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Jill's Fingerspitzen glitten über den Sprung in dem kleinen Spiegel an der kahlen weißen Wand. Sie spürte die winzigen Splitter an ihrer Haut kratzen und ließ die Hand wieder sinken. Sie hatte immer das Bedürfnis alles anzufassen. Baumrinde, Mauern, Stoff, Davut's Haut...
Langsam setzte sie sich auf den Rand der Badewanne und strich sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Haar war dunkelblond, hart an der Grenze zu hellem braun. Sie hatte oft darüber nachgedacht sie zu färben, etwas mehr blond oder braun, doch sie wusste wie gern Davut ihre natürliche Farbe mochte, deshalb ließ sie es bleiben.
Ihre eisblauen Augen funkelten ihr im halbdunkeln aus dem Spiegel entgegen. Davut hatte einmal gesagt, sie wären manchmal so kalt, dass man das Gefühl hatte sie wären aus zersplitterndem Eis und manchmal waren sie so warm und liebevoll, dass man stundenlang hineinstarren konnte wie in einen ruhigen See.
In diesem Moment tauchte er in der Tür auf und lächelte ihr kurz zu, bevor er sich ebenfalls im Spiegel betrachtete, nur in Jogginghose.
Jill versuchte ihn zu ignorieren und in Ruhe ihr Haar zu bürsten, doch dann stand sie doch auf. Sie stellte sich hinter ihn, schlang ihre Arme um seine Hüfte und betrachtete ihn ebenfalls im Spiegel, ihr Gesicht hinter seiner Schulter versteckt. Nur ihre Augen funkelten hervor.
Davut musste lächeln.
"Was ist das nur mit deinen Augen? Die sind der Wahnsinn Jill."
Sie musste ebenfalls lächeln und trat neben ihn, ihre Finger mit seinen verschränkt.
Er dreht sich zu ihr und legte seine Hände an ihre Taille. Sanft strich sie mit den Fingerspitzen über eine Narbe entlang seiner Rippen, genauso wie sie vorhin über den Sprung im Spiegel gestrichen hatte.
Davut legte eine Hand unter ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste. "Ich liebe Dich. Das weißt du oder?"
Jill nickte. "Ich liebe Dich auch", antwortete sie. Er legte kurz seine Lippen auf ihre, dann sah er auf.
"Wir werden einen neuen Spiegel brauchen, hm?"schmunzelte er.
Jill schmunzelte ebenfalls.
"Ja, vielleicht. "
Sie beide sprachen nicht aus, dass sie erstmal sehen mussten ob das Geld für sowas reichte.
Jill kellnerte in einem Diner und Davut..darüber sprach sie nicht gerne.
Davut hatte sich der anderen Seite des Gesetzes zugewandt.
Anfangs hatte er immer versucht ihr etwas anderes zu erzählen, doch Jill war nicht blöd.
Sie hatte gemerkt, dass da was nicht stimmte. Wie an ihrem einen Geburtstag, als er ihr nichts schenken konnte, weil das Geld so knapp war. Und zwei Wochen später war er als Wiedergutmachung mit ihr ans Meer gefahren. Einfach so. Als ob sie nichts gemerkt hätte. Ständig war das Geld knapp und dann auf einmal war das Konto wieder voll.
Sie wusste, dass Davut und seine Kumpels den ein oder anderen Raub in ihre voll beschäftigten Tage einschoben.

"Wann hört das auf?" fragte sie ihn jedesmal wenn er wieder spät in der Nacht nach Hause kam und sie kreidebleich auf dem Bett saß, mit abgekauten Fingernägeln und wieder einmal auf ihn wartete.
"Ich weiß nicht. Aber ich hoffe bevor ich draufgehe", antwortete er und nahm sie in den Arm bis sie sich beruhigt hatte und schlafen konnte.
Jedes verdammte Mal.

Und Jill hatte keine Ahnung wie lange sie das noch mitmachen konnte. Sie hatte es cool gefunden. Anfangs. Bis er das erste Mal verhaftet worden war und sie Angst hatte. Angst, dass er in den Knast müsste.

Wenigstens hatte sie keine Familie die auch noch auf sie einreden konnte.
Sie hatte ihm schon einmal gedroht ihn zu verlassen, doch als er in der selben Nacht mit blutigem Gesicht nach Hause kam, hatte sie ihn verarztet. Und war wieder in seinem Arm eingeschlafen.

Jill vergrub ihr Gesicht an seinem Hals und versuchte die Welt für eine Sekunde auszublenden.
Davut schien das selbe zu versuchen, denn er schwieg und hielt sie einfach nur fest.
Er wusste woran sie dachte, das war ihr klar. Er wusste fast immer was sie dachte.
"Ich krieg das schon hin Baby. Versprochen. Ich krieg das hin", murmelte er in ihr Haar.
Sie schluckte und nickte.
"Vertraust du mir?" fragte er.
Jill zögerte eine Sekunde.
Dann sah sie zu Boden und nickte.
"Ich..Ja. Ja, tu ich."
"Und ich vertraue dir. Versuch, nicht immer alles in Frage zu stellen okay? Ich weiß schon was ich tue."
"Davut", sagte sie leicht fassungslos. Unbewusst krallte sie ihre Finger in seine Brust.
Er verzog das Gesicht.
"Du gehst noch drauf wegen der Scheiße!"rief sie. Eigentlich war sie zu müde zum Streiten, doch es regte sie wirklich auf.
Davut wandte sich seufzend ab.
"Hey! Sieh mich an wenn ich dich anbrülle", sagte sie etwas sanfter. Ihr Handtuch war zu Boden gerutscht und sie bückte sich um es aufzuheben.
Davut betrachtete ihren halbnackten Körper eine Sekunde.
"Du hast abgenommen", stellte er fest.
Seine Freundin zuckte nur mit den Schultern.
"Und wenn. Essen ist teuer."
"Jill", sagte er flehentlich. "Ich weiß wir haben nicht viel, aber du musst bitte was essen!"
"Wir haben genug okay? Wir haben uns", entgegnete sie genervt.
Ein Hustenanfall zwang sie in die Knie. Sofort ging Davut neben ihr in die Hocke, lehnte sich an die Wand und zog sie in seinen Schoß.
Jill hatte ständig Probleme mit der Lunge. Allein in der Zeit in der sie und Davut schon ein Paar waren hatte sie mehrere Lungenentzündungen und sogar eine Lungenembolie gehabt.
Davut war tagelang im Krankenhaus bei ihr gesessen und hatte ihre Hand gehalten, wofür sie ihm bis heute dankbar war.
Sie beide hatten bei jedem Husten, jeder Erkältung sofort Angst vor einem Lungenkollaps.
Angst, dass sie Schmerzen hatte. Angst, dass sie sterben könnte.
"Dieser Scheiß Husten", murmelte sie und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals.
" Tut's immer noch weh?"
"Ja."
"Wie wärs mit Arzt?"
"Bist du bescheuert? Am Ende hab ich Lungenkrebs, weißt du was das kostet?"
Davut musste lachen.
"Du..bist einfach unglaublich."
Sie schmunzelte.
Dann strich sie ihm sanft über die Wange und setzte sich rittlings auf seinen Schoß.
"Was ist eigentlich mit der Musik? Wolltet ihr das nicht machen? Dann müsstest du vielleicht nicht.. Tun was du eben tust."
"Kriminell sein?"sagte er trocken.
Sie nickte, vermied es jedoch ihm in die Augen zu sehen.
"Ich arbeite dran", sagte er leise.
Sie lehnte ihre Stirn an seine und schloss die Augen. Er tat es ihr gleich und einige Sekunden herrschte Schweigen.
"Würdest du mich mehr lieben wenn ich's nicht wäre?" fragte er plötzlich.
Sie zögerte nicht eine Sekunde.
"Ich glaube nicht dass das noch möglich ist Askim, aber.."
"Jilly, sieh dich mal um. Du bist alles was ich habe. Lass mich nicht allein ja? Ohne Dich schaffe ich es erst Recht nicht."
"Dav, du bist auch alles was ich habe mann! Alles was ich will und alles was ich brauche. Du bist der einzige Mensch auf der Welt der mir was bedeutet, du weißt, ich werde dich nie im Stich lassen."
Sie schluckte und eine Träne rann über ihre Wange.
"Ich liebe Dich du Vollidiot", flüsterte sie und küsste ihn.
Er erwiderte den Kuss eine Weile lang, dann ließ er sie los und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
"Ich liebe Dich auch Jill. Mehr als alles andere", sagte er ernst.
"Ich krieg das hin."
"Versuch einfach..versuch einfach zu verhindern, dass wir draufgehen, okay?"
"Jill. Dir wird niemals etwas passieren wegen dem was ich tue. Nicht so lange ich lebe. Versprochen."
"Okay", flüsterte sie.

"Komm. Es ist schon spät und du musst morgen früh raus", sagte er sanft. Jill seufzte und vergrub wieder ihr Gesicht an seinem Hals. Er seufzte ebenfalls und schaffte es irgendwie aufzustehen. Sie schlang ihre Beine um seine Hüfte und sah auf.
"Was mach ich bloß mit dir, hm?" schmunzelte er.
Sie strich ihm durchs Haar.
"Küssen? Flachlegen? Heiraten?" schlug sie feixend vor.
Er küsste sie grinsend auf die Wange und ließ sie dann aufs Bett plumpsen.
"Schlaf Gut, Jiji.Ich liebe Dich", sagte er.
Sie kuschelte sich an seine Brust.
"Du auch Dav. Ich liebe Dich auch."
Er gab ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und zog sie an sich.
"Alles wird gut. Ich versprech's."

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