Kapitel 17

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Als wir die Steilküste endlich verließen und eher wieder landeinwärts gingen, fiel die Spannung von mir ab. Ich verstand immer noch nicht, warum ich so eine Panik da oben hatte, aber es gab sicher eine Erklärung dafür. Mir das einzureden, war eine Art, mich zu beruhigen. Eine nicht sonderlich zufriedenstellende, aber eine wirkungsvolle.
Wir kamen an einem Bach an, dem wir folgten. Der Grund war steinig, sofern ich das erkennen konnte. Als der Bach sich verlor, beschlossen wir, anzuhalten. „Es ist besser, wenn wir vorerst hierbleiben. Hier haben wir zwar keine Deckung, aber einer von uns könnte ja dann Wache halten." meinte Absol. Ich nickte. „Klingt machbar. Ich übernehme die erste.", „Nein. Ich übernehme die erste." Absols Stimme ließ keinen Widerspruch zu. „Aber wieso denn?" fragte ich. „Du, mein lieber Freund, siehst aus, als würdest du unter Schlafmangel leiden. Also schläfst du gefälligst auch, bis ich dich wecke. Klar?" So viel Schärfe verschlug mir fast die Sprache. Also nickte ich nur und legte mich ins Gras. Wieso behandelte Absol mich wie ein Kleinkind? „Er will dich wohl schonen." antwortete Psiana auf meine Gedanken und es war mir egal, dass sie es tat. So konnte ich mich wenigstens mit ihr unterhalten, ohne, dass Absol es mitbekam. Also ließ ich es zu. Außerdem wagte ich, anzuzweifeln, dass Absol mich „schonen" wollte. Das sähe ihm gar nicht ähnlich. „Oder vielleicht möchte er einfach nur, dass du dich erholst." meinte Psiana schließlich. „Hm." Ich seufzte. Vielleicht. Und jetzt erst bemerkte ich auch, wie müde ich war. Zum ersten Mal seit zwei Tagen war ich wirklich müde. „Gute Nacht." sagte ich daher und rollte mich auf die Seite. Ich schloss die Augen und blendete alles andere aus. Bald war ich dann wirklich eingeschlafen. 

Piep. Piep.
Ngh. Nicht schon wieder.
Piep. Piep.
Was mich wunderte, war, dass ich letzte Nacht gar nicht geträumt hatte. Oder ich hatte es vergessen.
Piep. Piep.
Ich musste das hier wohl über mich ergehen lassen. Ich gewöhnte mich eh schon zunehmend daran. Auch, wenn diese verflixten Träume mehr Fragen als Antworten lieferten.
Piep. Piep. 
Das Piep- Geräusch war wieder lauter und ich hasste es immer noch. 
Piep. Piep. 
Diesmal sah ich wieder nichts. Ich hörte nur wieder Stimmen. „Wie kam es denn dazu, dass er... diese Störung entwickelt hat?" hörte ich eine fremde Stimme fragen. „Naja... Sie bildete sich aus, als er... neun war? Naja, damals hatte er einen einzigen Freund in der Grundschule. Sein Name war Kanato... Sie haben sich immer so super verstanden." antwortete die Frau. Ich vermutete jetzt einfach mal, dass sie die Mutter der Person war, die da im Bett lag, denn sie schien immer da zu sein. „Und weiter?", „Naja... Sofern wie ich das verstanden hab... hat er einen Anruf von Kanato bekommen. Er hat gesagt, dass er ihn an der Steilküste von Petrophia treffen möchte. Also ist er hin gegangen... Beziehungsweise, er ist mit Fahrrad hingefahren. Als sie sich getroffen hatten, hatte Kanato ihm wohl erzählt, dass er... Suizid begehen möchte.", „Suizid? Warum denn das?", „Kanato schien gemobbt worden zu sein, wenn mein Sohn nicht bei ihm oder in der Schule war. Und das ziemlich hart.", „Verstehe... Erzählen sie weiter.", „Auf jeden Fall hat er versucht, Kanato dazu zu überreden, den Quatsch sein zu lassen. Aber Kanato wollte ihn wohl nicht auch noch weiter da rein ziehen und ihn zur Zielscheibe machen... Er wollte sich noch von ihm verabschieden, weil er sein bester Freund war. Dann ist er von der Klippe gesprungen."
Moment mal... Suizid? Von einer Klippe gesprungen? 
„Und dann...?" bohrte der andere weiter. „Naja, er ist zum Klippenrand gegangen, weil er gehofft hatte, dass Kanato den Sprung irgendwie überlebt hat. Aber Kanato hat es nicht überlebt. Ich denke, als er Kanato so gesehen hat... ist er durchgedreht. Auf jeden Fall hat er es mir erst später erzählt. Als er nach Hause kam, hat er sich schnell in seinem Zimmer verschanzt, wollte nicht mal essen. Ich hatte gedacht, die beiden hätten sich gestritten... Aber dann kam am nächsten Tag ein Anruf von einer Lehrerin, die mir erzählt hat, dass... er auf einen Mitschüler losgegangen ist. Das war sehr, sehr untypisch für ihn, also habe ich ihn zur Rede gestellt. Aber er sagte, er könnte sich daran nicht erinnern. Danach hat er mir das mit Kanato erzählt... Und dass er seit dem so eine rasende Wut in sich hat.", „Tragisch... Das bedeutet dann wohl, dass er sich in dem Moment aufgespalten hat, als sein Freund sich selbst umgebracht hat. Wahrscheinlich hat er nach Vergeltung gesucht..." Was weiter geredet wurde, verstand ich nicht, denn ich wurde aus dem Schlaf gerissen.
Ich schrak hoch und sah Absol neben mir. Er hatte mich wohl geweckt. „Soll ich?" fragte ich und Absol nickte. Ich bemerkte, dass es bereits tiefste Nacht war. Ich nickte Absol zu und setzte mich im Schneidersitz hin, während Absol sich zusammenrollte und einschlief.
Dieser Traum... er ergab einfach keinen Sinn. So gar keinen. Ich hatte erfahren, dass ein Freund von der Person im Bett von einer Klippe gesprungen war und die Person selbst runter gesehen hatte. Aber warum hatte ich dann diese Panikattacke? Das ergab doch überhaupt keinen Sinn! Ich hätte schreien können, so sehr ging mir das auf den Zeiger. Warum gab es in meinem blöden Hirn nicht irgend einen Restore- Knopf, den ich drücken könnte und alle meine Erinnerungen kämen zurück? Ich hasste es. Grrrr! Okay, ruhig bleiben. Ich durfte mich jetzt nicht allzu sehr da hinein steigern, das täte mir mit Sicherheit nicht gut. Ich musste mich darauf konzentrieren, Wache zu halten. Ich sah mich um. Dank der Sterne und dem Halbmond, der am Himmel leuchtete, konnte ich genug sehen. Ich liebte das Licht dafür, dass es mir den Weg wies. Das ging sicher nicht nur mir so. Aber... dennoch mochte ich die Nacht, weil sie mir die Sterne zeigte. Normale Wesen auf dieser Welt könnten niemals wissen, wie schön die Dunkelheit sein kann... Irgendwie hatte dieses Gefühl, die Umgebung nicht zu sehen, etwas... Nicht die Farben von Dingen zu sehen, wie sie erscheinen, sondern wie sie wirklich sind... Dieses stille, unbekannte und kalte hatte was. Da war etwas Unausgesprochenes über die Dunkelheit... Etwas, dem ich keine Worte zuordnen konnte. Etwas Unheimliches, aber dennoch Schönes... Sekunde. Woher zum Teufel kamen diese Gedanken? Ich war doch noch nie so nostalgisch wegen dem Sternenhimmel... oder? Ich meine, es ist doch merkwürdig, dass etwas so Düsteres so schön sein kann... Im Grunde waren die Sterne, die wir sahen, doch schon längst tot... Ich schüttelte den Kopf. Ich sollte mich konzentrieren, verdammt noch mal... Ich wippte leicht hin und her, als Wind aufkam. Ich genoss es. Der Wind säuselte leise und fuhr durch das hohe Gras. Das Rauschen, was dabei entstand, klang wie eine Melodie. Zwar konnte man den Wind nicht sehen, aber spüren. Und es fühlte sich gut an.  


Und? Immer noch keine Ahnung? Wenn ihr einen Verdacht habt, schreibt's unten rein!

Pokémon: Subconscious MindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt