Kapitel 18

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Junas Sicht

"Bereit?", Sukeys Hand umschloss bereits die vergoldeten Türklingen des gigantischen Haupttors.

Ich atmete einmal tief ein und aus. In wenigen Sekunden würden wir das Hauptquartier verlassen und nach draußen gehen.

Mein Blick war starr und voller Angst auf das dunkle Holz der beiden schweren Türen vor mir gerichtet. Ich hörte den kalten Wind dagegenprallen, der als einziges die leeren Straßen füllte und die leblosen Zweige der Bäume in Bewegung setzte, damit sie hallend gegen die Fensterläden des Hauptquartiers schlugen.

Ich durfte erst gar nicht daran denken, was uns dort draußen alles erwartete ... ! Dämonen, Schatten, Werwölfe, Zeth - und Alec.

Toll, jetzt hatte ich doch daran gedacht.

Ein weiterer Schauer lief mir über den Rücken und hinterte mich daran, Sukey zu antworten. Ich war noch nicht bereit, sah also noch einmal prüfend an mir herab und zum ersten Mal schenckte mir der Anblick von Waffen ein beruhigendes Gefühl. Mein Gürtel war ausgestattet mit einem Seil und vielen kleinen Wurfmessern. An meinen Armen leuchteten unmengen von Symbolen, die mir die Skills verpasst hatten. Angeblich machten sie mich leiser, schneller - fast unsichtbar. Ich war also vorbereitet.

Es gab ohnehin kein zurück. Meine Augen suchten Sukeys. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob er dieselbe Furcht empfand wie ich. Dennoch regten sich weder Angst noch kleinste Anzeichen der Nervösität in seinem Gesicht. Ihn umgab nur diesese abwartende Stille.

"Ja.", antwortete ich endlich. Doch Sukey, der wohl das Zittern in meiner Stimme bemerkt haben musste, wartete noch.

"Juna ...", begann er doch ich schnitt ihm mit deutlichem Kopfschütteln das Wort ab. Ich wusste, was er sagen wollte. Dinge wie 'Du musst das nicht tun' , oder 'Noch kannst du umkehren', waren nicht gerade tröstende Worte angesichts der Tatsache, dass ich sowieso nicht umkehren konnte.

Das würde ich mir niemals verzeihen können. Und die anderen auch nicht. Jemand musste die Archer zu Vernunft bringen und ein Bündnis vorschlagen, anders konnte San Francisco nicht mehr gerettet werden. Sollte Sukey ihnen alleine Gegenübertreten, würde man ihn erst auslachen und dann enthaupten.

Er war ein Skill, ich aber war ein Engel. Irgendetwas musste das doch ändern können.

Wieder einmal schossen mir die erwartungsvollen Blicke durch den Kopf, die mir die Rebellen zuwarfen. Ich sollte Großes vollbringen, sie zu ihrer Rettung führen ... ich musste endlich etwas tun. Ich würde nicht weiterhin zulassen, wie sich so viele Menschen wegen Amy und mir in Gefahr begaben.

"Lass uns gehen.", entschied ich knapp, wobei ich mich wirklich bemühte, entschlossen zu klingen,  und Sukey öffnete die Tür. "Dann mal los."

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"Bleib dicht hinter mir.", Sukey zog sich die dunkle Kaputze über den Kopf, wodurch seine schwache Silhouette beinahe mit der Umgebung verschmolz. Alles war so gottverlassen und dunkel ... Die Straßenlaternen beleuchteten schwach die regennassen Straßen, durch die wir schlichen.

Von den Häusern um und herum war nichts zu erkennen, sie alle kamen mir nur vor wie riesige schwarze Mauern. Nirgends drang auch nur der leiseste Lichtschein hindurch, nicht das kleinste bischen Leben.

Die Menschen mussten sich vor lauter Angst darin eingeschlossen haben ...

Völlig unerwartet packte mich Sukeys kalte Hand und zog mich in die nächste  kleine Seitengasse.

Ich war so überrascht, dass ich mir einen kleinen Aufschrei nur schwer verkneifen konnte und sah ihn stattdessen vollkommen empört an, während er mich gegen die kalte Hausmauer presste.

"Shhhhh ... ", er legte mir sanft einen Finger an die Lippen und bedeutete mir, still zu sein.

Nur Sekunden später schlichen zwei schwarze Gestalten an uns vobei die Straßen entlang.

Ich hielt die Luft an und untersuchte Sukeys grünen Augen. Schatten? Würden sie uns hier finden? Hatten sie uns vielleicht schon entdeckt? Wenn ja, was sollten wir dann tun?

Mehrere Minuten lang sahen wir uns nur in die Augen, unfähig, uns vom Fleck zu rühren.

Die Gestalten sollten schon längst vorbeigezogen sein. Wir sollten weiter ...

Ich hörte das Tropfen von Wasser irgendwo in der Ferne, den Wind und Sukeys ungleichmäßigen Atem. Ein paar blonde Haarsträhnen lugten unter der Kaputze hervor und fielen ihm in das bleiche Gesicht, das sich unmittelbar vor meinem befand. Seine Lippen, von denen ich meinen Blick gar nicht mehr losreißen konnte, öffneten sich.

Ein warmes Kribbeln durchfuhr meinen Körper bei der Vorstellung, dass er sie auf meine legen könnte. "Wir müssen uns beeilen.", meinte er rau, stieß sich von der Wand ab und ging wieder voraus. Diesmal in schnelleren Schritten, als fliehe er aus der Situation. Sobald er weg war, kehrte die Kälte zurück. Ich zog den Mantel enger um mich und folgte ihm etwas irritiert.

Nun war nicht die Zeit dafür, dennoch spürte ich leichte röte auf meinen Wangen. Was war das eben?

Es war als ... ich wollte ihn nur noch ... küssen. Einfach so. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Oder es war einseitig gewesen ... ?

Ein unheimliches Geräusch aus der Nähe holte mich irgendwann wieder in die Wirklichkeit zurück. Sukey war stehen geblieben und drehte sich zu mir herum. Sein Blick bestätigte meine Vermutung.

Schon? Hier?? Ich legte eine Hand an meinen Gürtel, nah genug an einem der Messer.

"Archer.", sagte er tonlos, bevor der Werwolf aus dem Schatten sprang und seine messerscharfen Zähne in seinen Hals bohrte.

Hunters of Hell - Jäger der SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt