32. Kapitel

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Eigentlich hatte ich nur gehofft, dass der Samstag nicht schnell kommen würde, aber als ich Donnerstag Mittagspause mache, kommt Jeff auf mich zu gelaufen. „Louis! Hi! Miss Tremblay hat mich gerade geschickt, der nächste Skandal steht an." Verwundert blicke ich den Assistenten der Chefin und guten Freund von mir an. „Was? Wovon redest du bitte?" will ich wissen und im gleichen Moment hat Jeff auch schon den großen Fernseher angeschaltet, der an der Wand neben den Fenstern hängt. Verwundert sehen mein Kollegen auf und als ich realisiere, was ich dort sehe, muss ich schlucken.

Es ist Harry, genaugenommen ist es die ganze königliche Familie, die den jährlichen Weihnachtsball ankündigt. Sie alle tragen teure Kleidung, die Herren Anzüge und die Damen Kostüme, edle Zweiteiler in hellen Farben. An den Anzügen ist jeweils eine breite Schärpe, goldene Bänder und eine Menge Abzeichen. Die Schuhe glänzen und ich mustere Harry einen Moment länger als ich sollte. Ihm stehen diese Outfits so verflucht gut.

„Weißt du, was mit ihm los ist?" fragt er mich leise und ich spanne mich an. Harry sieht nicht gut aus. Er hat Augenringe, auch, wenn sie so gut es ging überschminkt worden sind. Seine Haare sind gestylt und trotzdem hängen sie irgendwie herunter. Es würde anderen wohl kaum auffallen, aber diese süßen kleinen Falten an seinem Auge fehlen, wenn er lächelt. Es ist das Lächeln für die Kamera, aufgesetzt und falsch.

Je länger ich die Übertragung ansehe, desto mehr Kleinigkeiten fallen mir auf. Er spielt kurz mit dem Saum seines Ärmels, ehe er seine Schultern strafft und tief ein und wieder ausatmet. Sein Blick ist leer, seine Augen glanzlos und sein ganzes Erscheinungsbild irgendwie matt und trist. Er strahlt nicht wie sonst, es kommt einem fast so vor, als wäre er nicht der echte Prinz, sondern würde in das Outfit hinein gezwängt worden sein.

„Missi will, dass du dich darum kümmerst. Es soll in direkten Kontrast zu dem Interview stehen." meint er und sieht mich entschuldigend an. Ich verdrehe die Augen. Super. „Harry geht es einfach mal nicht so gut. Und? Jeder ist mal krank." erwidere ich lediglich, aber Jeff glaubt mir nicht einmal ansatzweise. „Deswegen siehst du auch jeden Morgen so aus, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen, ja? Verarsch mich nicht Louis, was ist hier los?" fragt er, aber ich schüttle den Kopf. „Ich kümmere mich darum, sag Missi das. Ich schreibe den Artikel und das alles." meine ich und setze mich wieder an meinen Schreibtisch. Jeff folgt mir und mustert mich skeptisch.

„Was ist passiert? Habt ihr Krach?" - „Jeffrey." seufze ich genervt und er nickt. „Schon gut, ich frag nicht weiter." erwidert er und verschwindet von der Achten. Ich schalte den Fernseher wieder aus und schaue mir die Übertragung weiter auf meinem PC an. Es wird gesagt, dass der Prinz Müde aussieht und natürlich stellt sich dann die Frage wie das wohl kommt, ob er wohl wieder eine Party geschmissen hat oder ob es andere Gründe hat. Natürlich wird es noch nicht ausgesprochen, aber nach dem Bild von ihm mit dem Tablett mit dem Kokain darauf wird es wohl kaum lange dauern, bis die ersten Parallelen gezogen.

Sollte ich das auch tun? Eigentlich wäre es unfair Harry gegenüber, weil ich ja weiß, dass er nichts Chemisches nimmt. Auf der anderen Seite ist es aber meine Aufgabe, die Situation zu analysieren, mit den bisherigen Ereignissen in Verbindung zu bringen und logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber sollte ich so weit gehen? Ich weiß ja nicht. Er ist der Prinz und wird nach seinen Besuchen in den Kinderheimen von der Mehrheit der Bürger wirklich gemocht. Ist eine Schlagzeile es wert, dass sich das ändert?

Natürlich ist es nicht gut, dass er offensichtlich fertig mit den Nerven ist, aber das passiert nun einmal. Niemand kann mir sagen, dass er selbst noch nie einen schlechten Tag hatte. Ich seufze und fahre mir durch die Haare. Wenn es doch nur das wäre. Ich will es nicht sehen, aber es könnte kaum offensichtlicher sein. Seit Sonntag hat Harry den Palast nicht mehr verlassen und jetzt tritt er müde und fertig vor die Kameras.

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