18. Kapitel

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 „Wieso denn mein Bild?" Ich schüttle den Kopf. Das ergibt doch keinen Sinn. „Naja weil.. egal, lass uns weiter gehen." antwortet er nur und geht voran. Wenigstens halte ich mich jetzt an diese Regel. Wir kommen in der Küche an, wo bereits eine ältere Dame steht. „Susan, wie schön dich zu sehen." Er geht sofort auf sie zu und nimmt sie in den Arm. „ich hab mich schon gefragt, wann du mal zu mir in die Küche kommst, wenn es dich ausnahmsweise mal hierher verschlägt." grinst sie und sieht dann zu mir. „Ah, und du musst Louis sein! Der ganze Hof spricht schon über dich." überfordert erwidere ich die Umarmung.

„Äh...ja, bin ich." unschlüssig sehe ich zu Harry, der das aber gar nicht mitbekommt. Susan spricht sofort weiter und sieht zwischen uns hin und her. „Also ihr beiden, was möchtet ihr heute essen?" - „Ist die Frage ernst gemeint?" entgegnet Harry schmunzelt und sie schüttelt den Kopf. „Natürlich nicht. Der Auflauf ist schon im Ofen." antwortet sie ihm und sieht dann zu mir. „Es ist Harrys absolutes Lieblingsessen, als ich gehört habe, er sei hier, habe ich natürlich sofort für heute den Auflauf fertig gemacht." - „Du bist die Beste." grinst er und setzt sich gegenüber auf die Arbeitsplatte.

Immer noch nicht ganz sicher, was ich tun soll, stehe ich an der Seite und halte mich weitestgehend aus der folgenden Unterhaltung raus. „Wieso ist Gemma nicht mitgekommen? Sie war so lange nicht mehr hier." fragt Susan dann und Harry zuckt mit den Schultern. „Sie hat im Augenblick einige Projekte, um die sie sich kümmert, aber sie wird wohl bald wieder herkommen." Sie nickt zufrieden und holt zwei Teller aus dem Schrank, die natürlich das goldene Wappen des Gestüts in der Mitte zeigen.

Als Susan die Teller füllt, kommt Harry zu mir und fragt leise „Du sagst ja gar nichts?" - „Was soll ich denn sagen?" frage ich und lache unbeholfen. Bevor er mir antworten kann, hat Susan wieder das Wort ergriffen. „Möchtet ihr dazu etwas trinken?" Harry winkt ab, geht dann selbst zu einem Schrank und holt eine Flasche Wein heraus. „Iss doch mit uns." schlägt er der Köchin dann vor, aber sie schüttelt den Kopf. „Ich muss das Abendessen dringend vorbereiten, das nächste Mal." Harry nickt und setzt sich an den Tisch in der Mitte der Küche.

Zögerlich setze ich mich ihm gegenüber. Wir essen also hier? Etwas verwundert sehe ich ihn an, aber für ihn scheint es gar nicht in Frage zu kommen ins Esszimmer oder so zu gehen. Ich probiere den Auflauf und schließe kurz die Augen. Verdammt! Das ist so lecker! Jetzt kann ich absolut verstehen, dass es Harrys Lieblingsessen ist. Es schmeckt unglaublich gut. Ich nippe am Wein und blicke zu Susan, die einige wirklich große Töpfe aus den Schränken holt und auf die Herdplatten stellt.

„Wollen wir nachher noch einmal ausreiten gehen?" fragt Harry mich dann plötzlich und überrascht blicke ich ihn wieder an. „Ähm.. klar, wieso nicht?" Er lächelt und nickt dann. „Vorhin lief es ja wirklich gut und da dachte ich, wir nutzen die Zeit hier. Morgen Nachmittag geht es ja schon wieder zurück." Nachdenklich trinke ich noch einen Schluck. Es ist Samstag und mehr als die Hälfte der Stunden heute ist schon herum.

Wieder hadere ich mit mir, ob ich Harry darauf ansprechen soll; ihm beichten soll, dass ich gelauscht habe und jetzt weiß, was Sache ist. Aber ich werde das definitiv nicht hier vor Susan machen. Wenn, dann sage ich es ihm, wenn wir alleine sind. Es fühlt sich so beklemmend an, nicht mit ihm darüber zu sprechen und trotzdem versuche ich an dem, was wir haben festzuhalten; nur noch ein klein wenig länger. Ich möchte diese Blase noch ein wenig erhalten, auch, wenn die Nadel schon verdammt nah ist und es nicht mehr zu verhindern ist, dass die platzt.

Alles, was ich jetzt tun kann, ist diesen Knall herauszuzögern. Hätte ich es doch nur nicht gehört. Wobei, ich weiß nicht, was besser ist: es so zu erfahren oder irgendwann darüber schreiben zu müssen, dass der Prinz seine Verlobung bekannt gibt, ohne es vorher zu wissen. Jetzt kann ich mir immerhin noch in Ruhe meine Gedanken zu der ganzen Situation machen und muss nicht funktionieren, so wie im Büro.

Dass Harry schon längst aufgefallen ist, dass hier irgendetwas nicht stimmt, ist inzwischen mehr als deutlich geworden, wie sollte es auch nicht? Ich esse auf und stelle den Teller dann in die geöffnete Spülmaschine. „Das muss du doch nicht machen." meint Susan, als sie aus der Speisekammer wiederkommt, aber ich winke ab. „Ach was, das ist doch selbstverständlich." antworte ich ihr lächelnd und stelle mein Besteck in den dafür vorgesehenen Korb.

„Wollen wir?" fragt Harry mich und hält mir seine geöffnete Hand hin. Mein Atem stockt und ich zögere dann; er wirkt verwundert. Schnell lege ich meine Hand hinein und gehe mit ihm aus der Küche, damit er nicht die Möglichkeit bekommt, mich doch noch darauf anzusprechen. Ob er es wohl merken wird? Ob er bemerken könnte, dass ich es weiß?

Ich glaube tatsächlich nicht. Wie denn auch? Niemand hat mitbekommen, dass ich dort stand. Wir gehen zurück in den Stall und dort stehen schon zwei fertiggemachte Pferde. „Das sind Amber und Feline, beides Stuten, die hier auf dem Hof aufgewachsen sind und aufs Wort hören." stellt er mir die Tiere vor und vorsichtig lasse ich sie an meiner Hand schnuppern. „Welche möchtest du?" fragt er mich und ich sehe zu der Stute mit rötlichem Fell. „Amber." meint er dann und nickt. Ich gehe zu ihr und sie blickt mich durch ihre großen, braunen Augen an.

„Komm." lächelt er und geht mit Feline raus auf den Hof. „Ich zeig dir die Felder." meint er dann und steigt geschmeidig in den Sattel. Ich schaffe es sogar beim ersten Versuch und grinse zufrieden. Harry sieht mich lächelnd an und er schlägt den Weg rechts am Stall vorbei, über die Wiese, ein. Amber ist etwas kleiner als Geenie, was ich aber gar nicht so unangenehm finde. Wir reiten über einige Hügel, bis sich vor uns ein weit reichendes, gelbes Feld erstreckt. „Das ist die Feldblumenwiese. Noch blühen die letzten Pflanzen, aber das ist kein Vergleich dazu, wie es hier im Sommer aussieht." erzählt Harry mir und reiten in die Spur des Traktors hinein, wo ein schmaler Trampelpfad entstanden ist.

Dann sieht er über seine Schulter zu mir. „Alles gut?" Ich nicke und schaue mich um. Es ist wirklich wunderschön hier. „Gut, halt sich am Sattel fest." meint er und treibt Feline etwas an, die einen Augenblick später in einen leichten Trab verfällt. Amber tut es ihr gleich und ich gebe mir Mühe, alles zu beachten, was Yorick mir beigebracht hat. Es dauert nicht lange, bis ich den Bogen einigermaßen raus habe und es tatsächlich Spaß macht.

Ich grinse und schaffe es, dass Amber ohne Probleme bei einer Lücke zwischen den Pflanzen in die andere Traktorspur wechselt. Harry sieht mich überrascht, aber dann lächelnd an. Wir reiten durch das Feld und dahinter direkt in ein neues. Am Rand stehen hohe, alte Bäume und die Vögel verabschieden mit lautem Gezwitscher die untergehende Sonne. Noch ist sie nicht hinter dem Horizont verschwunden, aber je weiter wir in die Felder reiten, desto dunkler wird sie und je stärker wird der Rotanteil in ihrem Licht.

Im Schritt gehen die Pferde irgendwann durch einen kleinen Bach und Harry legt sich nach vorne. Feline stört es nicht im Geringsten und ich lasse vorsichtig den Riemen am Sattel los, um mein Handy aus der Jackentasche zu ziehen und ein Foto zu machen. Ich denke nicht weiter darüber nach. Harry grinst in die Kamera, macht aber keine Anstalten, sich wieder aufzurichten. Er lässt die Arme linkt und rechts baumeln und die letzten Sonnenstrahlen des Tages lassen seine Haut strahlen und seine Augen glitzern.

Durch ein anderes Feld, dessen Pflanzen uns bis etwas über die Knie reichen, reiten wir zurück. Sie tiefrote Sonne steht in unserem Rücken und unsere Schatten werden immer länger. Feline und Amber laufen nah nebeneinander und Harrys und meine Finger sind miteinander verschränkt und unsere Arme baumeln zwischen uns hin und her. Inzwischen brauche ich mich nicht mehr am Riemen festzuhalten, und so nervös und unsicher ich am Anfang war, so entspannt bin ich gerade auf dem Rücken der Stute. Harry streicht mit seinem Daumen über meine Haut und ich blicke zu ihm.

Seine Locken glänzen im Licht der untergehenden Sonne stehen ihm aber inzwischen wirr vom Kopf ab. Er ist so wunderschön. Er streicht sie sich nach hinten aus dem Gesicht und mustert mich. Mir entgeht nicht, dass dabei die ganze Zeit ein leichtes, fast unscheinbares Lächeln seine pinken, weichen Lippen ziert und mein Herz flattert höher.

Wie kann man in einem Moment nur so glücklich sein? Der Moment gehört nur uns; alle Regeln, alle Vorschriften sind über Bord geworfen; wir haben sie aus der Blase die uns umgibt verbannt und trotzdem schwirren sie dort draußen herum und kommen uns immer näher; gefährlich nah. Noch sind sie nicht bei uns; noch haben wir diese Barriere und ich hoffe so sehr, dass sie uns noch einige Zeit erhalten bleibt. 

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Tja, wie lange es wohl dauert, bis das Kartenhaus einstürzen wird? Oder verhindert Harry das? Und könnt ihr Louis' Hin und Her zwischen Romantik und Sorge verstehen? 

Love L 

This OneWhere stories live. Discover now