Kapitel 25

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Ich lief ausgerechnet Shiori über den Weg. Ausgerechnet der Person, der ich am wenigsten begegnen wollte. Naja, das war gelogen... Auf Yumas Fresse hatte ich noch weniger Lust, und außerdem war sie nicht mal das schlimmste Los, das ich hätte ziehen können. Wäre ich der Hypnotikerin begegnet, würde ich in Null Komma nichts wieder im Labor landen und dann würde ich nicht wieder so einfach ausbrechen können. Dumme Fehler passierten in der Regel nur einmal und dann nie wieder. Als sie mich sah, blieb sie wie versteinert stehen und starrte mich an. Sie war überrascht. Wer konnte es ihr verübeln? Ich sah sie an und sie wich einen Schritt zurück. "Du... wie bist du entkommen?" fragte sie. "Ich lasse mich nur ungern zu etwas zwingen." antwortete ich. "Schon gar nicht, wenn mir dabei Schmerzen zugefügt werden. Ich hab mich selbst befreit." Sie wich noch weiter zurück. Hatte sie etwa Angst vor mir? Naja, wer konnte es ihr verdenken? Es stand jemand vor ihr, der nicht mal drei Sekunden brauchte, um ihren Körper zu übernehmen. Und genau das würde ich tun, das wusste sie. "Unter anderen Umständen hätte ich euch geholfen, den Krieg zu beenden, damit kein Pokémon mehr leiden muss und ihr eure Ruhe habt.", sagte ich kühl. "Aber so, wie die Dinge jetzt sind, müsst ihr leider auf mich verzichten, fürchte ich. Ich helfe ungern Leuten, die versuchen, mich zu kontrollieren und dann Schweißausbrüche haben, weil sie es nicht können. Ihr habt Angst vor mir, stimmt's? Solange ihr mich in eurer Gewalt habt, habt ihr nichts zu befürchten. Aber sobald ihr keine Kontrolle mehr über mich habt, fürchtet ihr euch. Denkst du, ich merke das nicht?" Woher nahm ich plötzlich diesen Mut und diese Selbstsicherheit? Es war so, als würde ich mich Stück für Stück immer mehr verändern... Ich war plötzlich um Längen kühler als  ich in Erinnerungen hatte. Shiori zückte ihren Dolch. Ich starrte auf die Waffe und dann wieder auf sie. "Greif mich an und ich werde sauer." zischte ich. "Mir reicht es so langsam. Ich bin wütend, weißt du? Wütend darauf, dass ich keine Fragen auf meine Antworten finde, wütend darauf, dass ihr der Meinung seid, mich als Waffe zu missbrauchen, wütend darauf, dass ich mich an nichts erinnern kann und wütend darauf, dass ihr meine Freunde irgendwo gefangen haltet. Ich bin so wütend, das kannst du dir gar nicht vorstellen." Ja, das stimmte. Ich war wütend. Mein Körper bebte schon fast vor angesammeltem Zorn. "Sag mir, wo ihr sie gefangen haltet", verlangte ich. Shiori bewegte sich nicht. Entweder war sie in Schockstarre verfallen oder mein plötzlich eiskalter, drohender Ton hatte ihr die Sprache verschlagen. Vielleicht auch beides. Dann plötzlich feuerte sie einen Elektroball auf mich ab. Ich trat zur Seite und der Angriff zischte an mir vorbei. Ich seufzte. "... Das ist ziemlich unhöflich", kommentierte ich ruhig. "Ich habe dir eine Frage gestellt. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber ich denke, es ist ähnlich... Wer mich angreift, ist automatisch mein Feind.", "Du bist ein Monster!" zischte sie. "Du bist kein Mensch, niemals! Du bist ein Biest mit dem Gesicht eines Menschen!!" Das zu hören, ließ mich rot sehen. Ich verengte die Augen. Ohne ein weiteres Wort konzentrierte ich mich auf sie und wurde Augenblicke später aus meinem Körper gerissen. 
Ich stand auf zwei Beinen und hielt einen elektrischen Dolch in der Hand. Ich sah auf meinen Körper herab. "Monster, huh? Wenn ich ein Monster bin, was seid ihr dann? Ihr tötet Pokémon und haltet sie gefangen." Mit einer weiblichen Stimme zu sprechen, war seltsam. Ebenso wie in einem weiblichen Körper zu stecken. Aber das war mir egal. Ich steckte den Dolch weg und warf mir meinen Körper über die Schulter. Wie gut, dass ich dank dieser Frau jetzt einen genauen Lageplan von diesem Gebäude hier hatte, denn ich wusste, wo ich ihn hinbringen konnte, ohne, dass ihn jemand fand. Es gab einen Keller mit einem Schacht, der nach draußen führte. Der Keller war lediglich ein Lagerraum für Nahrungsmittel und würde in den nächsten Stunden nicht betreten werden. Ich ging dort hin. 
Natürlich wäre es schön gewesen, niemandem zu begegnen, aber gefühlt die gesamte Menschen-Population dieser verfluchten Welt steckte hier drin. Da war es schwierig, niemandem zu begegnen. Und so kam es, dass ich am Ende doch drei Leuten über den Weg lief. Ich kannte sie alle drei nicht, aber ich konnte sie trotzdem beim Namen nennen. "Hallo, Lieutenant Akazawa." begrüßten sie mich. "Guten Tag." begrüßte ich sie trocken. Sie bemerkten meinen richtigen Körper über meiner Schulter und einer der drei legte den Kopf schief. "Ist das der Junge?" fragte er. Ich nickte. "Er ist während eines von Almas Experimenten durchgedreht. Ich bringe ihn zur Sicherheitsverwahrung, bis er sich wieder im Griff hat." Die drei nickten. "Okay. Schönen Tag noch." Sie gingen mir aus dem Weg und ich setzte ihn fort. Ich sah mich um und ging sicher, dass niemand in der Nähe war und stieg dann eine Treppe herunter. Doch mir kam jemand entgegen. Verflucht. Und es war ausgerechnet jemand von den Hirnis, die mich und die anderen erwischt hatten. Der Kerl mit der Feuersense, Shu. Er sah mich an. "Was machst du denn mit dem Jungen hier unten, Shiori?" fragte er. "Er ist abgehauen." erwiderte ich. "Und warum bringst du ihn dann nach unten und nicht zurück?" Gute Frage, nächste Frage. Hierzu viel mir keine Ausrede ein. Aber Shu war offensichtlich nicht so dämlich wie Yuma, denn er schien sofort zu schnallen, was Sache war. "Du steckst in ihr, nicht wahr?" Verdammt. "Du Monster hast ihren Körper in deiner Gewalt. Lass sie frei!" Er nahm seine Sense in die Hand. Schon der zweite, der mich als Monster bezeichnete. Ich legte meinen Körper vorsichtig auf der Treppe ab, als er die Chance ergriff und mich direkt anfiel. Idiot. Ich zückte den Stromdolch und wich einem Schwung seiner Sense aus. Der Platz hier war begrenzt und die Sense krachte gegen die Wand. Er wusste, dass es dumm war, eine Attacke hier zu benutzen. Er würde seiner Freundin schaden und nicht mir. Das allein brachte mich schon zum Grinsen. Und da ich zwei Treppenstufen über ihm stand, hatte ich auch die bessere Position hier. Ich blockte einen neuen Schlag seiner Sense mit dem Dolch und schickte eine Ladung Strom in ihn hinein. Sein Körper zuckte. Ich nutzte das aus, holte mit dem Fuß aus und trat ihm gegen die Brust. Er verlor das Gleichgewicht und krachte rücklings die Treppe herunter. Seine Sense ratterte ihm hinterher. Ich sprang hinterher und nahm sie in die Hand, bevor sie sich weiter von mir entfernen konnte, und lehnte sie gegen die Wand, damit sie keinen Krach verursachte. Shu lag unten an der Treppe und ächzte, richtete sich wieder auf und hielt sich den Rücken. Ich stieg langsam zu ihm herunter. "Steh mir nicht im Weg." knurrte ich ihn an. Er sah mich angsterfüllt an. Er war unbewaffnet. Wie schade. "Tu mir nichts!" rief er. Ich verengte die Augen. "Im Gegensatz zu euch bringe ich niemanden um." sagte ich, bevor ich ihm das Knie in den Bauch rammte und ihm dann, als er sich krümmte, den Dolchgriff gegen den Kiefer donnerte. Er brach zusammen. Ich steckte die Waffe wieder weg und ging die Treppe wieder nach oben, um meinen Körper zu holen, bevor ich mich wieder umdrehte. Ich legte eine Hand an die Klinke der Tür und wollte sie öffnen. Verdammt... sie war abgeschlossen. Ich stöhnte genervt und drehte mich zu Shu. Der Typ war eben von dort gekommen, also hatte er wohl einen Schlüssel. Ich lud meinen Körper wieder ab und fing dann an, danach zu suchen. Ich fand einen Schlüsselbund an seinem Gürtel und probierte sämtliche Schlüssel an der Tür aus, bis ich einen fand, der passte. Ich schob die Tür auf. 

Pokémon: Subconscious MindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt