Kapitel 4

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Nein. Du bist nicht verrückt." Psiana kam näher. „So etwas kann man sich nicht einbilden. Vor Allem bilde ich mir nicht so schnell Dinge ein!", „Oh." Das war das einzige, was mir dazu einfiel. Nicht gerade viel, ich weiß. Psiana zuckte mit ihrem gespaltenen Schweif. „Solche Überfälle geschehen immer öfter... Nicht nur hier, sondern auch an anderen Orten. Die Alpollo verbreiten sich... Viele Pokémon sind bereits durch sie ums Leben gekommen. Sie zu bekämpfen... Das ist eine Sache, die an der Unmöglichkeit grenzt..." Ich sagte nichts dazu. „... Enekoro und Luxtra sind tot. Ihre Körper werden sich in die von Geistern verwandeln..." Tränen erschienen in Psianas Augen. Ich fühlte mich unbehaglich. Ich weiß nicht, wieso, aber ich konnte es nicht leiden, jemanden in meiner Nähe weinen zu sehen. Ich fühlte mich so hilflos. „Soll ich... dich alleine lassen?" Psiana sah mich an und schwieg. Als ich schon Anstalten machte, aufzustehen, schüttelte sie den Kopf. „Nein... bleib hier." Das überraschte mich jetzt ein wenig. Ich hätte gedacht, dass Pokémon und Menschen sich nicht leiden können. „...Wieso... hat das Alpollo dir deine Seele nicht genommen?" fragte sie nach einer Weile. „Bitte?" fragte ich. „Allen Pokémon hier hat es die Seele geraubt. Wieso nicht bei dir? Es schien so, als könnte es das nicht.", „Dann habe ich wohl keine Seele." sagte ich. „Das kann nicht sein.", „Ich dachte. Es gibt so einige Dinge, die möglich sind, von denen ich nie gedacht hätte, sie gehen. Naja... zugegeben, ich habe mein Gedächtnis verloren, deshalb..." Ich zuckte mit den Schultern. Es war mies, sich an nichts erinnern zu können, aber ich hatte mich in dieser kurzen Zeit irgendwie dran gewöhnt. „Es ist mir ein Rätsel.", „Da geht es dir wie mir." Ich stand auf. „Wer bist du?" fragte Psiana und sah zu mir auf. „Ich weiß es nicht." gab ich zurück. „Ich würde es nur zu gern herausfinden. Aber so lange, wie ich es nicht weiß... nenne ich mich Raito.", „Raito..." wiederholte Psiana. „Du bist einsam, nicht wahr? Ich kann es aus deinen Empfindungen ablesen.", „Was kannst du eigentlich noch alles?" fragte ich. „Nun, ich kann Gedanken lesen. Das ist das einzige, was ich kann. Abgesehen von meiner damit verbundenen Telepathie." Ich nickte wortlos. „Was machen wir jetzt?", „Wir sollten von hier verschwinden. Wenn die Pokémon hier sich in Geister verwandeln, werden sie uns angreifen. Dieser Ort ist nicht mehr sicher.", „Dann müssen wir wohl nach einem suchen, der es ist." murmelte ich. „Das sagst du so einfach..." sagte Psiana. „Du hast doch gar keine Ahnung von diesem Ort hier." Das stimmte allerdings. „Okay, hast du einen Vorschlag?" brummte ich. „Naja... wir könnten es zunächst einmal mit dem See der Klarheit auf der anderen Seite des Waldes probieren. Er ist die letzte Station vor dem großen Felszahnkliff.", „Hrm." machte ich. „Dann mal los... In welche Richtung liegt das?", „Folge mir." Psiana setzte sich in Bewegung und lief voraus. Ich lief ihr hinterher, mit den Händen in den Hosentaschen. Wieso half Psiana mir? „Du hast mich gerettet." antwortete sie mir auf meine Gedanken. „Wärst du bitte so nett, damit aufzuhören?" fragte ich. „Ich meine, ich find's super und alles, aber ich würde doch gern meine Gedanken für mich behalten." Psiana erwiderte nichts darauf. Hoffentlich war sie jetzt nicht beleidigt...

Wir betraten den Wald, der bereits in leichtem Dämmerlicht lag. Die Schatten der Bäume waren lang. Wenn uns hier jetzt etwas anspringen würde, dann wäre das einzige, was ich tun könnte, mir einen fetten Ast zu schnappen und ihn dem Angreifer auf den Schädel zu donnern. Zugegeben, das sähe kein bisschen heldenhaft aus sondern eher wie ein verzweifelter Versuch, den Gegner zu verjagen. Ich seufzte. „Was ist los, Raito?" Ich zuckte zusammen, als Psiana mich mit diesem Namen ansprach. „Eh... nichts. Ich... fühle mich nur ziemlich nutzlos. Was sollte ich in einem Kampf schon tun können?", „Es stimmt, dass du nicht viele Möglichkeiten hast. Aber... Du hast ja selbst erlebt, was du erreichen konntest, als du im Körper eines Pokémon warst, stimmt's?" Ich zuckte mit den Schultern. „Das meiste war intuitiv.", „Nichtsdestotrotz, du warst stark. Vielleicht gelingt dir das wieder." Ich sah nur zur Seite. „..."

Nach einer Weile brach die Dunkelheit herein und ich konnte kaum noch was sehen. „Wie weit ist es noch?" fragte ich. „Noch etwa eine Stunde. Wir können jetzt nicht anhalten, Raito. In der Nacht erwachen die Geister zum leben.", „Aber ich seh nichts mehr.", „Versuch es einfach." Sie lief weiter. Sie hatte leicht reden. Sie konnte ja noch was sehen. Seufzend versuchte ich, mir einen Weg durch die Bäume zu bahnen, was mir aber so ziemlich misslang, weil ich ständig gegen tiefhängende Zweige lief, mit der Schulter gegen ihre Stämme stieß oder über ihre Wurzeln stolperte. Es dauerte nicht lange, bis mein Fuß hinter einer hochragenden Baumwurzel hängen blieb und ich der Länge nach hin krachte. Ich fluchte. „Das führt doch zu nichts." murrte ich. Ich rappelte mich auf und sah mich um. „Psiana?", „Ich bin hier." Etwas leuchtete ein gutes Stück entfernt auf und ich erkannte Psianas Kristall. Ich lief darauf zu. „Kannst du den anlassen? Dann kann ich zumindest sehen, wo ich hinlaufe.", „Ungern. Das würde noch finsterere Gesellen herlocken.", „Langsam hasse ich es, ein Mensch zu sein." knurrte ich. Psianas Licht erlosch und sie lief weiter. Ich konnte ihre Präsenz nur noch erahnen, wenn ich Zweige knacken und Blätter rascheln hörte. Ich selber war so laut wie ein Windstoß. Ich konnte den Lärm ja auch nicht dämpfen, denn ich sah ja nichts. Im nächsten Moment blieb ich an einem Dornenstrauch hängen, der meine Strickjacke in Mitleidenschaft zog. Die Dornen kratzen über meine Haut und ich spürte, wie sie feine, aber tiefe Kratzer hinterließen. Ich riss mich los und spürte, wie Blut über meinen Arm lief. Na wunderbar. Ich zog meine Strickjacke schnell aus und band sie mir um die Hüfte, denn ich wollte nicht, dass das Blut sie unbrauchbar machte. Bald lichtete sich der Wald und wir erreichten eine Ebene. Ich vermutete, dass es so was, wie eine Weide war. Als der Mond hinter einer dunklen Wolke hervorkam, konnte ich wenigstens etwas sehen. Das hier war keine Weide, sondern ein hohes Grasland. In der Ferne funkelte im Dunkeln ein See. „Da ist es." sagte Psiana. „Da ist der See der Klarheit.", „Endlich." murmelte ich. „Ich sehe bestimmt schon so aus, als hätte mich eine Katze überfallen." Psiana sah mich an. „Du blutest.", „Ist nichts schlimmes. Nur ein Dornenbusch.", „Oh, da wäre ich mir nicht so sicher. Manche Dornen sind giftig.", „Und das sagst du mir jetzt erst?!" meine Stimme überschlug sich fast. „Tut mir Leid. Ich gehe Pirsifbeeren suchen." Sie verschwand im Unterholz. Na klasse, jetzt ließ sie mich auch noch allein. Seufzend ging ich zum See hinüber und ließ mich an dessen Ufer nieder. Ich zupfte mir Blätter und Zweige aus dem Haar. Dann strich ich abstehende Strähnen glatt und sah ins spiegelnde Wasser.

Pokémon: Subconscious MindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt