Lichtermeer

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Zomdado

Das war ja klar, dass ich gewungen werden würde mit zu kommen. Niemals würden meine Eltern es zulassen, dass ich mich einem Familienausflug entzog und zu hause blieb um zu zocken.

Also lehnte ich nun unnötiger Weise in der Bahn, auf dem Weg zum Lichtermeer. Es handelte sich dabei um einen Karnevalsumzug am Abend, mit leuchtenden Kostümen. Meine kleinen Geschwister waren wie zu erwarten unglaublich aufgeregt und brachten es nicht fertig auch nur zwei Minuten still zu sitzen.

Dabei war meine Argumentation gegen den Ausflug gar nicht schlecht gewesen. Immerhin fand die Veranstaltung draußen statt und es war kalt, außerdem müssten wir irgendwo essen gehen, da sich das Kochen nicht mehr lohnen würde. Wir wären viel zu spät zu hause und die Kleinen würden anfangen zu quengeln weil sie müde waren. Trotzdem hatten sie sich nicht zum zu hause bleiben überreden lassen.

Die monotone Ansage der Straßenbahn verkündete unsere Haltestelle und kurz darauf stand ich im Kalten. Meine Mutter schaute sich kurz um und entschied dann: "Da lang müssen wir." Sie zeigte eine Straße runter und mit meinem Bruder an der Hand lief sie los.
Ich folgte ihr in einigem Abstand, bis sich mein Vater zu mir zurück fallen ließ.

"Maurice wir haben schon lange nicht mehr alle zusammen etwas unternommen. Bitte guck nicht so genervt. Wenn du keine Lust hast, mach den Abend nicht auch für alle anderen noch schlecht."
Ich nickte nur abwesend, in Gedanken war ich wo völlig anders.

Zielsicher lotste Mama uns durch die kleinen Gassen des Stadtviertels. Ich bewunderte sie für ihren Orrientierungssinn, ich hatte schon nach der zweiten Biegung den Überblick verloren.

Die Ansammlung an Menschen die auf einer breiten Straße gespannt warteten, ließ darauf schließen, dass wir angekommen waren. Ich hatte  die Hände tief in den Taschen vergraben und sah mich nach einem guten Aussichtspunkt um. Schließlich machte ich meinem Vater deutlich, dass ich mir das Spetakel von einer Treppe vor einem Hauseingang ansehen würde. Er nickte und drängelte sich nach vorne zum Rest meiner Familie.

Ich lehnte hier schon eine ganze Weile und bisher war absolut nichts passiert. Immer noch warteten alle auf den leuchtenden Umzug und ich fand den ganzen Aufstand von Minute zu Minute unnötiger. Bis aufeinmal ein quietschendes kleines Mädchen auf mich zu rannte. Meine Schwester.

In der Hand hielt sie eine hellblaue mit Federn und Glitzer geschmückte Maske. "Maurice! Mama und Papa haben uns Masken gekauft. Ich hab dir auch eine ausgesucht!", freute sie sich.
Schmunzelnd nahm ich die Maske entgegen: "Dankeschön."
"Du musst sie aufsetzen.", verlangte die Kleine grinsend und seufzend gab ich mich geschlagen.

Also setzte ich die Maske auf und friemelte hinter meinem Kopf die Bänder lose zusammen, gerade so, dass sie hielten.
"Ich gehe wieder zu Mama und Papa, wir stehen fast ganz vorne.", verkündete sie glücklich und schon war sie verschwunden.

Ich zog die Maske, die sowieso nicht wirklich gehalten hatte wieder vom Kopf. Aufeinmal wurde ich von der Seite her angesprochen. Ein Junge in meinem Alter wollte verschmitzt wissen: "Warum hast du sie abgenommen? Deine Schwester wäre bestimmt traurig."
Ich zuckte etwas überrascht die Schultern. "Das sieht doch komisch aus."
Der Junge hatte braune Haare, nur etwas kürzer als meine und auf dem Kopftrug er einen lilafarbenen Zylinder. "Ich finde sie steht dir.", lachte er und ich sah ihn zweifelnd an. "Ich hab doch auch einen Hut.", setzte er noch hinzu und tippte an seine Kopfbedeckung. "Ja, bei dir sieht das aber gut aus und außerdem bekomme ich hinter dem Kopf sowieso keinen Knoten hin.", rechtfertigte ich mich.

Er lachte nur: "Dankeschön." Dann nahm er mir die Maske aus der Hand, nur um sie mir im nächsten Moment auf zu setzen und die Bänder an meinem Hinterkopf zusammen zu binden. Er stellte sich vor mich und betrachtete mich zufrieden. "Also ich finde es süß.", stellte er fest und ich wurde rot. "Ich bin übrigens Michael, kannst mich aber einfach Micha nennen."
"Maurice.", entgegnete ich kurz, lächelte aber.

Schnell hatte Micha mich in ein Gespräch verwickelt und so bemerkte ich überhaupt nicht wie die Zeit verflog. Plötzlich stupste er mich an und deutete in eine Richtung: "Guck, sie kommen."

Tatsächlich schlängelte sich eine Prozession aus Stelzenläufern, in leuchtenden Kostümen, über die Straße. Zu glizernden langen Kleidern wirbelten einige von ihnen bunte Fächer durch die Luft und andere hantierten mit leuchtenden Stäben. Hunderte Lichter funkelten an jedem der Kostüme. Doch je länger wir das Spektakel beobachteten desto öfter wiederholten sich die Kostüme und die, die neu dazu kamen waren lange nicht so schön wie die Ersten.

"Na wirklich spektakulär ist das jetzt nicht. Ich verstehe echt nicht warum meine Familie mich mitschleppen musste.", bemerkte ich genervt und Micha neben mir lachte. "Dann hätten wir uns nich kennen gelernt. Aber wenn du Lust hast könnten wir in ein niedliches Restaurant hier um die Ecke gehen und was essen."
Ich überlegte kurz, stimmte dann aber zu. Meiner Mutter schrieb ich eine kurze Nachricht, dass ich einen Freund getroffen hätte und später nach hause kommen würde.

Michael führte mich in eine kleine Seitenstraße und hielt mir dann die Tür zu einem kleinen Laden auf. Er hatte Recht gehabt, das Lokal war wirklich niedlich, bunt eingerichtet, mit unterschiedlichen Stühlen und zusammengewürfelter Deko. An den Wänden hingen die verschiedensten Bilder und obwohl alles so unteschiedlich war fühlte ich mich sofort wohl. Ich musste grinsen als ich an der Wand über dem Tresen eine Regenbogenflagge entdeckte.

Bervor wir uns setzen konnten wuselte eine etwas untersetze Frau aus der Küche herein. Sie stellte schwungvoll zwei Teller auf einen besetzen Tisch neben uns und wünschte einen guten Appetit. Als sie Micha erkannte kam sie herüber: "Micha. Schön, dass du da bist, wie war der Umzug?"
"Etwas enttäuschend, deshalb sind wir ja hier.", gab er zu.
"Oh.", die Frau schien mich erst jetzt zu bemerken und lachte fröhlich. "Wen hast du denn da als Begleitung dabei? Immerhin ist heute Valentienstag.", wollte sie wissen und wackelte in Michas Richtung mit den Augenbrauen. Ich wurde augenblicklich wieder rot und auch Michael schien die Situation unangenehm. "Elfi!", beschwerte er sich und Elfi verschwand zurück in die Küche. "Ich sag Fred er soll euch was tolles zaubern.", warf sie noch durch den Raum.

Micha ließ sich auf einen der Stühle fallen und ich setzte mich ihm gegenüber. "Ehm...", begann er und kratzte sich am Kopf. "Elfi ist meine Großtante und wie man unschwer rausgehört hat: Ich stehe auf Jungs.", erklärte er und ich musste grinsen.
"Naja, wenn wir schon dabei sind, ich bin mir zwar nicht ganz sicher was meine Sexualität angeht, aber Hetero bin ich auch nicht."
Micha zwinkerte verschwörerisch: "Na dann passt das ja."
Ich lachte und schon befanden wir uns schon wieder in einem Gespräch, so, dass wir Elfi kaum bemerkten als sie mit zwei herlich duftenden portionen Nudeln zu uns kam.

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Irgendwie arten alle Zomdado Oneshots bei mir immer in Richtung "absolut kitschig" aus, aber gut... xD

OneshotzeugWhere stories live. Discover now