|37| Ohne Halt

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Blake

Erschrocken riss ich meine Augen auf und saß auch schon kerzengerade in meinem Bett. Verdammt. Nur ein Traum. Ich strich mir über mein Gesicht um die Tränen weg zu wischen.

Mein Atem ging immer noch schnell und rasant. Mein ganzer Körper war mit Schweiß bedeckt und das Taube Gefühl in meinen Beinen ließ mich kurz schlucken.

Ich zog mich zum Rand meines Bettes und saß dort eine Zeit lang. Diesen Traum zu verarbeiten war geradezu unmöglich.

Ihr Schreien hallte durch mein Kopf und voller Panik sah ich mich um. Blut klebte plötzlich an mir und meinem Shirt. Mein Zimmer war voll davon.

Ihr Blut!

Panisch sah ich mich um und versuchte aufzustehen, doch meine Beine gaben nach und wie ein Tier kniete ich nun auf dem Boden.

Tränen verließen meine Augen und mein Körper schwitzte immer mehr. Ich versuchte klarer zu sehen und blickte aus dem Fenster. Der Mond stand hoch und ich wusste, dass es schon Sonntag war.

Der 17. März

Verdammt.

Die Kraft zum Aufstehen hatte ich nicht und so krabbelt ich viel mehr ins Bad. Diese Aktion lässt ihre Stimme in meinem Kopf wieder einsetzten.

Blake kann wieder nicht aufstehen! Du bist schwach Blake! Hörst du? Schwach! Nichts kannst du! Nichts machst du richtig!

Ein erstickter Schrei kam aus meiner Kehle und schnell hatte ich mir meine Hand an den Mund gepresst. Ich wusste nicht weshalb, aber ich biss mir einmal kräftig in meine Hand und tatsächlich half es.

Meine Sicht klärte sich etwas und ich zwang mich dazu aufzustehen. So hing ich also nun am Waschbecken und sah in den Spiegel.

Fast schwarze Augen, welche gerötet waren und ihren Glanz verloren hatten.

Schwarze Haare hingen in meine Stirn und es sah aus als hätte ich ein Vogelnest auf dem Kopf.

Augenringe, welche glatt dunkler als meine Augen selbst waren.

Meine Wangen waren eingefallen und dank meiner hohen Wangenknochen, sah es noch schlimmer aus.

Meine Haut war vollkommen blass geworden, sodass man meine schöne Bräune gar nicht mehr erahnen würde.

Ich seufzte und Zwang mich gleich darauf in die Dusche. Kaum hatte ich mich von meiner Boxer und dem Shirt befreit, ließ ich das eiskalte Wasser auf mich nieder prasseln.

Mein Körper zitterte und ich wusste genau, dass es nicht an dem kalten Wasser lag, sondern an meinem Albtraum.

Ein Schluchtzen durchbrach das leise tösen des Wassers und schnell hatte ich mir wieder die Hand gegen den Mund gepresst.

Wieder war da ihre Stimme... So klar und deutlich als würde sie neben mir stehen.

Heulen bringt dich auch nicht weiter! Du bist erbärmlich Blake... Einfach nur erbärmlich! Denkst du wirklich, dass irgendjemand dich jemals haben möchte? Wer will schon jemanden wie dich!

Ihr vor Ekel verzogenes Gesicht zog durch meinen Kopf. Die Stirn leicht in Falten gezogen und die kleine Nase gerümpft. Ihre Augenbrauen waren leicht nach oben gezogen und ihre Lippen hatten sich spöttisch verzogen.

Ich sah vor mir wie ihre braunen klaren Augen mich angeekelt ansahen und wie sie ihre blonden Haare arrogant nach hinten warf um mich allein zu lassen.

Niemand will dich Blake! Niemand! Absolut Niemand auf dieser gesamten Welt!

Ich schüttelte meinen Kopf und stellte das Wasser ab. Nicht mal eine kalte Dusche half mir klarer zu werden.

Nachdem mein Körper in einem Handtuch war, stieg ich aus der Dusche und trockenete mich schnell ab.

Kaum hatte ich mich wieder so weit gefasst sah ich auf und nun fing plötzlich das Badezimmer an sich zu drehen. Nein nicht zu drehen. Es schien sich zu überschlagen.

Wieder hallten ihre Schrei in meinem Kopf herum und bevor ich nicht mehr die Kraft dazu hatte, verließ ich das Zimmer und suchte schnell in einem Schrank nach Klamotten.

Schwarze Jeans, Boxer, Socken, dunkel graues T-Shirt und ein schwarzer Hoddie drüber. Ich schlüpfte in meine schwarzen Nikes und schon lief ich leise aus meinem Zimmer.

Leise, um meine Eltern nicht zu wecken, ging ich nach draußen und kaum war ich an der kalten Luft, war das beklemmende Gefühl weg und meine Welt hörte auf sich zu überschlagen.

Ich fing an zu laufen und schnell jagte ich über den Asphalt der Straße. Die Angst, dass ich wieder den Verstand verlor und mein Gehirn mir anfängt Streiche zu spielen, ließ mich meine bestialischen Schmerzen ignorieren.

Ich lief und lief. Wurde immer schneller und schneller.

Es war, als könnte ich so in der Zeit stehen bleiben und als würde es aufhören. Mit Logik hatte mein gesamtes Verhalten nichts zu tun und dennoch konnte ich nicht aufhören.

Immer weiter musste ich laufen, bis meine Beine wie von selbst stoppten und kaum sah ich, wo mich mein Unterbewusstsein hingebracht hatte, musste ich schlucken.

Nur langsam ging ich durch das Tor und lief durch die Reihen. Nicht eineinziges mal war ich hier... Naja außer an der Beerdigung selbst.

Als ich vor dem großen Marmorstein stand, traten die Tränen nur erneut auf meine Wangen.

Rachel Bailey
Geboren am 17. März 2002
Gestorben am 17. August 2019

Möge unser kleiner Engel, welcher unseren Tag erhellt, auf ewig in unseren Herzen sein.
Zu früh wurdest du uns genommen, mein Engel, und nichts wird dich wieder mehr zu uns bringen können.


Heute wäre sie 17 geworden. Aber nein! Sie ist ja tot! Wegen mir!

Erneut schluchzte ich auf und sank entgültig zu Boden. Ich lehnte mit dem Rücken gegen einen anderen kalten Grabstein und weinte bitterlich.

"Es tut mir so unendlich leid Rachel! Du warst alles! Alles was ich hatte und jetzt habe ich nichts!"

Ich sah auf die Kieselsteine und wimmerte auf, während die Tränen nur so aus meinen Augen rannen.

"Ich hätte an deiner Stelle sein sollen! Du solltest leben und nicht ich! Wieso hast nicht du es geschafft!?"

Meine Unterlippe zitterte und ich musste schlucken, bevor ich sanft anfing zu lächeln.

"Weißt du Rachel... Ich hab ein Mädchen kennengelernt! Sie bringt Paris und dich zum Schweigen... Obwohl ich deine Stimme in meinem Kopf gerne höre... Aber so werde ich wirklich verrückt. Tut mir Leid, dass ich so lange nicht da war"

Ich schwieg und bemerkte, dass die Wolken anfing sich zu zuziehen. Es wird regnen.

Mein Mund schien sich selbstständig zu machen "Rachel! Sieh nur! Es wird regnen und du weißt was das heißt oder? Wir werden heute in den Pool gehen! So machen wir das doch immer an deinem Geburtstag und so machen wir das heute auch!"

Ein leichtes Lächeln lag auf meinen Lippen, doch es dauerte nicht lange bis es zerbrach. Die Nacht war still, doch nun wurde sie von meinem schmerzerfüllten Schluchtzen unterbrochen.

Ich weinte und wimmerte vor mich hin, bis ich irgendwann zu ihrem Namen sah. Verschwommen laß ich mir die Inschrift erneut durch "Happy Birthday, mein kleiner Engel!" flüsterte ich und da stützte alles in mir ein.

Die Nachricht von ihrem Tod hat mich in den Abgrund getreten und nach sieben Monaten fiel ich immer noch. Ohne Halt. Ohne Hilfe. Ohne Sie.

Take My OnusTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang