Wiedersehen

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Kapitel 14
Luna
Luna sah sich in dem kleinen exklusiven Laden um, der Öl-, Acryl- und Aquarellfarben verkaufte bei dessen Preisen ihr schwindlig wurde. Währenddessen lief Veronika zügellos hindurch und warf wahllos dutzende Blöcke, Farben und Pinsel in den kleinen Einkaufskorb, den Luna für ihre Mitbewohnerin am Arm trug. Veronika verhielt sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten, während sie sich über ernste Themen unterhielten. „Drogen? Bist du sicher?", fragte sie, als Luna ihr alles von der Nacht im Club erzählt hatte, was sie wusste. Und das war leider nicht viel. Zed und Cole hatten eine Droge erwähnt die sie „Dornröschen" nannten, sofern ihr Gedächtnis ihr keinen Streich spielte.
„Ich weiß auch nicht mehr. Ich war ziemlich benebelt und habe keine Ahnung, was dabei herausgekommen ist", gab sie etwas kleinlaut zu und wurde sich noch in diesem Moment bewusst, dass es ihr eigentlich nicht peinlich zu sein brauchte. Ja, sie war benebelt und das nicht nur von diesen Drogen, die sie offensichtlich ausgeschlafen hatte. Vor allem hatte sie danach keiner der eigentlich wichtigen Fragen gestellt, weil die benebelt vom Sex war.
„Benebelt? Moment. Nach oder während des Sex?", fragte Veronika etwas besorgt, aber Luna schüttelte schnell den Kopf und hätte Luna nicht für Veronika diesen Korb gehalten, der ein kleines Vermögen beherbergte, hätte sie zudem auch noch beschwichtigend die Hände gehoben.
„Davor. Und: nein! Sie haben mich nicht gezwungen. Als ich nicht mehr benebelt war haben mich andere Dinge benebelt." Oh Gott, sie lief immer noch rot an als sie das sagte. Aber Veronika grinste lediglich breit.
„Oh ja, das kann ich mir vorstellen. Und das Zeug war auf der Karte, die ich bekommen habe?" ersparte ihre Mitbewohnerin ihr weitere etwas peinliche Fragen – die ihr nicht peinlich sein sollten, aber so war es nun einmal. Lunas strenge Erziehung im Waisenhaus prägte sie noch immer und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sie diese Zwänge ablegen konnte. Ob es ihr überhaupt gelang, war schon fragwürdig.
„Ja, wenn ich mich richtig erinnere. Wer hat sie dir gegeben?" Veronika schien kurz zu überlegen, doch dann zuckte sie mit den Achseln. Dass sie bei der Tatsache, dass ihr Drogen untergejubelt wurden, so ruhig bleiben konnte, war Luna ein Rätsel.
„Ein Typ aus einer Bar, ist schon einige Wochen her, er war ziemlich langweilig, deswegen habe ich sie erst nicht benutzt. Er hieß Harry oder Henry oder sowas." Na toll. Sie hatten nicht einmal einen Namen. Aber wahrscheinlich war das auch gut so. Hätten sie einen, würde Luna tatsächlich darüber nachdenken diesen Typen anzuzeigen. Das sollten sie eigentlich trotzdem, aber das würde sie nicht weiterbringen. Zed und Cole schienen ehrlich schockiert zu sein als sie die Droge an ihr bemerkten. Sie glaubte nicht, dass es üblich war die Frauen im Club mit Drogen gefügig zu machen. Das hatte da wahrscheinlich keiner nötig. Die Atmosphäre war einfach perfekt für Sex. Andererseits: Was wusste sie schon von Begierde und Anziehungskraft solcher Etablissements? Sie war nur einmal dort gewesen: Sie ging als Jungfrau rein und kam dann entjungfert wieder hinaus.
„Wo ist die Karte jetzt?", fragte Luna dennoch. Rein aus Interesse, irgendwie sollte das nicht ungestraft bleiben.
„Bei ...ihr", stammelte Veronika und lief dann selbst rot an. Oh Wow. Sie zeichnete ineinander verschlungene Körper mit sinnlichen Gesichtsausdrücken und war definitiv schon lange keine Jungfrau mehr, aber jetzt wurde Veronika rot. Das war irgendwie niedlich.
„Ihr? Ist sie jetzt die Frau 'dessen Name nicht genannt werden darf'?", neckte Luna sie und wieder versuchte Veronika leichtfertig mit den Schultern zu zucken. Sie probierte sich unbefangen zu geben, Luna etwas vorzuspielen aber sie tat es wirklich sehr schlecht und brach auch beim ersten neckenden Kommentar zusammen. Ihr schien nicht oft irgendjemand unter die Haut zu gehen und das es jetzt so war, war Veronika sichtlich peinlich.
„Irgendwie schon. Ich habe weder ihre Nummer noch hat sie nach meiner gefragt. Ich glaube nicht, dass ich ihr Interesse aufrecht halten konnte und das macht mich verrückt." In diesen Moment wurde Luna klar, dass Veronika wohl kein Paket in ihrem Zimmer gehabt hatte und das es irgendwie nicht fair war. Veronika wollte da wieder hin und Luna hatte die Gelegenheit dazu und hatte diese ganz nach hinten in ihren Kleiderschrank verstaut.
„Dir hat es also auch gefallen?" Keine Langeweile wie bei dem Typen der Veronika die Karte gegeben hatte.
„Ja. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf Frauen stehen würde, aber: sie mich an! Hier stehe ich, bin total durch den Wind ihretwegen und packe Acryl- statt Ölfarbe ein. Oh Gott. Ich weiß nicht wie du nicht ausflippen kannst." Und tatsächlich fuchtelte Veronika wild herum, nahm dann einige Farben wieder aus dem Korb und legte andere hinein. Luna kannte sie noch nicht gut genug um sich über ein solches Verhalten zu wundern. Aber jetzt wo sie es sagte.
„Naja. Ich fand die Nacht toll, aber ich will sie eigentlich nicht wiederholen", gestand sie und fühlte sich schlecht bei ihren Worten. Veronika schien wirklich ernsthaft interessiert und Luna konnte diese Begeisterung einfach nicht teilen.
„Was?", fragte Veronika entrüstet.
„Ich will sie nicht wiederholen. Na ja, eigentlich schon, aber ich werde es nicht. Ich kann es mir nicht leisten. Ich will mal Journalistin werden und den Publizier Preis gewinnen und nicht selber in der Klatschpresse landen, weil ich mal in einem Sex-Club war."
„Das Noir ist einer der edelsten Clubs in ganz Seattle. Er genießt einen hervorragenden Ruf und dort passiert nichts, für das du dich irgendwie schämen müsstest! Allerdings wurden in diesen Club auch Drogen, was für dich nicht unbedingt schlecht ist. Meinst du nicht, dass du das vor der Klatschpresse als Undercover Story verkaufen könntest? Warum musst du das getrennt halten?", warf Veronika dagegen und für den ersten Moment wusste Luna darauf nichts zu antworten. Das alles stimmte, aber wem wollte sie etwas vormachen?
„Du...du hast recht. Ich könnte über die Drogen schreiben oder über den Club im Allgemeinen und es damit schaffen mich selbst so gut zu belügen, dass ich wieder reingehen kann. Aber das will ich nicht. Ich will es nicht vor mir selbst als Ausrede benutzten und ich weiß ganz genau, dass ich nie im Leben differenziert darüber schreiben würde. Das erscheint mir einfach nicht richtig." Es war schön gewesen. Etwas Aufregendes, etwas Spannendes. Ein kleines schmutziges Geheimnis, an das sie einmal zurückdenken würde, wenn sie alt und grau war. Und das wollte sie sich nicht mit ihren eigenen Ausreden verderben.
„Dann schreibe nicht differenziert darüber." Veronika sagte das so naive und nebenher, dass Luna sie mit gerunzelter Stirn ansah.
„Was?"
„Keine Differenzierung, keine zwei Seiten, keinen Skandal. Schreib einfach über deine Erfahrungen, wenn nicht für den Publizer Preis, dann für dich selbst." Das war... eigentlich keine schlechte Idee. Sie könnte das ohne Drogen betrachten und nicht als Story, sondern einfach als das was es war: Eine Erinnerung.
„Du meinst wie ein Blog?", philosophierte sie weiter. Denn etwas zu schreiben ohne es irgendwie zu veröffentlichen schien ihr verschwendete Zeit.
„Blog, Tagebuch, Wattpad... was auch immer. Aber dann würdest du zumindest schreiben und das ist doch für eine Journalistin wie üben, oder?"
„Schon aber ...", begann Luna brach dann jedoch von selbst ab. Nicht weil ihr Verstand nicht tausende Dinge hervorbrachte, die dagegen sprachen, sondern weil sie etwas gesehen hatte. In ihrem Augenwinkel, wo sich das kleine Schaufenster befand, dass einen Blick auf eine enge Straße freigab die zur Universität führte, hatte sie einen Mann gesehen. Er war vorbeigelaufen ohne den Laden zu beachten, aber sie könnte schwören, sie hätte ihn erkannt und in ihrem Nacken stellten sich die Nackenhaare auf, als sie die wenigen Optionen durchging.
„Aber?", fragte Veronika, doch Luna lief zum Schaufenster und sah den Mann hinterher. Kein Zweifel.
„Luna? Was ist denn?", fragte Veronika besorgt, kam zu ihr und stierte ebenfalls wie ein Spanner durch die Scheibe.
„Das ist er."
„Er?", fragte sie und sie musste nicht fragen, wen genau Luna meinte. Er war groß, hatte breiten Schultern und sein streng zurückgekämmtes goldenes Haar, das sich am Hals leicht wellte, hatten ihn längst enttarnt und wenn nur als heißesten Kerl in der Umgebung, der jetzt lässig die Straße überquerte und auf die Autofahrer die ihn anhupten gar nicht reagierte. Er blickte den einen böse an, der seinetwegen eine Vollbremsung machen musste und dabei drehte er sein Gesicht weit genug, dass Luna sein Profil sah. Es bestand kein Zweifel!
Es war Cole. Gott, diesen Körper würde sie überall erkennen.
Luna hatte ihn nicht so ausgiebig in Augenschein nehmen können wie sie gewollt hätte, aber sie erkannte ihn, das prickeln in ihren Unterleib war ihr Hinweis genug.
Der Autofahrer ließ das Fenster herunter und brüllte ihn an, als Cole dann lässig an seinen Hosenbund griff und eine Marke hervorzeigte und den Autofahrer herausfordernd anblinzelte. Dieser verkniff sich alles weitere, ließ das Fenster wieder nach oben und fuhr weiter, was die Autofahrer hinter ihm dazu veranlasste, das Hupkonzert zu beenden.
Er stand noch eine Weile auf der anderen Seite der Straße und beobachtete mit Argusaugen wie sich der Verkehr wieder beruhigte. Er stand da wie der arrogante, selbstgefällige, heiße Kerl der er nun einmal war und präsentierte Luna und Veronika somit vollständig sein Gesicht. Kein Zweifel. Absolut kein Zweifel.
„Der Kerl ist heiß! Mein Gott, sowas sollte im Stripclub und nicht bei den Bullen arbeiten!", entfuhr es Veronika und Luna wurde heiß und kalt zugeilch. Polizist. Er war ein Polizist. Verdammte Scheiße!
„Also ich tippe mal darauf, dass das einer deiner Hengste ist und dass du ... Schande. Er sieht uns!" entfuhr es Veronika und Luna war so sehr in seinen Anblick vertieft, dass sie das erst realisierte, als ihre Mitbewohnerin sie tatsächlich darauf aufmerksam gemacht hatte. Veronika hatte recht. Er sah sie an. Ganz direkt und als er wieder einen Fuß auf die Straße setzte um sie erneut zu überqueren und ein weiteres Verkehrschaos zu verursachen, wusste Luna das aus all ihren guten Vorsätzen nichts werden würde.  

Beta: Geany

Take it Deep, Babygirl - Seven SinsWhere stories live. Discover now