„Haz... wir schaffen das schon irgendwie." murmle ich. Er drückt ein Bein zwischen meine und ich streiche ihm durch die Locken. „Ich will das alles nicht mehr.." Seine Stimme ist so leise, dass ich es fast überhört hätte. „Dann nimm dir eine Auszeit?" schlage ich vor. „Und wo soll ich hin?" er lacht bitter. „Zu mir?" - „Zu dir." Er sieht auf und blickt mich verwirrt an. „Ja, wieso nicht?" Er überlegt viel zu lange. Man kann praktisch hören, wie sein Kopf arbeitet und seine Gedanken hin und her schwirren. „Komm einfach ein paar Tage zu mir, Harry. Einfach mal hier raus, in ein normales, langweiliges Leben."

„Und du meinst, das geht einfach so?" - „Ja, wieso denn nicht?" frage ich ihn und er möchte antworten, aber ich unterbreche ihn doch sofort. „Okay, vergiss die Gründe, lass es uns einfach probieren, ja?" bitte ich ihn und stehe auf. „Wir holen jetzt ein paar Klamotten und dann fahren wir zu mir." - „Ich sag Steven Bescheid." nickt er, aber ich schüttle den Kopf. „Wir machen jetzt etwas verrücktes und fahren mit der Tube." beschließe ich und Harry lächelt etwas. „Auf deine Verantwortung."

Ich nicke und wir gehen in sein Ankleidezimmer. Harry holt eine schwarze Reisetasche aus einer Schublade und packt einige wenige Shirts und Hosen zusammen. „Was brauche ich noch?" - „Deine Zahnbürste?" Er nickt und geht ins Bad. Einige Minuten später kommt er mit einem kleinen Kulturbeutel zurück und wirft auch ihn in die Reisetasche.

„Fertig?" frage ich dann, als wir beide angezogen sind und er nickt. Er trägt eine schwarze Jeans und einen Hoodie, dazu Sneaker, die er laut eigenen Angaben noch nie getragen hat. Erst wollte er zu seinen Oxford greifen, aber die habe ich ihm direkt aus der Hand genommen; normales Leben, normale Schuhe. Darüber trägt er eine einfache, ebenfalls schwarze Jacke. Er schnappt sich sein Handy und sieht mich fragend an. „Fertig?" - „Ja. Wie kommen wir hier unbemerkt raus?"

Er schmunzelt. „Es gibt viele Wege aus dem Palast." antwortet er nur und betritt als erster den Flur. Ich folge ihm stumm, aber mit bis zum Hals klopfendem Herzen. Er nimmt meine Hand, wir biegen um eine Ecke und gehen in einen anderen Raum. Es ist nur eine Besenkammer, aber als er ein Regal zur Seite schiebt, wird ein schmaler Gang frei. Die Wände sind nicht verputzt und die Steine darunter liegen frei. Spinnenweben ziehen sich an den Kanten entlang und ich habe das Gefühl in einem Film zu stecken.

Harry kennt sich in diesem Labyrinth bestens aus. Er zögert nicht, als sich der Gang wieder und wieder spaltet und führt uns geradewegs zu einer dicken Tür. Der Knauf ist aufwendig verziert und sie sich aus, als wäre sie mindestens zweihundert Jahre alt. Harry dreht ihn kräftig und sie springt auf. Wir kommen aber nicht raus, wie ich gedacht hatte, wir stehen in einem Lagerraum voller Fässer. Harry schließt die Tür hinter sich, die scheinbar in der Wand verschwindet. Niemals würde ich denken, diese Backsteine würden zu einer Tür gehören.

Zielsicher verlässt er diesen Raum und wir befinden uns in einer Kneipe Ein Mann kehrt gerade den Boden und sieht uns verwundert an. Dann nickt er Harry nur zu und wir gehen durch den Hinterausgang raus. „Er kennt dich?" - „Ich bin früher oft durch die Kneipe aus dem Palast abgehauen." meint er schulterzuckend. „Also kennt er den Gang?" - „Theoretisch, aber man braucht einen Schlüssel um die Tür von außen zu öffnen." meint er nur. Ich sehe zu dem Haus, aber da hängt kein Schild. „Von vorne ist es der Pub Buckinghams Arms." erklärt er mir. „Der Gang wurde kurz vor 1840 gebaut, also bevor hier in England die Opium-Prohibition stattfand. So konnten die Adligen auch weiterhin heimlich das Zeug konsumieren."- „So alt ist der Pub?" frage ich überrascht, aber er schüttelt den Kopf.

„Nicht ganz, er wurde 1898 neu aufgebaut und kurz danach umbenannt, aber ja, gewisse Ware kam bis Mitte des 20. Jahrhunderts dadurch in den Palast. Heute gibt es andere Wege dafür." meint er nur. „Aber der Gang wurde nie zugeschüttet und da der Lagerraum nie zerstört wurde, nur die Kneipe davor, gibt es ihn heute noch." erzählt er mir und erstaunt sehe ich ihn an. „Woher weißt du das alles?" - „Als Kind war ich oft in den Gängen unter dem Palast unterwegs und als ich 14 oder 15 war, wurde ich neugierig, ob es noch mehr gibt. Ich habe wochenlang nur in der Bibliothek gehangen und in alten Tagebüchern gelesen, da steht so viel mehr drin, als in diesen langweiligen offiziellen Wälzern." schmunzelt er.

„Du musst mir die anderen auch irgendwann mal zeigen." entgegne ich aufgeregt und er nickt. „Irgendwann." verspricht er, küsst meine Hand und wir gehen zur nächsten Tube Station. Harry hat die Kapuze über gezogen und eine dicke Brille mit Fenstergläsern auf der Nase. Es sieht komisch aus, aber man erkennt ihn tatsächlich nicht, wenn man nicht etwas länger hin sieht und außerdem nicht erwartet, den Prinzen mitten auf der Straße anzutreffen. 

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Ob das so gut ist, das Harry abhaut? Und was meint ihr passiert wohl, wen die zwei ganz alleine über die Straßen von London laufen? Ideen? Wünsche?

Love, L 

This OneWhere stories live. Discover now