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"Was war das?", fragte eine schroffe Stimme, an der ich Dwalin erkannte, der an der Wand gegenüber lehnte.

"Er hat mir nur ein paar Fragen beantwortet", wunk ich ab.

"Und ganz zufällig hast du dabei dein Schwert in der Hand und dein Hemd nicht an", wies er mich auf die Ungereimtheiten hin.

"Oh", meinte ich nur und zog mein Hemd, welches ich in der Hand hielt über, "Wie viel hast du mitbekommen?"

"Wenn dich das beunruhigt, Thorin wird nichts erfahren."

"Was?", fragte ich überrascht, "Nein, das meine ich nicht. Hast du gehört worum es ging?"

"Nein", meinte er stirnrunzelnd, "Zwischen dir und Thorin, was genau läuft da?"

"Nichts., sagte ich, etwas zu schnell, woraufhin er spöttisch eine Augenbraue hob, "Aber es wäre wahrscheinlich besser, er würde nicht mitbekommen, was hier passiert ist. Es käme wohl etwas komisch. In Ordnung, Dwalin?"

"Ist gut. So wie es aussieht, hattest du wohl die Situation im Griff. Alfrid sah ziemlich verängstigt aus." Ich trat auf den Flur und musste grinsen.

"Er hatte nur nicht erwartet, dass ich ihn ohne seine Belohnung rausschmeißen würde." Dwalin bot mir seinem Flachmann an: "Gut, ich will die ganze Geschichte hören." Ich setzte mich neben ihn auf den Boden und lehnte mich an die Wand.

Nachdem ich einen Schluck genommen hatte fing ich an ihm zu erzählen: "Wenn dir ein Mädchen einmal kostenlos ihre Dienste anbietet, dann renn. Zumindest wenn du über wichtige Informationen verfügst oder irgendwas anderes. Manche schlafen dann zwar wirklich noch mit dir, andere bringen dich um, sobald sie haben was sie wollen. Das ist der Schwachpunkt der meisten Männer. Tja, Alfrid hab ich freundlicherweise nur rausgeschmissen, macht sonst so einen schlechten Eindruck. Er ist mir auf den Gang gefolgt..."

Eine ganze Weile plauderte ich noch mit Dwalin, bis der Flachmann leer war, dann verabschiedete er sich irgendwann. Den Alkohol leicht bemerkend legte ich mich schließlich nachdenklich ins Bett. Diese Reise hatte mich ziemlich verändert. Oder vielleicht auch nur eine andere Seite an mir zum Vorschein gebracht.

Am nächsten Morgen wollten wir früh los. Fili und Kili schienen vom Kater nicht so mitgenommen, nur Kili war wegen seiner Wunde bleich und sah krank aus.

"Bleib hier, Kili, und komm nach wenn du wieder gesund bist!", befahl Thorin ihm. Kili sah ziemlich unglücklich aus.

"Die Verwundeten sind meine Aufgabe!", sagte Oin, "Ich bleibe auch hier." Fili stand auf, wurde aber von seinem Onkel zurückgehalten: "Nein, du gehörst zur Gemeinschaft!"

"Ich gehöre zu meinem Bruder!", Fili riss sich los und stellte sich neben Kili.

"Wo ist Bofur?", fragte ich Thorin. "Ich weiß es nicht, wenn er nicht da ist, gehen wir ohne ihn!" Ich ließ mich auf einen freien Platz im Boot fallen und wartete bis der Bürgermeister uns verabschiedet hatte.

Alfrid sah mich dabei sauer an, was ich mit einem mitleidigen Lächeln bedachte. Die Einwohner jubelten uns zu und wir fuhren frisch ausgerüstet hinaus auf den See.

Nach ein paar Stunden kamen wir am Ufer an und machten uns direkt auf den Weg. Als wir einen Hügel überquert hatten erhob sich die Stadt Thal und das Tor des Erebors. Ehrfürchtig sah ich die Stadt an: "Sie ist vollkommen zerstört, und doch strahlt sie den Glanz alter Tage aus!"

Einen Augenblick standen alle da, nur die Plätze vergangener Schönheit betrachtend. "Wir sollten weiter!", meinte Thorin, "Wir müssen die Tür bis heute Abend gefunden haben!"

"Gandalf wollte uns hier treffen!", erinnerte Bilbo uns.

"Aber Gandalf ist nicht hier!", sagte Thorin und lief auf den Erebor zu. Viele Stunden suchten wir nach der Tür, fanden aber nichts.

"Thorin, dort!", rief Bilbo aufeinmal. In einer riesigen Statue konnte man eine Treppe erkennen.

"Gut gemacht!", lobte ich den Hobbit und folgte Thorin hinauf. Oben war eine kleine Plattform, die Sonne war kurz vor dem Untergehen. Ich nahm die Wand in Augenschein, konnte aber nichts erkennen.

"Nori!", sagte Thorin. Nori ging auf die Felsen zu und klopfte sie ab. Dwalin schlug irgendwann dagegen. Dann holten alle ihre Waffen heraus und schlugen auf den Felsen ein.

"Das bringt nicht!", belehrte ich Thorin, der das wahrscheinlich ziemlich gut wusste.

"Ja, ich weiß", bestätigte er zähneknirschend. Das letzte Licht verschwand, die Sonne war untergegangen, der Durinstag vorbei. Thorin drehte sich um und wandte sich zum Gehen.

"Nein!", rief Bilbo fassungslos, "Ihr könnt doch jetzt nicht einfach aufgeben!" Thorin gab ihm die Karte und ließ den Schlüssel fallen und ging.

"Bilbo, es ist vorbei, die Chance ist verstrichen!", sagte ich leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter, bevor ich mich umdrehte und mit den wartenden Zwerge mitging. "Wartet!", schrie Bilbo, kaum waren wir ein paar Schritte gelaufen, "Es ist das Licht des Mondes! Das letzte Licht des letzten Herbstmondes!"

Thorin rannte sofort wieder zurück, und mich dabei fast über den Haufen. Ich folgte ihm aufgeregt und sah ihn den Schlüssel wieder in der Hand halten. Er schloss die Tür auf und drückte sie langsam auf.

Im ersten Moment schien es, als ließe die Tür sich nicht öffnen, dann schwang sie knarzend auf. Ich merkte erst jetzt, dass ich die Luft angehalten hatte und stürmte in den Gang. Staunend sah ich mich um.

Ich war wieder zuhause. Nach langer Zeit war ich zurückgekehrt. Glücklich sah ich die Wände an und strich über sie.

"Es fühlt sich gut an, wieder zuhause zu sein, nicht?", meinte Balin, ich nickte: "Es ist so vertraut. Diese Zeichnungen..." Bilbo machte sich mit Balin auf den Weg nach unten, ein paar Minuten später kam Balin wieder. Wir warteten eine Weile, dann kam aus dem inneren des Berges eine Erschütterung.

"Was war das?", fragte Ori. Mein Blick verdunkelte sich und Balin antwortete: "Das mein Sohn, war ein Drache!"

Ich sah hinunter in den Tunnel: "Thorin, vielleicht sollten wir mal nach Bilbo sehen!"

"Nein, für das Leben eines Diebes riskiere ich nicht das Leben eines Zwerges!"

"Er heißt Bilbo!", sagte Balin, überrascht von Thorins Worten.

"Ich werde gehen!", sagte ich und ging auf die Tür zu.

"Nein!", befahl Thorin.

"Dann komm halt mit!", warf ich ihm an den Kopf, sah ihn noch einmal mit funkelnden Augen an und lief ohne mich nochmal umzusehen in den Berg.

Hinter mir hörte ich ein leises Fluchen und dann Schritte, die mir folgten. Ich bog um eine Ecke und mein Blick fiel auf das Gold. Unmengen an Gold.

Ich sah mich nach Bilbo um und wollte hinaustreten, doch Thorin hielt mich zurück: "Smaug ist hier, er wird uns sehen!"

Also beließ ich es dabei, nach Bilbo Ausschau zu halten. Er kam auf uns zugerannt, sich hektisch umsehend.

Thorin trat ihm in den Weg: "Hast du ihn? Den Arkenstein?"

Bilbo zögerte etwas: "Wir müssen von hier verschwinden!"

Er wollte sich an Thorin vorbeidrängeln, doch der zog sein Schwert und hielt es ihm in den Weg.

Lin, lonely fighterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt