Kapitel 2

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Du hast mich verunsichert,
hast mir gesagt, ich sei nicht gut genug.
Doch was gibt dir das Recht zu urteilen,
wenn du ein Rohdiamant bist?
Ich bin mir sicher, es gibt Dinge,
die du an dir ändern möchtest.
Doch was mich angeht:
Ich würde niemand anders sein wollen.

~ „Who says", Selena Gomez

Beim Abendessen spürte Hermine, dass sie jemand beobachtete. Sie schaute suchend in der Großen Halle umher. Ihr Blick blieb an einem blonden Slytherin hängen, der ebenfalls in ihre Richtung schaute.
„Was starrt er so?", fragte Ginny und sah leicht angewidert in Richtung Slytherin-Tisch.
„Ich weiß es nicht", murmelte Hermine, wandte sich aber schnell von Malfoy ab, da ihr sein Starren unangenehm war. „Wahrscheinlich heckt er wieder irgendeine Gemeinheit aus."
Schaudernd dachte sie an ihre frühere Zeit in Hogwarts zurück. Es verging fast kein Tag, an dem Hermine nicht von dem Slytherin beleidigt wurde. „Schlammblut", ertönte in ihrem Kopf die gehässige Stimme Malfoys.
Er hatte sie verunsichert, da er ihr immer sagte, sie sei nicht gut genug. Zwar hatte sie sich immer stark gegeben, jedoch trafen sie seine Worte mehr, als sie jemals zugegeben hätte.
Eigentlich war Draco Malfoy einsam, dachte sie.
„Hermine? Hallo? Bist du noch da?" Ginny wedelte mit ihrer Hand vor ihrem Gesicht herum.
„Was? Was hast du gesagt?", fragte sie.
„Ich habe gefragt, ob du in letzter Zeit etwas von Ron gehört hast", wiederholte Ginny ihre Frage.
Hermine und Ron hatten sich im letzten Jahr getrennt, da sie festgestellt hatten, dass ihre Beziehung doch nur freundschaftlich war. Die beiden verstanden sich weiterhin gut, auch wenn die Zeit nach der Trennung unangenehm war. Regelmäßig schickten Harry und Ron Hermine Briefe, um sie auf dem Laufenden zu halten.
„Seit ein paar Wochen nicht mehr. Wahrscheinlich ist er sehr mit der Ausbildung beschäftigt", erwiderte die Braunhaarige.
Ginny erzählte, dass auch sie seit einigen Wochen nichts mehr von ihrem Bruder gehört hatte.

Draco beobachtete die Gryffindor schon eine Weile. Seit er ihr am Vortag auf dem Gang begegnet war, konnte er den Blick nicht mehr von ihr losreißen.
„Draco! Was starrst du so zum Gryffindortisch?", fragte Blaise neben ihm und sah ihn neugierig an.
„Das geht dich nichts an", erwiderte Draco ungewollt harsch.
„Schon gut, schon gut. Musst ja nicht gleich aus der Haut fahren", meinte der Junge und wandte sich von ihm ab. Wenn er so reagierte, war es wohl besser, ihn in Ruhe zu lassen.
Nach dem Essen verließ Draco die Große Halle, um noch ein bisschen an die frische Luft zu gehen.
Der Slytherin stieg die Wendeltreppe zum Astronomieturm nach oben. Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass bereits jemand auf das Gelände von Hogwarts heruntersah.
„Granger, was machst du so spät noch hier draußen?", fragte er.
Die Gryffindor zuckte zusammen und drehte sich herum.
„Dasselbe könnte ich dich auch fragen, Malfoy", entgegnete sie.
„Na ja, ich dachte, ich gehe noch ein bisschen an die frische Luft."
Der Blonde trat zu ihr ans Geländer und stellte sich neben sie. „Normalerweise bin ich alleine hier."
Die junge Hexe quittierte dies mit einem Schulterzucken. „Diesmal nicht. Pech gehabt."
„Wow, Granger, was soll dieser Umgangston?" Draco hob die Augenbrauen.
Hermine seufzte.
„Du hast dich ganz schön verändert", meinte der blonde Slytherin nach einer Weile.
„Was soll das denn heißen?", fragte Hermine, während sie zu Hagrids Hütte hinuntersah, in der noch Licht brannte.
„Na ja, deine Figur ist zum Beispiel viel weiblicher geworden", erwiderte er und betrachtete sie von oben bis unten.
Ihr Kopf fuhr herum. „Du Schwein", sagte sie, als sie bemerkte, wo sein Blick hängen geblieben war.
„Du hast dich ja nicht sonderlich verändert", meinte Hermine dann.
„Autsch", erwiderte Draco und verzog das Gesicht.
„Glaub mir, diese Beleidigung war noch harmlos im Gegensatz zu dem, was du all die Jahre über mich gesagt hast", flüsterte die Gryffindor.
Draco kniff die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen, antwortete jedoch nichts.
„All die Jahre hast du mir zu verstehen gegeben, dass ich wertloses Schlammblut niemals genug sein werde", fuhr Hermine fort.
Es tat Draco im Herzen weh, sie so über ihn reden zu hören.
„Granger... Ich-"
„Nein, du verstehst das nicht!", fuhr die Braunhaarige ihn an. Ihre Finger klammerten sich an das Geländer des Astronomieturms und ihre Knöchel traten weiß hervor. „Ich würde niemals jemand anders sein wollen. Du verstehst das nicht. Dein Vater hat dich verdorben. Du bist ein mieses Arschloch und ein Feigling, Draco Malfoy!"
„Du hast doch keine Ahnung wie es ist, mit einem solchen Vater zu leben", blaffte Draco.
Die beiden starrten sich einige Sekunden lang wütend an. Hermine stellte fest, dass ein verletzter Ausdruck in sein Gesicht getreten war.
„Nein, das habe ich wirklich nicht, aber anstatt einfach aus seinem Verhalten zu lernen und ein besserer Mensch zu sein, musst du ein genauso großes Arschloch sein wie er." Hermines stimme bebte vor Wut.
Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an und lief dann schnellen Schrittes die Wendeltreppe herunter.
Der blonde Slytherin sah ihr ungläubig hinterher. Ihre Worte hatten ihn verletzt, jedoch hatte sie wirklich keine Ahnung.
Sein Vater hatte ihn jahrelang streng erzogen. Niemals durfte er aus Eigenantrieb handeln, musste immer die Vorschriften des dunklen Lords und seines Vaters befolgen. Das Ganze hatte ihn erdrückt.
Nie konnte er mit seinen Problemen zu seinem Vater kommen. Er hatte ihn immer abgewiesen, ihm klargemacht, dass sie eine Schwäche waren und er alleine damit auskommen musste.
Seine Wut hatte er an Mitschülern wie Hermine ausgelassen, um sich besser zu fühlen.
Draco fühlte sich alleine und einsam. Eine einzelne Träne lief an seiner Wange herunter, die er sich wütend mit dem Ärmel seines Hemds fortwischte.
Wie konnte die Gryffindor ihn nur so aus der Bahn werfen?

Nach ihrem Streit mit Draco ging Hermine schnellen Schrittes zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors. Der Slytherin hatte ihr den Abend vermiest. Sie wollte nur noch schlafen und mit niemandem mehr reden, einfach nur alleine gelassen werden.
Ginny, die in der Nähe des Kamins im Gemeinschaftsraum saß, blickte auf, als Hermine an ihr vorbei Richtung Mädchenschlafsaal lief.
„Hermine?", fragte sie verwundert, stand auf und folgte ihr.
„Was, bei Merlin, ist passiert, dass du so aufgebracht bist?", erkundigte sie sich.
„Malfoy ist passiert", meinte Hermine und ließ sich erschöpft auf ihr Bett fallen.
„Was hat er jetzt schon wieder getan?" Ginny ließ sich neben ihr nieder.
„Lange Geschichte", entgegnete die Braunhaarige.
Ihre Freundin verstand, dass sie nicht darüber sprechen wollte. Die beiden Mädchen lagen eine Weile einfach nebeneinander und starrten nach oben. Hermine beruhigte sich ein bisschen.
„Ich denke, ich brauche jetzt ein bisschen Schlaf", meinte sie.
Ginny nickte und stand auf. „Gute Nacht, Hermine."
„Gute Nacht, Ginny."

Auch Draco lag in seinem Bett im Jungenschlafsaal und starrte an die Decke. Seine Gedanken kreisten um die Gryffindor. Es gefiel ihm, dass sie ihm einfach die Meinung gesagt und sich ihm entgegengestellt hatte, jedoch hatte sie ihn auch wieder in eine Zeit zurückgeworfen, die er eigentlich hinter sich lassen wollte. Er wollte nicht mehr in der Welt seines Vaters leben und nach seinen Regeln spielen. Dass dieser nun in Askaban war, machte es ihm ein Stück weit leichter. Er fühlte sich nicht mehr so sehr unter Druck gesetzt wie früher, komplett verschwunden war der Druck jedoch nicht. Die letzten Jahre lasteten immer noch schwer auf seinen Schultern.
Aber vielleicht schaffte er es nun endlich, aus seinem Gefängnis auszubrechen.

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Armer Draco... :(
Was sagt ihr zu dem Gespräch der beiden? Hättet ihr genauso reagiert? Lasst mir gerne Feedback da! :)

I'll be good [Dramione]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt