Ohne uns?

232 9 1
                                    


„Vera?!", höre ich immer wieder Enzo rufen. Ich schlage meine Zimmertür auf und sehe die zwei Koffer mitten im Raum stehen. Langsam nähere ich mich zu den Koffern und schiebe sie in Richtung Tür. Genau da kommt Enzo rein und schaut mich an. Ich gehe mit den beiden Koffern an ihm vorbei in den Flur.
„Vera, du willst doch nicht ernsthaft von hier weg gehen oder?", fragt er mit zusammengezogenen Augenbrauen.

„Du hast mir mal gesagt, dass John niemals meine Mutter angreifen wird. Du hast mir erzählt, er hätte nie in seinem Leben eine Frau verletzt...Wieso zum Teufel hat er meine Mutter geschlagen?", schreie ich ihn wütend an.

„Woher soll ich das wissen, sag mir das? Hab ich auch erraten können, dass er eines Tages meinen Hund vergiften wird?", fragt er laut.

„Du hättest das wissen müssen! Du weißt nichts über ihn, obwohl alles so offensichtlich ist. Er hat bestimmt auch seine erste Frau geschlagen. Bist du den der Sache nachgegangen, wieso sie ihn verlassen hat? Was für einen Grund sollte es da geben außer, dass er gewalttätig war? Das ist deine Schuld! Alles deine Schuld!", schreie ich ihn lauthals an und weine dabei. Wütend schaut er mich an und schweigt. Doch dann vibriert wieder sein Handy.

Ich fange an süffisant zu lachen. „Und das? Wer schreibt dir die ganze Zeit?"
Ich gehe ihm näher und nehme gegen seinen Willen sein Handy aus der Hosentasche. Ich blicke auf den Display und es ist Stella. 3 verpasste Anrufe und 6 Nachrichten. 

„Vera, das ist gerade nicht wonach es aussieht", meint er und will sein Handy wieder nehmen.

Ich wische meine Tränen weg und versuche die Nachrichten zu öffnen. „Sag mir deinen Code!", befehle ich schluchzend.

„Stella hat ein paar Streitigkeiten zuhause. Ihre Eltern wollen sie weg schicken, weil der Vater des Kindes ein Alkoholiker ist, den sie im Club kennen gelernt hatte. Sie will nur meine Hilfe, damit ich ihre Eltern überreden kann, dass sie auch ohne den Vater ihr Kind aufziehen kann. Sie...", erklärt er und ich unterbreche ihn.

„Na und? Was kümmert dich ihr Leben? Wieso hast du noch ihre Nummer?", schreie ich weiter aufgebracht.

„Vera, hör auf mich anzuschreien und hör mir zu, du verstehst da was falsch!"

„Nein! Sie hat dich angelogen und sagte, dass das Kind deins wäre und jetzt will sie dir mit eine andere Lüge auftischen. Toll. Geh zu ihr und verreckt BEIDE!", schreie ich.

„HALT DEINE KLAPPE!", brüllt er wütend zurück.

„Sonst was? Wist du mich schlagen wie dein Onkel meine Mutter geschlagen hat?", frage ich provozierend.
Er schaut mich wutkochend in die Augen und ballt seine Hände zu Fäusten. Plötzlich greift er mich grantig am Arm fest und schubst mich unsanft in mein Zimmer und knallt die Tür zu. „ENZO?!", schreie ich und versuche die Tür zu öffnen, doch sie ist fest geschlossen. „Lass mich raus! Lass mich raus, lass mich raus!", schreie ich in Panik und schlage wütend so fest ich kann gegen die Tür.

Tränen fließend lasse ich mich zu Boden sinken und lege meine Hand kraftlos gegen die Tür. „Ich hasse dich! Hörst du mich? Ich hasse dich!", sage ich leise. Ich weiß, dass er noch da ist. Er ist gegen die Tür angelehnt und wartet bis ich mich beruhige. „Mach die Tür auf und lass mich gehen! Da wirst du dein altes Leben zurück haben! Dein perfektes Leben, bevor wir da waren. Ich auf jeden Fall, will nicht mehr hier leben. Ich will mein langweiliges sorgenloses Leben zurück!", rede ich gebrochen.

„Ohne uns?", höre ich ihn leise fragen.

„Ohne uns! Vielleicht gab es da nie UNS!"

Ich höre Schritte im Flur. „Wo ist Vera?", ist Vanessa laut im Flur zu hören.

„Ihr könnt gehen. Vera kommt nicht!", gibt Enzo von sich.

„Erhebe dich vom Boden und hilf mir sie zu suchen!", befiehlt Vanessa.

„Hast du nicht gehört? Ich sagte sie kommt nicht! Also wartet nicht lange und fährt ohne sie los."

„Du weißt also wo sie ist?"

„Ich bin hier drinnen!", gebe ich von mir zu hören.

„Spinnst du? Du hast sie da eingesperrt?", fragt Vanessa und versucht die Tür zu öffnen.

„Du gehst jetzt zu deiner Mutter und sagst, dass Vera nicht kommt!", sagt Enzo laut.

„Öffne die Tür, ich will hier sicher nicht bleiben. Enzo hörst du? Öffne sofort die Tür, bevor alles noch schlimmer wird!", schreie ich und trete wieder gegen die Tür.

Seufzend öffnet er die Tür und schaut mir in die Augen. Ich entgegne ihn einen letzten bösen Blick und gehe an ihm vorbei. Doch die Vorstellung, ihn so aus dem Weg zu gehen, höchstwahrscheinlich für immer aus seinem Leben zu verschwinden bereitet sich in mir ein schreckliches Gefühl aus.

Vanessa hilft mir den einen Koffer runter zu tragen und bei den Treppen kann ich nicht anders als einmal nach hinten zu blicken. Und da steht er oben bei den Treppen und schaut mich mit Tränen gefüllten Augen hinterher.

Bei seinem Anblick laufen mir ein paar Tränen über die Wangen und ich eile mich noch schneller aus dem Haus. Ich versuche jede einzelne Träne aus meinem Gesicht zu wischen und setze mich in den schwarzen Taxi, wo bereits meine Mutter, Vanessa und all unsere Sachen drinnen sind.

Wo John steckt habe ich gar nicht gefragt, denn wie immer verschwindet er kurz, wenn er was schlimmes anstellt. Am liebsten würde ich ihn zum Abschied eine rein hauen. Dieser Mistkerl schafft es alles kaputt zu machen.

...

go wild, for a while.✔️Where stories live. Discover now