#4 - Was hältst du davon?

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Ich hätte nicht gedacht, dass er sich sofort melden würde.

...Streicht das. Ehrlich gesagt hatte ich schon damit gerechnet. Hätte ich an seiner Stelle ebenfalls so gemacht.

„Hey...", kam die Antwort zurück.

Ich setzte mich auf die Couch, zog die Beine an und wartete, dass er etwas sagte. Etwas dazu sagte, was ich ihm in dem Video erklärt hatte.

Aber er sagte nichts. Es herrschte Stille.

Ähmm...okay?!

„Bist du noch dran?", fragte ich verhalten und ehrlich gesagt auch ein wenig verärgert.

„Ja, klar", antwortete Harry. „Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll..."

„Aha. Gut dass du mich dann anrufst, wenn du nichts zu sagen hast."

Meine Antwort klang ein wenig schnippisch, weswegen er  wohl plötzlich doch reden konnte.

„Natürlich habe ich etwas zu sagen!"

„Ach ja? Ich kann aber nichts hören."

„Sam, es tut mir echt voll Leid. Und es ist echt einfach nur superpeinlich. Aber ich konnte doch nicht wissen, dass das dein Exfreund ist! Und du hast mir nichts jemals von ihm erzählt! Gar nichts! Und ich dachte einfach, ja gut, ich bin wohl zu oft weg und ich-"

„Okay, Harold, jetzt halt mal die Luft an", fuhr ich ihm aufgebracht dazwischen und richtete mich ein wenig auf. „Ja, du hast Recht, es ist wirklich superpeinlich, was ihr abgezogen habt. Ihr alle. Du, deine Bandkollegen und sogar Eleanor. Ich finde es so bekloppt. Ihr habt mich alle in Whatsapp gesperrt. Ich meine, ernsthaft?! Wie so vierzehnjährige, pubertierende Kinder, die nicht miteinander reden können, wenn sie ein Problem haben!"

Er schwieg. Was mich irgendwie noch mehr aufregte.

Ich schnaubte und sprang vom Sofa aus. Ich fing an, durchs Wohnzimmer zu laufen. Blöde Angewohnheit – beim Telefonieren immer rumzulaufen.

„Super, Harry, echt. Und ja, du hast ebenfalls Recht, ich habe dir nie von Nico erzählt, weil er einfach nicht der Rede wert ist, okay? Nicht weil ich es dir nicht erzählen will oder weil es mich immer noch verletzt oder weil ich nicht will, dass du es weißt. Glaub mir, mir ist nichts so egal wie dieser Kerl. Es gibt nichts Unwichtigeres. Ich habe nichts gesagt, weil er lediglich nicht der Rede wert ist und auch eigentlich nicht in meinem Leben irgendwo aufzufinden ist. Er ist Geschichte, beendet, finito, vorbei, okay?"

Ich hatte in der letzten Minute eindeutig zu oft ‚okay' gesagt.

„Ich frage doch auch nicht nach, wie deine Exfreundinnen aus Holmes Chapel heißen oder ob du mit denen Kontakt hast und so!", schob ich aufgebracht hinterher. „Die sind ebenso Geschichte wie Nico."

Hoffte ich zumindest.

„Es tut mir echt Leid, Sam...", murmelte Harry, „ich habe irgendwie einfach nicht nachgedacht. Da ist einfach die Angst mit mir durchgegangen, die immer in mir schlummert."

„Welche Angst?", hakte ich nach, setzte mich wieder auf die Couch und lehnte den Kopf gegen die weiche Lehne.

„Dass ich dich verlieren könnte, weil ich immer zu oft von dir weg bin."

„Aber-"

„Ja, ich weiß, du hältst daran fest, dass du stark genug bist und das alles klappt. Natürlich weiß ich, dass du das auch zu einhundert Prozent bist, aber... ich weiß nicht, ob ich es bin. Das liegt echt nur an mir... Ich habe einfach so Angst, dass du mich irgendwann vergisst und dir jemanden suchst, den du anrufen kannst und der in einer Viertelstunde bei dir ist, wenn es dir zum Beispiel schlecht geht und du ihn gerade genau in diesem Moment brauchst."

HeartdanceWhere stories live. Discover now