71. Kapitel ~ Ein Teil von Alexias Geschichte

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"Lexi?", frage ich leise, worauf hin sie mich anlächelt.

"Ja?" Ihre braunen Augen funkeln mir entgegen und ich zögere. Die Frage, die ich stellen will schwirrt mir schon so lange im Kopf herum und ich weiß nicht, ob ich sie einfach gerade heraus stellen kann. Und das obwohl Alexia selbst eine Candor zu sein scheint.
"Wie bist du hier her gekommen?", frage ich schließlich. "Ich meine, wie bist du fraktionslos geworden?"
Nun wirkt sie ernster, aber noch immer liegt das verschmitze, lebensfrohe Lächeln auf ihren Lippen. "Bis ich sechszehn war habe ich bei den Candor gelebt.", beginnt sie und bestätigt damit meinen Verdacht. "Und eigentlich habe ich das Leben dort geliebt, aber ich wollte neues. Ich wollte Abendteuer erleben, Spaß haben, sogar ein bisschen lebensmüde sein."


Ich nicke verständnisvoll, will sie in ihrer Erzählung nicht unterbrechen. Lexi hält inne und seufzt leise. "Und dann?", erkundige ich mich, da sie eine ziemlich lange Pause macht.
"Na ja, bei meinem Eignungstest war das Ergebnis nicht ganz...einstimmig."

Mit leicht geöffnetem Mund sehe ich sie an. "Du bist unbestimmt?"

Ein leichtes Lächeln umrandet ihre Lippen, zur Bestätigung nickt sie. "Ja."
"Wie ging es denn dann weiter?"

"Die Frau, die den Eignungstest bei mir durchgeführt hat, hat mich in der dritten Woche aufgesucht und meinte, ich solle fliehen bevor man mich umbringen würde. Scheinbar hat jemand herausgefunden, dass mein Ergebnis unklar war." Sie seufzt laut. "Unbestimmte sieht man nicht gern, deswegen habe ich getan was sie wollte. Lieber bin ich fraktionslos, als eine Ferox. Vorallem, wenn man mich da umbringen will."
Mir wird ganz komisch zu mute. "Du musst unbedingt auf dich aufpassen.", flüstere ich ihr zu.
"Ach was, wenn mich ein Ken auch nur anfasst, werde ich ihm in den Arsch treten."
Ein so breites Grinsen zieht sich über ihre Lippen, das ich unwillkürlich mit lächeln muss.

"Ich hoffe, dass Jeanine Matthews das bekommt was sie verdient.", zische ich wütend vor mich hin und lasse den Blick durch den Raum schweifen.

Genau bei West bleibt er hängen. Seine Miene ist wie versteinert, völlig ernst.
"Sie sollte sterben, für die Taten, die sie begangen hat."
Ich fixiere ihn mit meinen Blick und kann kaum aufhören ihn anzustarren. Bis er sich schließlich mit angespannten Körper und bösen Blick den Raum mit schnellen Schritten verlässt.
"Hast du das gesehen?", frage ich an Lexi gewandt und sie zuckt mit den Schultern. "Er war schon immer ein komischer Kautz."

Lexi wickelt sich in ihre dünne Decke und lehnt den Kopf gegen die Wand. "Ich bin hundemüde."
Ich lächle sie an. "Ich auch." Doch ich bezweifle das ich viel Schlaf finden werde. Wenn ich es überhaupt mal schaffe wirklich einzuschlafen ist es nur für ein paar Minuten und ich bin geplagt von schlimmen Albträumen.

Ein Stückchen von uns entfernt lässt Edward sich auf seine Kissen fallen und fährt mit den Fingern durch sein blondes Haar. Ich frage mich, wie es ist nur ein Auge zu haben. Es muss mehr, als beschissen sein nur noch so wenig zu sehen. Er tut mir furchtbar leid, aber er scheint es relativ gut zu verkraften, wenn man mal davon absieht das er beim Schlafen immer eine Waffe neben sich zu liegen hat. Und das er sich dauernd schwört Peter umzubringen. Aber ich kann es verstehen, gewissermaßen.


"Was starrst du Edward denn so an?", fragt Lexi neben mir und sieht mich leicht irritiert an.
"Hmm, was?", mache ich und lenke den Blick mit gehobenen Brauen auf sie. "Ich hab ihn gar nicht angestarrt."
"Doch, dass hast du."
Da mir darauf nichts anderes einfällt zucke ich einfach mit den Schultern. Sie hat recht, ich habe ihn wirklich angestarrt, aber was solls.


Ich hänge meinen Gedanken nach und schaue mich ein wenig um. Nicht weit von hier liegt die Freundin von Kieshiena, Olivia, die zusammen mit ihr zu den Ferox gewechselt ist, die Initiation, aber nicht bestanden hat. Sie hat dicke braune Locken und ebenso dunkle Augen. Sie hat ab und zu mal was mit Kieshiena gemacht, aber wirklich viel hatte ich nicht mit ihr zu tun. Die meiste Zeit über ist sie für sich selbst und auch hier spricht sie kaum mit jemanden.


"Myra kann dich nicht leiden." Mit diesen Worten reißt Lexi mich aus den Gedanken.
„Ich weiß.“, murmle ich und schüttle den Kopf. „Obwohl das eigentlich gar keinen Sinn macht.“

„Sinn macht es schon.“ Ich sehe ihr mitten ins Gesicht. Sie grinst. „Sie denkt, dass du was von Edward willst. Oder das du ihn ihr wegnimmst, oder so...glaube ich zumindest.“

„Dann wirst du wohl recht haben.“, seufze ich. „Du kennst dich doch so gut mit Menschen aus.“


Erneut blicke ich dorthin wo Edward vorhin schon gesessen hat und erkenne nun auch den Grund wie Lexi auf das Thema kommt: Myra sitzt dort und stiert unzufrieden in unsere Richtung.
„Ja, sie hasst mich.“, stelle ich fest. Doch es bedeutet mir nichts, ehrlich nicht.
Ich sitze einfach nur da und schüttle lachend den Kopf. Das ist doch völlig bescheuert.
„Es ist hier oftmals so langweilig, da kann man gar nichts anderes machen, als andere zu beobachten.“, seufzt Lexi. „Und das wird, wenn du sie alle durchschaut hast, auch irgendwann langweilig...“  

Willenlos | Divergent / Die Bestimmung ✔Where stories live. Discover now