Kapitel 15

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Ich löste meinen Blick vom Himmel und sah auf meine Arme. Der Schnitt, den ich mir selbst zugefügt hatte, hatte eine Schorfschicht angesetzt. Ich fuhr mit dem Finger an ihm entlang. „... Ich frage mich... was noch alles passieren wird. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Antworten auf diese vielen Fragen zu bekommen, die ich habe..." Ich seufzte. Ich musste heute schlafen, denn gestern konnte ich es schon nicht. Ich wusste, ich konnte mich nicht zum Schlaf zwingen, aber... ich musste es einfach tun. Ich brauchte genügend Kraft, um morgen weitergehen zu können und ich wollte mich nicht am Ende von Absol tragen lassen müssen, weil ich zu müde war. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen und kaum geschlafen und ich fragte mich, ob das so gut gewesen war. Mir fielen diese Träume wieder ein. Die Stimmen... sie kamen mir so bekannt vor. So vertraut. Und doch so fremd. Irgendwas wollten mir meine Träume sagen, aber ich verstand ihre Botschaft nicht. Ich seufzte. Schon wieder dieses Gegrüble... Ich hatte so langsam das Gefühl, dass ich einfach aufgeben sollte, irgendwelche Erklärungen für etwas zu finden, was ich eh nicht erklären konnte, also warum ließ ich es nicht einfach sein? Ich lehnte meinen Kopf gegen die Rinde des Baumes und schloss die Augen. Ich spürte den Wind, der langsam aufkam. Ich hörte das Zirpen von einigen Zirpurze und das Plätschern des Flusses. Es beruhigte mich ein wenig und nahm mir die Angst vor dem Schlaf. Die Angst vor meinen Träumen. Die Angst, vollkommen in den Wahnsinn zu fallen. Ich ließ mich einfach in den Schlaf sinken. 


Piep. Piep.
Es begann schon wieder. Ich hatte darauf nur warten können, das es wieder geschah.
Piep. Piep.
Ich hatte schon Angst, mich an diese Art von Traum zu gewöhnen. Diesmal war der Piep- Ton sogar etwas dumpf, so dass es auszuhalten war.
Piep. Piep.
Diesmal sah ich kein Bild. Ich hörte nur Stimmen.
„Ich habe mir seine Akte durchgelesen." sagte eine Stimme. „Er war in Therapie wegen DIS?", „Da war er noch kleiner..." antwortete die Stimme der Frau, die ich bereits von vorigen Träumen kannte. „Das Syndrom trat in letzter Zeit nicht mehr so stark auf...", „Verstehe. Er hat unter anderem auch Schlägereien angezettelt... War er auch deswegen in Therapie?", „Unter anderem. Aber er hat gesagt, dass er sich nicht daran erinnern kann, jemals einen anderen Schüler aus der Grundschule verletzt zu haben. Er sagt, dass Aizen daran schuld ist.", „Wer ist Aizen?", „So nennt er... seine andere Seite." antwortete die Frau. „Also ist Aizen die „böse" Seite von ihm.", „Kann man so sehen..." Die Frau seufzte. „Aber er kam in den letzten Jahren nicht mehr zum Vorschein. Die Therapie hat wohl etwas bewirkt...", „Ich fühle mit Ihnen." sagte die fremde Stimme. „Im Moment ist sein Zustand noch stabil. Solange das so bleibt, denke ich, dass wir eine gute Chance haben werden, ihn zu heilen. Nicht vollständig, versteht sich. Aber zumindest teilweise.", „Das würde mir viel bedeuten..." antwortete die Frau.
Piep. Piep.
Okay, Moment. Ich hatte irgendwo im Gespräch den Faden verloren. Wer war dieser Aizen, zum Teufel noch mal, und was war DIS? Eine Krankheit? Hörte sich zumindest so an. Fragen über Fragen, die in meinem Kopf rum schwirrten und die, mal wieder, ohne Antwort verklangen. Ich begann, diese Situation echt zu hassen. Ich hasste es einfach nur aus tiefstem Herzen, dass ich nur Fragen hatte aber keine Antworten bekam!
Der Traum endete und ich wurde wach, als jemand mich anstupste. Ich zuckte zusammen und riss erschrocken die Augen auf. Psiana saß vor mir. „Ich bin's nur." sagte sie. „P-Psiana... Erschreck mich nicht so!", „Tut mir Leid. Du hast geschlafen. Wenigstens das. Hast du Hunger?" Nein, hätte ich fast gesagt, aber ich besann mich des Besseren. „Ja." sagte ich nickend. „Super. Absol ist auf der Suche nach was zu Essen. Komm mit runter zum Fluss. Du solltest endlich das ganze Blut von deinen Armen waschen." Ich sah auf meine Arme. Stimmt. Das Blut war zwar getrocknet, aber noch deutlich erkennbar. Ich nickte, stand auf und folgte ihr hinunter zum Flussbett. Dort kniete ich mich nieder und spülte mit Wasser das getrocknete Zeug von meinen Armen. Anschließend spritzte ich mir noch welches ins Gesicht und trank schließlich auch noch etwas, bevor ich wieder aufstand. „Besser?", „Viel besser." Psiana lächelte. Absol tauchte auf und hatte Zweige voller Beeren im Maul. „Maronbeeren?" fragte Psiana. Absol nickte und ließ sie fallen. „Hervorragend." Psiana schob mir meine Ration zu und ich begann, die Beeren zu essen. Den Geschmack nahm ich kaum wahr, zu sehr wurde ich von meinen eigenen Gedanken abgelenkt.
Ich schreckte auf, als Psiana mich wieder anstieß. „Hey, Raito. Du bist ja so abwesend.", „Entschuldigung." sagte ich und nahm mir vor, bei der Sache zu bleiben. „Ich... hab geträumt. Können wir weiter?" Absol nickte und drehte sich um. Wir folgten ihm wieder, wie immer.


Wir verließen den Wald und folgten weiter dem Fluss. Als die Sonne schon hoch oben stand, ließ ich mich auf einem Stein nieder. „Ich brauch 'ne Pause." sagte ich unvermittelt. Absol sah sich um. „Gute Idee!" Psiana sprang neben mich auf den Stein und legte sich hin. „Kannst du mich kraulen, Raito?" Ich sah sie etwas irritiert an. „Ehm... klar?" Ich begann, sie mit spitzen Fingern hinter den Ohren zu kitzeln und sie begann, leise zu schnurren. Absol setzte sich ins Gras, mit dem Blick starr auf uns gerichtet. Er hatte heute noch gar nichts gesagt und das gab mir ehrlich gesagt zu denken, aber ich vermutete, dass er einfach keine Ahnung hatte, was er sagen sollte. Oder er war einfach zu müde. Ich für meinen Teil dachte daran zurück, dass uns im Wald kein Pokémon angegriffen hatte. Hatten sie unsere Gegenwart nicht bemerkt oder hatten wir sie bloß nicht gestört?
Nach einer Weile drängte Absol zum Aufbruch. Er meinte, dass wir auf freiem Feld eher Angriffsziele wären, als wenn wir in irgend einem Wald oder so waren. Da stimmte ich ihm zu. Ich dachte genau dasselbe.
Als der Abend dämmerte, erreichten wir einen See. Er schien Teil eines ganzen Seenringes zu sein, der sich über die Ebene erstreckte. Die Seen umgaben eine Quelle, deren Wasser wie ein Brunnen sprudelte. Um die Seen herum fanden wir große Hügel, in deren Inneren Höhlen führten. Sie schienen nicht bewohnt zu sein, also ließen wir uns in einer davon nieder. „Der Ort hier ist schön." sagte Psiana. „Wenn ich mich nicht täusche, wird er des öfteren „Kreis der sieben Seen" genannt..." Sie seufzte. „Man sagt, nachts kämen Illumise und Volbeat her und die Seen leuchten vom reflektierten Licht..." Ich sah zu ihr. Sie wirkte verträumt und traurig zugleich. „Vielleicht können wir eine Weile bleiben." meinte ich. Psiana zuckte mit den Ohren. „Hoffentlich..."

Pokémon: Subconscious MindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt