One Shot 44

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Leise schlich ich mich nach unten. Eigentlich war es viel zu spät um jetzt noch auf die Blumenwiese zu gehen. Doch ich wollte da jetzt hin. Denn dort würde ich einen wundervollen Blick auf die Sterne haben. Und ich liebte es, wenn ich in die Sterne sehen konnte. Die Zunge zwischen den Lippen eingeklemmt schlich ich mich aus dem Haus. Endlich konnte ich mir mal die Sterne ansehen. Meine Eltern verbaten es mir, da es um diese Uhrzeit anscheinend zu gefährlich war. Was vollkommener Blödsinn war. Was sollte einem 19-jährigen da draußen bitte passieren? Okay, ich war nicht der größte, aber es würde schon nichts passieren. Hüpfend und leise singend lief ich durch die Straßen. Hier war ja gar nichts los. Wie sollte mir denn hier was passieren? Meine Mutter war manchmal wirklich zu über fürsorglich. Grinsend schüttelte ich den Kopf und lief fröhlich weiter. Die Stadt war um diese Uhrzeit irgendwie magisch. So ruhig. So leer. So... anders. Aber es gefiel mir. Es war beruhigend. Sehr beruhigend. Nach einem kurzen Fußmarsch, bei dem ich die ganze Stadt neu entdeckte, da sie einfach so gänzlich anders aussah, war ich endlich bei der Wiese angekommen. Ich ließ mich glücklich seufzend in die Blumen fallen. Wie sehr ich diese Wiese liebte. Ich lag auf dem Rücken, den Blick in die Sterne gerichtet, meine Arme hinter meinem Kopf verschränkt. Ich liebte den Blick in die Sterne einfach so sehr. Und von hier sah man es noch deutlicher als von meinem Zimmerfenster. Also wieso sollte ich dann bitte nicht hier liegen? Es war so viel schöner. Ich verstand meine Mutter wirklich nicht. Die nächste halbe Stunde oder so – mein Zeitgefühl war noch nie besonders gut – lag ich einfach zwischen den Blumen und sah in die Sterne. Wir waren so klein im Vergleich zu dem, was dort draußen noch existierte. Als sich jemand neben mich fallen ließ schreckte ich hoch. Ich musterte das, was ich von der Person neben mir sehen konnte neugierig. Viel war es nicht, der Mond war heute ziemlich verdeckt. Eigentlich war es sogar nur ein Umriss. Muskulös, ein bisschen größer als ich würde ich schätzen und ziemlich lange Haare. „Was macht so jemand wie du ganz allein um diese Uhrzeit hier draußen?“ Seine Stimme war rau und tief. Ich runzelte die Stirn, als ich endlich verstand, was er gesagt hatte. „So jemand wie ich?“ Mein Nebensitzer drehte seinen Kopf zu mir. Seine Augen funkelten ein wenig im Sternenlicht, doch man erkannte keine genaue Farbe. „Ja. So jemand... unschuldiges. Du bist weder tätowiert, noch gepierct oder ähnliches. Eigentlich werden solche Leute wie du immer davor gewarnt um diese Uhrzeit hinaus zu gehen. Ist doch viel zu gefährlich.“ Den letzten Satz sagte er ziemlich abschätzig, es klang, als würde er sich darüber lustig machen. „Hm. Woher willst du wissen, dass ich weder tätowiert noch gepierct bin?“ Er sah doch genauso viel von mir wie ich von ihm. Wie kam er also auf den Gedanken? Ein leises raues Lachen ertönte neben mir. „Ich bitte dich. Louis, du bist alles, nur nicht tätowiert oder gepierct.“ Okay, jetzt wurde es gruselig. Woher kannte er meinen Namen? „Du kennst mich?“ Sein Kopf drehte sich wieder zum Himmel und ein leises, zustimmendes Gemurmel war zu hören. „Woher?“ ich war mir sicher, dass ich so eine stimme nicht vergessen würde. Also wieso kannte er mich, aber ich ihn anscheinend nicht? „Aus der Schule. Du bemerkst mich wahrscheinlich nur nicht.“ Nachdenklich nickte ich. Wieso war er mir nie aufgefallen? „Also, was machst du hier um diese Uhrzeit? Allein?“ Ich schmunzelte. Er war ziemlich hartnäckig. „Sterne beobachten.“ Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihm und konnte mir vorstellen, wie er gerade die Augen verdrehte. Was er wohl für eine Augenfarbe hatte? Und seine Haare? „Okay, du hast ja Recht. Ich bin weder tätowiert noch gepierct und meine Mutter hatte mir eigentlich verboten, um diese Uhrzeit raus zu gehen.“ Ein kurzes auflachen kam von ihm. „Sag ich ja. Und du widersetzt dich jetzt wirklich deiner Mutter? Mutig mutig.“ Ich konnte deutlich den Spott aus seiner Stimme hören und schnaubte einfach nur. „Was soll daran bitte mutig sein? Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, wieso sie mir das verboten hat. Die Stadt ist viel friedlicher als tagsüber.“ Ich sah lächelnd in den Himmel hinauf. „Gott, bist du süß. Und verdammt naiv.“ Mein lächeln fiel, verwirrt sah ich wieder zu ihm. „Wieso?“ Er drehte sich zu mir und legte den Kopf schief. Jedenfalls sah es so aus. Ob er es wirklich tat, konnte ich nicht genau sehen. „Weil um diese Uhrzeit die schlimmen Gestalten unterwegs sind. Die Dealer. Die Ganoven. Die Triebtäter. Die Mörder.“ Meine Augen wurden mit jedem Wort größer. „Aber... ich bin doch bis hier her gelaufen. Und da war niemand.“ Ich zog meine Beine an mich, meinen Kopf stützte ich auf meinen Knien ab. Hier gab es solche Menschen nicht, nicht in dieser Stadt. Das konnte nicht sein. Mein gegenüber schmunzelte. „Du bist wirklich naiv. Du hast wirklich gedacht, solche Menschen gibt es hier nicht, nicht wahr? Du hast wirklich gedacht, diese Stadt ist frei von solchem Abschaum.“ Ich versuchte, den Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken und nickte. Ich musste nachher noch nach Hause. „Hör auf, bitte.“ Ich drehte meinen Körper weg von ihm. Meine Stimme war leise geworden. Und selbst ich hatte deutlich gehört, wie sie zitterte. Noch immer hatte ich einen Kloß im Hals. Neben mir blieb es jetzt Gott sei Dank still. Ich wusste noch immer nicht, wer er war. Und was er hier machte. „Was machst du eigentlich hier?“ Langsam drehte ich meinen Kopf wieder zu ihm. Er schien zu grinsen, seine Zähne blitzten kurz auf. Ich konnte mich aber auch täuschen. „Tja, Louis. Weißt du, ich glaube, in den Augen deiner Mutter bin ich ein Teil dieses Abschaums. Ich bin tätowiert. Gepierct. Rauche. Trinke. All sowas. Oh, und manchmal verprügele ich auch andere Leute. Aber eher selten.“ Um Gottes Willen, wer zum Teufel saß da neben mir?! Ich dachte an meine Schulkameraden. Alle die ich kannte hätte ich niemals so eingeschätzt. Aber ich hatte mal von einem gehört, der anscheinend wirklich schlimm sein sollte. Harry Styles. Er hatte dauernd Ärger mit dem Rektor und den Lehrern, prügelte sich anscheinend ständig und jeder, wirklich jeder, hatte Panik vor ihm. Sofort setzte ich mich gerade hin und rutschte ein wenig von ihm weg. Oh Gott, er war doch nicht...? „Du... du... bist du... Harry? Harry Styles?“ Ich hörte ein tiefes Lachen, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Scheiße, ich hatte doch nur die Sterne beobachten wollen. „Genau der.“ Seine Stimme war leise und mir verdammt nah. Mein gesamter Körper zuckte zurück. Wieso war er so nah an mich heran gekommen? Mein Atem ging schneller, mit großen Augen sah ich zu ihm. Verdammt, ich musste hier weg. Schnell rappelte ich mich auf. „Ich... ich muss jetzt weg.“ Ich drehte mich weg und wollte einfach nur von hier weg. Aber eine Hand hielt mich fest und zog mich zurück. „Ah ah ah. Wo willst du denn jetzt auf einmal hin?“ Ich wurde zurück auf den Boden gezogen, dicht neben Harry. Dieser pustete mir jetzt direkt an die Stelle hinter meinem Ohr. „Keine Angst, ich bin nicht so schlimm, wie alle tun.“ Wieso glaubte ich ihm das nur nicht? Er setzte sich vor mich, nahm mein Kinn in seine Hand und sah mich an. Die Wolken hatten sich verschoben, man sah jetzt deutlich seine Gesichtszüge. Und seine grünen Augen. Verdammt, der Kerl sah wirklich gut aus. An seiner Lippe war ein Piercing angebracht, man sah einige seiner Tattoos auf seiner Brust, da er sein Hemd ziemlich offen gelassen hatte. Wieso war sein Oberteil so weit offen? Mein Atem verschnellerte sich, meine Lippen wurden trocken. Ich fuhr mit meiner Zunge über sie, da ich dieses Gefühl hasste. Die grünen Augen vor mir wurden mit einem Mal dunkler. „Verdammt, willst du mich umbringen?“ Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Wie kam er denn jetzt auf den Schwachsinn? Ich schüttelte meinen Kopf und befeuchtete noch einmal meine Lippen. Harry's Augen wurden noch ein minimales Stück dunkler und er lehnte sich zu mir herunter. Soweit ich wusste, war er ein Jahr jünger als ich, aber deutlich größer. Ich schluckte. Was wollte er so nah bei mir? Sein Atem streifte meine Lippen, eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Rücken. Unbewusst leckte ich mir noch einmal über die Lippen. Ich wollte ihn gerade fragen, was er von mir wollte, als er einfach seine Lippen auf meine presste. Überrascht riss ich meine Augen auf, war aber nicht fähig, ihn weg zu drücken. Er hatte raue Lippen, die sich aber wirklich gut anfühlten. Irgendwann ließ ich meine Augen zu fallen, schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn noch näher an mich. Ich versuchte, seine Lippenbewegungen nach zu ahmen. Dies war mein erster Kuss. Und ich war mir sicher, dass ihm das nicht klar war. Welcher 19-jähriger war denn auch noch ungeküsst? Als er sich langsam von mir löste, ging mein Atem schwer und ich versuchte, wieder normal Luft zu holen. Und auch Harry vor mir atmete schnell und unregelmäßig. „Wow. Hätte nicht gedacht dass jemand wie du so gut küssen kann.“ Harry grinste mich schelmisch an. Ich wurde rot. „Und ich hätte nie gedacht dass jemand wie du mein erster Ku-“ ich riss die Augen auf und lehnte mich ein wenig zurück, meine Hände legten sich auf meinen Mund. Das wollte ich doch nicht sagen. Harry sah mich mit großen Augen und langsam nahm er meine Hände von meinem Mund. „Das... das war dein erster Kuss? Sag mir, dass das nicht dein erster Kuss war. Bitte.“ Er sah mich verzweifelt an. Wieso war das denn so schlimm? „Harry, es ist doch alles okay. Ich glaube, einen besseren ersten Kuss hätte ich mir nicht wünschen können. Was hast du denn?“ Er stand auf und raufte sich die Haare. Er schien wirklich verzweifelt. „Verdammt, Louis. Dein erster Kuss muss mit jemandem sein den du liebst. Nicht mit irgendeinem tätowierten Arsch, der seine Gefühle gerade nicht unter Kontrolle hat. Es tut mir wirklich Leid.“ Er stand vor mir, die Schultern und den Kopf gesenkt. In diesem Moment sah er aus wie ein kleines Kind, dass großen Mist gebaut hatte. Und irgendwie war das süß. Ich stand auf und sah ihn an. „Harry, es ist doch alles klar. Es ist doch nicht schlimm.“ Er sah mir in die Augen, seine glänzten. Wenn ich das jemandem erzählen würde, würde man mich für bescheuert halten. Doch auf einmal verdunkelte sein Blick sich. „Du solltest besser nach Hause gehen. Sonst merkt deine Mutter noch, dass du weg warst. Außerdem ist die Stadt jetzt noch recht ruhig. Die meisten von uns kommen erst ziemlich spät raus. Wir sehen uns in der Schule.“ Damit drehte er sich um und lief weg. War das sein Ernst? Erst mich küssen, dann irgendetwas von Gefühlen labern und dann einfach abhauen? Das konnte doch nicht wahr sein. Mit hängendem Kopf und gesenkten Schultern, die Hände tief in meiner hellen Jeans vergraben, lief ich schnell nach Hause. Nach Harry's Horrorgeschichte hatte ich wirklich Angst. Zuhause schlich ich mich wieder in mein Bett und ließ mich seufzend darauf fallen. Die nächsten Tage dachte ich immer wieder an Harry und an den Kuss. Erzählt hatte ich es niemandem. Was sollte dass denn auch bringen? Ich würde mich einfach damit abfinden müssen. Und so schwer würde es schon nicht werden.

Larry Stylinson One Shots IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt