Nummer 4

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Kapitel 3


Luna
Wie knochige, dürre Hände wanderte die Angst ihren Rücken herauf und packte sie im Nacken, als wollte sie ihr das Genick brechen. Für einen Moment spürte Luna neben den Wummern der Bassmusik in ihrem Bauch auch Panik in sich aufsteigen, doch die Rationalität zwang diese Anflüge von Paranoia zurück. Sie könnte schwören, dass sie verfolgt wurde. Aber als sie einen Blick über die Schultern wagte, sah sie nichts außer die Menschenmassen um sich herum, die sich auf der Tanzfläche aneinander drängten. Zügellos rieben sich Körper aneinander und die Musik wurde von einem lauten, aufputschenden Grollen zu etwas, was schwer auf der Masse lag und um sie herum waberte wie eine warme, geleeartige Masse. Sie wurde zu etwas verführerischen, brachte die nun sicherlich enthemmten Massen dazu sich fester aneinander zu drängen und Luna gab die Suche nach Veronika auf und beschloss von der Tanzfläche zu verschwinden, bevor sie in diesen Sog mit hineingezogen wurde und endete wie einige der Mädchen am Rand des Geschehens.
Mit Entsetzen sah Luna dabei zu wie Männer und Frauen sich in die dunklen Ecken drängten, an den grob gehauenen Wänden des ehemaligen unterirdischen Steinbruchs lehnten und unverhohlen aneinander berührten. Luna war nun wirklich nicht sehr prüde, aber eine solche öffentliche Darstellung von Anzüglichkeiten trieb ihr die Hitze in die Wangen und sie spürte, wie neben dem Gefühl verfolgt zu werden noch etwas anderes durch ihre Adern pumpte.
Sie wandte sich ab, bevor sie diesem Etwas einen Namen geben musste, achtete darauf nirgends zu genau hinzusehen und entdeckte dann die Damentoilette, die ihr wie ein rettender Hafen erschien. Wieder wagte sie einen Blick zurück und diesmal sah sie erneut diesen dunkelhaarigen Typen mit den Piercings im Gesicht, der sie unverhohlen ansah und sogar die Nerven besaß, seinen Blick mit wilder Anzüglichkeit über sie gleiten zu lassen.
Das kam überhaupt nicht infrage!
Luna war froh, das die Empörung über diesen Blick jedes andere aufkeimende Gefühl zurückdrängte und hieß die heiße Wut willkommen, die ihr weiteres Adrenalin durch die Adern pumpte und sie schneller in Richtung Toilette trieb.
Als sie die Tür aufstieß, sah sie für einen Augenblick gar nichts. Im Gegensatz zum Rest des Clubs war es hier weder dämmrig ausgeleuchtet, noch hämmerte ihr laute Musik in den Ohren. Vor ihr lagen edle Waschräume mit geschmackvollen Amaturen und perfekt ausgeleuchteten Spiegeln, vor denen sich einige Frauen drängten, die sich ihr Make-Up auffrischten. Für einen Augenblick blieb Luna wie versteinert stehen, zwang sich dazu ihren Herzschlag zu beruhigen und ärgerte sich innerlich dennoch weiter über den Blick dieses Kerls. Das es überhaupt noch Männer gab, die es sich wagten, eine Frau so anzusehen erschien ihr wie ein Skandal. Als wäre sie ein Stück Fleisch und nur dazu da von ihm verspeist zu werden! Ihre zutiefst feministische Seele war empört und schockiert, vor allem aber wütend. Sie straffte die Schultern und warf dann einen weiteren Blick zu den Spiegeln, wo Veronika sie erschrocken anblickte.„Alles Okay? Du wirkst so abgehetzt?", fragte ihre Mitbewohnerin und für einen Augenblick vergaß Luna ihre atheistische Erziehung und dankte den Göttern für ihre Barmherzigkeit.
„Ist egal, hier!", murrte Luna schnell, überwand die kurze Entfernung zu ihrer sogenannten Freundin und hielt ihr die Handtasche hin. Veronika zog eine übermalte Augenbraue nach oben, setzte ein gespieltes Lächeln auf und nahm ihr die Tasche ab.
„Wer ist deine Freundin, Veronika?", fragte eine butterweiche und erhabene aber sanfte Stimme hinter Luna und noch bevor sie dazu kam sich umzudrehen, erhellten sich Veronikas Gesichtszüge. Ihre Pupillen weiten sich, als hätte sie etwas zu sich genommen und sie schien plötzlich so aufgeregt wie ein Kleinkind am Weihnachtsmorgen.
„Charly! Das ist Luna meine Mitbewohnerin, sie ist..."
„Niedlich", hauchte es Luna in den Nacken und sie fuhr so schnell herum, dass ihr selbst kurz schwindlig wurde. Vor ihr stand eine atemberaubend schöne Frau mit einer wilden roten Lockenmähne und einer Ausstrahlung, die alle Männer in der Gegend in die Knie gezwungen hätte und auch so einige Frauen. Wie der Mann, der sie verfolgt hatte, wurde sie von Kopf bis Fuß gemustert und Carly setzte ein sinnliches, verführerisches Lächeln auf, das Luna deutlich machte, worauf diese Frau stand.
„Kommt sie mit?", hauchte Charly sanft zu Veronika, deren Wangen mittlerweile eine tiefe Röte zierte. Die Anziehung dieser Frau ging definitiv nicht spurlos an Veronika vorbei und das, obwohl Luna dachte, ihre Mitbewohnerin hätte vorgehabt von einem Männerschoß zum anderen zu rutschen.
„Nein tut mir leid, ich hatte für heute genug Aufregung", murmelte Luna, bevor Veronika antworten konnte. Aber Charly lächelte sie unter schweren, träumerischen Liedern an und kam mit wiegenden Hüften auf Luna zu. Panisch wich sie zurück, bis sie an der kalten Fliesenwand ankam und nicht weiter zurückweichen konnte. Sie war schlicht gekleidet in einem engen Oberteil und einer engen dunklen Jeans, aber das brach ihre Aura nicht. Diese Frau hatte denselben flammenden Blick wie der dunkelhaarige Mann von vorhin, sah sie an, wie eine Köstlichkeit, an der man sich nach Belieben bedienen konnte. Charly streckte die Hand nach ihr aus, berührte ihre Wange und Luna spürte das leichte Kratzen ihrer blutroten Fingernägel auf ihrer Haut. Heiß, verführerisch und einnehmend.„Schade, wir hätten sicher sehr viel Spaß, kleines Püppchen", hauchte sie, zog eine schwarze Visitenkarte hervor, auf der eine große Vier prangte und hielt sie in einer verwirrend erotischen Geste an Lunas Lippen.
„Mund auf, Püppchen!", hauchte sie sanft weiter, aber unter diesem wohltuenden Klang war der Befehl sehr deutlich. Es war einnehmend. Ihre funkelnden grauen Augen besaßen eine Intensität, die Luna in die Knie zu zwingen drohte und das, obwohl sie sich sehr sicher war nicht auf Frauen zu stehen. Luna gehorchte, vollkommen benebelt von der Aura dieses Befehls und Charly schob ihr die Visitenkarte zwischen die Lippen, bevor sie sich weiter zu ihr nach vorne beugte und ihre Finger über ihren Hals und dann zu ihrem Brustansatz wanderten.
„Wirklich sehr niedlich", hauchte sie und entfernte sich dann wieder. Luna stieß den Atem aus den sie angehalten hatte und sah dabei zu, wie die rothaarige zu ihrer Mitbewohnerin ging.
Zärtlich fuhr die schöne Frau Veronika über die Taille, bevor sie ihre Hüften umfasste und sie an ihren Körper zog.
„Deine Freundin ist delegat. Sie sollte aufpassen, dass sie nicht weggeschnappt wird", hauchte Charly und ihr glockenhelles Lachen erfüllte den Raum, bevor sie nach Veronikas Gesicht griff und sie so heftig küsste, dass Luna wie versteinert einfach nur dastand und dabei zusehen konnte. Veronika stöhnte trunken vor Lust in ihren Mund und Charly schob ihr unverhohlen das Kleid nach oben und drückte ihre Mitbewohnerin gegen eines der Waschbecken. Als Charly sich daran machte, an ihrem Hals zu saugen und Veronika stöhnend den Kopf in den Nacken fallen ließ, traf es Luna wie ein Schlag. Hitze pumpte durch ihren Körper und als sie sich vorstellte selbst so überfallen zu werden, mitten in der Öffentlichkeit, entfloh ihr ein schmachtendes Stöhnen.
Nein. Nein! NEIN!
Sie hätte gelogen, wenn sie sagte, dass der Anblick der beiden Frauen sie nicht anmachen würde und als ihr das endlich auffiel erwachte sie aus ihrer Starre, nahm diese elende Karte aus ihrem Mund und glitt so schnell aus der Damentoilette heraus, dass sie gar nicht darauf achtete, wohin sie lief. Ihre Knie fühlten sich an wie Pudding und sie hatte Mühe diese anhaftende Aura loszuwerden, mit der diese Charly sie eingefangen hatte. Ihr Befehl klang immer noch in ihren Ohren. Sanft, verführerisch und dennoch so dominant, dass es in ihrem Körper widerhallt war.
>>Mund auf!<<, verzweifelt presste Luna die Schenkel zusammen, als Lust in ihr aufstieg und sie sich dazu zwang, den Gang entlang zu schwanken. Was war da gerade passiert? Sie fühlte sich, als wäre sie betrunken. Es war nicht Charlys Attraktivität gewesen, die das in ihr ausgelöst hatte. Luna stand nicht auf Frauen, das wusste sie genau es war... >>Mund auf, Püppchen!<<Es war ihre Dominanz gewesen. Es war diese Musik, sinnlich und weich und verführerisch. Es war dieser Club und die gesamte Atmosphäre die er ausstrahlte und es war ihre eigene Enthaltsamkeit. Luna wehrte sich dagegen. Sie hatte nie zu den besonders leidenschaftlichen Frauen gehört, sie war keine von diesen Mädchen die vor Lust zerflossen, sie brauchte keinen Sex, hatte ihn nie vermisst. Das sie sich jetzt so fühlte, war lächerlich. Immer noch schwankte sie durch den Flur, achtete weder auf die Paare um sich herum – diese Feier schien sich regelrecht in eine Orgie verwandelt zu haben – noch darauf wo sie hinlief oder besser: in wessen Arme sie lief.  


Beta: Geany

Take it Deep, Babygirl - Seven SinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt