19

1.1K 84 47
                                    

Elide

Elide hatte genug Morde bezeugt und begangen, um den Geruch des Todes zu kennen. Die meisten schissen sich beim Sterben in die Hose, manche übergaben sich, so oder so - der Geruch war widerlich.
An den Gestank ihres eigenen Todes erinnerte sie sich nicht mehr. Sie erinnerte sich nur an das Gefühl, wie die Kugel ihr Fleisch durchschlug, Muskeln und Sehnen zerfetzte.
Dann kam der Schmerz - heiß und gnadenlos. Es fühlt sich an, als würde ihr ganzes Gewicht sich auf das Loch in ihrem Rücken verlagern, ihr Körper fühlte sich an als würde er vol Qual brennen. Als sie auf den kalten Boden fiel und sich flachen Atems krümmte, spuckte sie Blut, fühlte, wie es am Ende Unterlippe und Kinn hinabfiel.
Die Todesstille, welche nach dem lauten Knall der Schusses eingetreten war, wurde zerbrochen von dem Schrei ihres Bruders. Benommen bekam sie mit, wie er zur ihr stürzte, ihren vor Pein protestierenden Oberkörper auf sein Schoß legte und ihren Kopf mit seiner Hand stützte.
"Dicey ...", seine Stimme klang zerbrechlich und leise. Tränen fanden ihren Weg über sein leicht gebräuntes Gesicht. "Verlass mich nicht, Dicey, bitte ... bitte", flüsterte er. Dass er ihre Hand umfasste und drückte, wusste sie allein deshalb, weil er diese hoch hielt und küsste, ehe er zu den anderen rief: "Wir müssen den Krankenwagen rufen, es ist noch nicht zu spät! Bei einer Schussverletzung in den Rücken bleibt noch Zeit!"
Peggys Stimme, die ihr Beileid mitsamt den Worten "Es ist zu spät" aussprach und beruhigend eine Hand auf die Schulter ihres Bruders legte, klang für sie so weit weg. Der ganze Augenblick schien auf einmal so weit weg zu sein. Alles war von ihren Gedanken in den Hintergrund geschoben worden: Ein Schuss in den Rücken. Er hat mir in den Rücken geschossen. Feigling, Bastard, fluchte sie im Inneren und hätte ihr Körper nicht schon an Gefühl verloren, hätte sie wütend die Fäuste zusammen geballt. Der Schmerz verklang schließlich mitsamt ihren Sinnen.
Am Ende war sie allein in der Finsternis gefangen, mit nichts als ihren Gedanken an Rache und den Hass auf ihren Mörder, den sie eins Freund genannt hatte.
Rache. Rache war es, wonach es sie verlangte und sollte sie überleben, war es Rache, die sie bekommen sollte.

Stunden später, als die Mittagssonne Spaniens durch die hinuntergelassenen Rollladen strahlte und streifenweise ihre braun gebräunte Haut golden aufleuchten ließ, klopfte es an der Tür. Bucky und Sam zogen ihren Pistolen und richteten sie gleichzeitig auf die Tür. Elide schnaubte, den Rücken immer noch zur Tür und versunken im Sessel. "Komm rein, Peg', Es ist offen."
Sam machte ein verdutztes Gesicht. "Peg'?"
Selbst Bucky machte ein fassungsloses Gesicht, als ihre alte Freundin das Hotelzimmer betrat, ebenfalls mit gezogener Waffe. Elide hob sich schwungvoll aus dem Sessel und hielt einen Moment lang inne, um den SSR Agent zu mustern. Ihr makelloser Hosenanzug war dunkelblau, die schulterlangen, braunen Haare ordentlich gelockt. Selbst ihr taint war noch so blass und porzellanartig, wie sie es sich in Erinnerung behalten hatte.
Bei Elides Anblick ließ Peggy die Waffe sinken, genauso wie ihr Kiefer.
"Hallo, Peggy", grinste sie, " ich sehr gut aus, nicht wahr?"
Als Peggy es noch immer nicht zu Stande brachte, ihre lieblichen Stimmbänder für die Bildung von Worten wie etwa "Ja, Elide, du siehst umwerfend aus - besonders für eine Tote" zu nutzen, seufzte sie und warf einen Blick an sich hinab. "Zugegeben, der Anzug ist vielleicht ein wenig übertrieben, aber ich mags irgendwie, es-"
"Du lebst wirklich", stellte Peggy fest, ohne aufzuhören, sie weiterhin anzustarren, als hätte sie einen Geist gesehen. Was genau genommen ja auch stimmte.
"Mehr oder weniger", erwiderte sie.
"A-aber wie? Du wurdest erschossen, ich hab's gesehen. Ich war dabei, als dein Herz aufgehört hat zu schlagen."
Elide schnalzte bei der Erinnerung mit der Zunge und legte den Kopf schief, ehe sie erklärte: "Hat es auch, aber kurz bevor mein Hirntod eintraf, spritzte Howard mir eine modifizierte Version des Supersoldatenserums, die er aus Steve Rogers Blutprobe herstellen konnte."
Peggys Augen weiteten sich. "Howard hatte erwähnt, dass er daran gedacht hatte, aus Steves Blut ein Heilmittel zu erschaffen, das sogar Krebs heilen könnte, aber er gab mir seine einzige Probe von Steves Blut, als ich nicht mit seinem Projekt einverstanden war, weil ich es zu gefährlich fand."
"Tja, was soll ich sagen? Er hatte scheinbar noch eine Phiole mit Steves Blut. Howard ist ein Lügner, war er schon immer. Jedenfalls dachte er, dass sein kleines experimentelles Serum nicht wirkte, denn ich wachte nicht auf, also erklärte er mich für tot und übergab mich der Leichenhalle. Ich vermute, Hydra wusste irgendwie von Howards Versuch mich zurückzuholen, denn als das Mittel Wirkung zeigte und ich - mit vermutlich unbeabsichtigten Nebenwirkungen - aufwachte, befand ich mich in einen von Hydras Laboren."
Und wurde aufgeschnitten, ergänzte sie im Inneren. Sie haben mich aufgeschnitten, zermetzelt, auf den verschiedensten Arten, nur um meine Heilkräfte zu testen und vermerken. Dann hatten sie sie in einen Glaskasten gesteckt und silbernes Zeug in sie hineingepumpt, eine besondere Art von Metall allem Anschein nach, denn anschließend im Raum mit den bewegen Wänden, waren ihre Krallen mit Metall ummantelt gewesen.
Bevor Peggy etwas antworten konnte, machte Bucky sich bemerkbar. "Howard? Howard Stark?"
Sie nickte. "Hmm."
"Warum sollte er so viel riskieren, um dich zurückzuholen?"
"Er ist mein Bruder, Genie."
Bucky erstarrte in seiner Bewegung. Peggy erstarrte bei seinem Anblick. Sie musste von ihr so geschockt gewesen sein, dass sie den zweiten Geist in diesem Raum nicht einmal zu bemerkt haben schien. Wobei Bucky nicht unbedingt jemand war, den man leicht übersehen könnte.
"Sergeant Barnes? Wie -"
"Hydra", entgegnete er knapp, seine Stimme finster und rau. Sein Blick verdunkelte sich, als er zu Elide sah. "Wer war es, der dich erschossen hat?"
"Ihr Geliebter: Daniel Sousa. Wie geht es ihm übrigens?"
Peggy verschränkte protestierend die Arme vor der Brust. "Erstens: Daniel ist nicht mein Geliebter. Und zweitens: Er hat nur auf dich geschossen, weil du mich erschießen wolltest. Und es geht ihm hervorragend, er hat in New York eine Beförderung bekommen."
Sams Augenbrauen flogen schneller als die Höhe, als sie es je bei ihm gesehen hatte.
"Ich dachte, du hast einen Schuss von Leviathan eingefangen, um Peggy zu retten?"
"Tja, da hat wohl jemand meine Akte manipuliert."
"Warte, warum wolltest du Peggy umbringen?"
Elide verzog die Lippen zu einem tückischen Grinsen. "Sagen wir mal, sie hat sich in Angelegenheiten eingemischt, in denen sie nichts zu suchen hatte."
"Du hast hinter unser allen Rücken mit Leviathan und einer Black Widow zusammengearbeitet, von denen beide meinen Tod wollten!"
"Ehrlich gesagt hab ich gehofft, die Black Widow - Dottie oder wie auch immer sie hieß - würde es schaffen, dich beiseite zu räumen, aber scheinbar braucht der Rote Raum ein Update was deren Ausbildung angeht, denn so effektiv war sie wirklich nicht, auch wenn ich sie echt mochte. Und weil ich nun mal Geschäfte mit Leviathan gemacht hatte, musste ich dich nach Dotties Versagen selbst aus dem Weg räumen." - und ich wär erfolgreich gewesen, hätte Sousa nicht zuerst abgedrückt.
Einen Moment lang folgte eiserne Stille, bis Sam schließlich fassungslos den Kopf schüttelte.
"Ich kann nicht glauben, dass du früher mit Leviathan gearbeitet hast."
"Und ich kann nicht nicht glauben, dass du wirklich dachtest, ich würde für irgendjemanden eine Kugel einfangen."
Sam hob den Blick, um ihr in die Augen zu sehen und sie hielt ihm mühelos stand. Wenn es ein staring contest war, den er wollte, konnte er ihm haben. Aber ihre Gedanken wanderten woanders hin. Sam hatte geglaubt, sie wär eine Heldin dafür, dass sie Peggy gerettet hatte, aber es war eine Lüge gewesen - basierte sein Interesse an ihr auch nur auf dieser Lüge? Mochte er sie, weil er gedacht hatte, sie sei im Grunde ein guter Mensch? Ein bitteres Gefühl flammte in ihrer Brust auf. Sie hatte aufgehört, ein guter Mensch zu sein, noch lange bevor Leviathan und Hydra.
Peggy verzog die Lippen zu einem schmalen, roten Strich. "Sei's drum. Du sagtest, ihr bräuchtet meine Hilfe?"
Elide ließ Sam zuerst den Blickkontakt abbrechen, bevor sie nickte und Peggy ein Glas Whiskey reichte. Auf ihren misstrauischen Blick hin, lächelte sie: "Du wirst ihn brauchen, für das, was kommt."
Die Britin zog eine Braue hoch, nahm aber an. "Was da wäre?"
"Wir jagen Hydras Hauptbasis in die Luft."

Black Jackal | Bucky FFWhere stories live. Discover now