Kapitel 7

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Piep. Piep.
Da war es schon wieder. Dieses Geräusch. Ich hatte es schon einmal in einem Traum gehört. Oder... war das überhaupt ein Traum gewesen?
Piep. Piep.
Dieses Mal hörte ich nicht nur dieses Piepen. Schritte hallten wie ein Echo von irgendwo her, Stimmen redeten wild durcheinander. „Wie ist sein Zustand?" hörte ich eine Stimme fragen, während eine andere Stimme versuchte, die anderen zu beruhigen. „Kritisch." kam eine Antwort. Dann sah ich etwas. Es war ein Raum. Er war klein. Ich sah alles ziemlich verschwommen und schattig, aber immerhin sah ich etwas.
Piep. Piep.
Eine Person lag auf einem Bett, ich konnte jedoch nicht erkennen, wie sie aussah. Neben dem Bett stand ein Gerät, auf dessen Monitor seltsame Linien zu erkennen waren. Ich sah noch mehr Leute in weißen Kitteln und drei andere Menschen. Sie schienen keine weißen Kittel zu tragen. „Wird er wieder gesund?" fragte eine weibliche Stimme, sie klang weinerlich. „Das kann ich Ihnen noch nicht sagen, Miss." antwortete eine andere Stimme. „Wir tun unser Bestes, um seinen Zustand stabil zu machen, aber er hat gebrochene Rippen und seine Wirbelsäule hat es auch nicht überlebt. Sie ist an mehreren Stellen gebrochen. Zudem hat er innere Blutungen, eine Platzwunde am Kopf, Quetschung der Lunge, einen gebrochenen Arm... Wenn wir Pech haben, hat eine Rippe seine Lunge verletzt. Knochensplitter haben sich in seine Muskeln und sein Gewebe gebohrt. Insbesondere im Rückenbereich. Ich kann nur wiederholen, wir tun unser Bestes, aber Versprechen kann ich Ihnen leider nichts. Machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen... Er wird bleibende Schäden davon tragen, sollte er wieder gesund werden." Ein Wimmern folgte. Von wem in aller Welt redeten sie da? Das hörte sich echt nicht gut an. „Sehen Sie das EKG?" fragte dieselbe Stimme.
Piep. Piep.
Ja..." folgte eine schniefende Antwort. „Sein Herz schlägt schwach, aber noch schlägt es. Solange er nur im Koma ist, haben wir eine Chance, ihn zu heilen." Die Stimmen verstummten. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Von wem war da die Rede? In dem Moment schwand ich dahin und schrak aus dem Schlaf hoch... und wurde sogleich von der Sonne geblendet. Ich wandte sofort den Blick ab und kniff die Augen zusammen. Psiana war nicht da. Ich fegte Grashalme von meinen Klamotten und strich meine zerwühlten Haare glatt. Ich musste schrecklich aussehen. Der Traum von heute Nacht gab mir zu denken. Was war das gewesen? Die weinerliche Stimme kam mir ziemlich bekannt vor, aber ich hatte keine Ahnung, wem sie gehören mochte. Drecksgedächtnis, fluchte ich innerlich. Wie auch immer, ich hatte keine Zeit, mich über mein Gedächtnis aufzuregen oder über diesen merkwürdigen Traum nachzudenken. Wir mussten weitergehen. Ich beschloss, hier auf Psiana zu warten. Nach einer Weile kam sie zurück. Sie trug Äste mit Beeren in ihrem Maul. „Ich habe ein paar Sinelbeeren gesammelt. Es ist kein besonders üppiges Frühstück, aber besser als nichts." Sie legte die Zweige vor mir hin. „Wir teilen uns das.", „Nein, nein, ich hab schon gegessen. Die sind allein für dich.", „Oh, eh... dann, danke." Ich zupfte die blauen Beeren von den Zweigen und aß sie. „Du siehst schrecklich aus, Raito." meinte Psiana. Ich nickte. „Dacht ich's mir doch..." Ich seufzte. Das Blut an meinem Arm war getrocknet und Schorf hatte die Kratzer überdeckt, die die giftigen Dornen hinterlassen hatten. „Jeez... Das muss ich unbedingt abwaschen." stöhnte ich. „Wir werden das Felszahnkliff überqueren. Ich weiß nicht, was jenseits der Felsen liegt." erklärte Psiana mir. „Es ist eine Grenze zwischen diesem Land und einem anderen. Sollten wir es erreicht haben, sind wir in Sicherheit. Wir müssen herausfinden, warum die Geister so etwas tun und wie man sie aufhalten kann...", „Klingt... anstrengend." kommentierte ich. „Wie heißt dieses Land hier eigentlich, wenn ich fragen darf?", „Atrana." antwortete Psiana. „Und das, in das wir reisen werden, nennt sich Ucrea.", „Hmmh..." murmelte ich. „Okay. Und wie lange brauchen wir, um den Felsenkamm zu überqueren?", "Ein paar Tage bestimmt." Ich sah sie an. "Ein paar TAGE?!" Sie nickte und ich seufzte. "Sheesh, warum wundert mich das eigentlich." Ich stand auf. "Naja, worauf warten wir dann noch?" Psiana zuckte mit dem Schweif. "Auf gar nichts, wir..." plötzlich hielt sie inne. Ich bemerkte, dass ein Schaudern über ihren Rücken lief. "Was hast du?" Ich folgte ihrem Blick, der plötzlich wie eingefroren erschien. Und dann sah ich, warum sie zitterte. In ein paar hundert Metern Abstand... stand Absol. Sein Fell wehte im lauen Wind und es sah zu uns- oder, besser gesagt, zu mir. Es sah mich an und seine blutroten Augen verursachten ein mulmiges Gefühl in meiner Magengegend. Es war super gruselig. Wenn es mich anstarrte... hieß das, dass mir ein Unglück passieren würde? Plötzlich drehte Absol sich um. Es warf noch einmal einen Blick über seine Schulter zu mir, bevor es davonlief. "Ein Absol..." flüsterte ich. Psiana nickte. "Raito..." Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, dem Pokémon zu folgen. Ich musste herausfinden, was passieren würde. Wenn es mich betraf, und ganz egal was es war, dann war mir egal, dass es geschah. Aber ich wollte wissen, was es war. "Psiana... Ich gehe ihm nach." sagte ich. Sie sah mich mit geweiteten Augen an. "Bist du wahnsinnig?", "Ja." sagte ich. "Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht möchtest, aber ich gehe." Psiana sah mich unschlüssig an. "Du... hast echt einen krankhaften Todeswunsch, Raito...", "Ich bin mir nicht sicher." antwortete ich. "Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Absol... naja, böse ist.", "Wie meinst du das?", "Es sieht einsam aus." sagte ich. Mit diesen Worten rannte ich los. "Raito, warte!" rief Psiana und flitzte mir überstürzt hinterher. Ich konnte Absol nicht mehr sehen, aber ich wusste, dass es in dieser Richtung davon gelaufen war. Nach einer Weile erreichten wir eine Höhle im Fels. Sie wirkte dunkel und uneinladend, von der Decke des Eingangs hingen Stalagtiten herunter und auf dem Boden waren Stalagmiten zu sehen. Sie sahen aus wie die Reißzähne eines Monsters. Ich blieb stehen. Psiana legte die Ohren an. "Ich wusste nicht, dass es hier eine Höhle gibt." sagte sie. "Und es wundert mich nicht, wenn niemand sie je betreten hat, so creepy wie es da drinnen aussieht..." murmelte ich. "Wenn einer dieser Stalagtiten runterfällt, dann..." begann Psiana, aber ich schüttelte den Kopf. "Ich vertraue darauf, dass es nicht passiert. Sie sind schließlich Steine und keine Eiszapfen..." Ich atmete tief ein und aus. Ich scheute mich davor, da reinzugehen, denn ganz so sicher, wie ich mich gab, war ich im Endeffekt doch nicht. Aber es war schließlich meine Idee, hierher zu kommen, also musste ich jetzt auch da rein. Ich zögerte noch kurz, dann ging ich in die Höhle hinein. Psiana folgte mir dicht auf den Fersen.

Pokémon: Subconscious MindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt