte ihm gegen die Brust, sein Blick klärte sich mit einem mal.

Eine Frau kam herein – scheinbar unbewaffnet. Robert blinzelte. Sie war schön. Viel schöner als jede Frau, die er mit Geld in sein Bett locken konnte, und schöner, als jede Frau, die er je gesehen hatte. Aber sie hatte etwas an sich, dass ihn in rasende Panik versetzte. Er wusste nicht einmal, wer ihm mehr Angst machte: Der breitschultrige, muskulöse Mann mit den eisigen Augen und dem Metallarm, der sich mit der Mordwaffe seines Leibwächters neben sie stellte, oder die auf den ersten Blick harmlose Frau. Er wusste die Antwort, als die schwarzhaarige Schönheit ihre Krallen ausfuhr. Tödliche Krallen aus silbernem Metall.
Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem mordlustigen Lächeln.
Ein dunkler, nasser Fleck breitete sich auf seiner Hose aus.

Black Jackal | Bucky FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt