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Ich bekam keine Luft, das Zimmer schien auf einmal viel kleiner zu sein.
"Annabelle, bitte", versuchte er mich zu beruhigen. "Sag, was machst du überhaupt hier."
"Du ...", flüsterte ich. "Dein ... Vater."
Ich spukte das Wort förmlich aus. Es war einfach zu schlimm um ausgesprochen zu werden.
Viele Tage hatte ich mir den Kopf zerbrochen, warum Logan alles über unsere Beziehung dokumentiert hatte und jetzt wusste ich auch den Grund.
Das ganze große Rätsel war nun gelöst, aber ich wusste nicht, ob ich mit der Wahrheit auskommen würde.
"Annabelle", sagte er und ging ein Schritt auf mich zu mit den Händen zu mir ausgestreckt.
"Nein!", schrie ich auf und wich ihm aus, sofort blieb er stehen, sichtlich beschämt und getroffen, aber ich hatte gerade kein Mitleid mit ihm. Eigentlich wusste ich gar nicht, wie ich mich gerade fühlte.
"Du hast mich angelogen", murmelte ich leise und sah ihm ins Gesicht. "Du hast gelogen von dem ersten Moment an, als du mit mir geredet hast."
"Annabelle, du verstehst nicht, ich -", begann Logan, aber ich unterbrach ihn.
"Oh, ich verstehe es, sogar sehr gut", lachte ich bitter. "Ich glaube sogar zum ersten Mal wieder einen klaren Kopf zu haben."
Logan sah mich schmerzvoll an.
Natürlich tat es weh, ihn so zu sehen aber ich musste mich erstmal um mich selber kümmern.
Logan hatte mich beschattet und sollte mir dabei näher kommen, um die Geheimnisse über meine Mom herauszufinden und diese dann dem Anführer von seiner Gang zu überbringen, der zusätzlich der Mörder meiner Mutter ist.
"Ich werde jetzt gehen und du wirst mir nicht folgen", erklärte ich möglichst ruhig, aber selbst ich merkte, dass meine Stimme zitterte. "Und wenn ich aus dieser Tür gegangen bin, werde ich die Polizei anrufen und du wirst dich stellen."
"Annabelle, bitte tu das nicht", flehte er mich an.
"Sag mir nicht, was sich zu tun habe!", fuhr ich ihn an.
"Bitte, lass es mich dir zuerst erklären."
Ich lachte auf. "Was willst du mir erklären? Ich weiß genau das, was ich zu wissen brauche um zu erkennen, dass du, genau wie dein Vater, ein Hochstapler und Krimineller bist."
Bei diesen Begriffen zuckte er leicht zusammen und richtete sich auf, seine Gesichtszüge verhärteten sich.
"Vergleiche mich niemals wieder mit meinem Vater, ich habe keinen", sagte er in einem bedrohlichen Ton, sodass sich auf den Boden schauen musste.
"Lass es mich dir erklären, dann kannst du immer noch urteilen", bot Logan mir an. "Bitte."
Sein Blick wurde tiefer.
Ich kämpfte mit mir, aber schließlich nickte ich und setzte mich auf sein Bett, aber er blieb stehen, da er wusste, dass ich Abstand brauchte.
"Gut", begann er. "Wo fang ich an?", lachte er nervös, verstummte aber wieder sofort.
"In dem Viertel, in dem ich lebe, sind die Hälfte der Einwohner kriminell und davon bestimmt zwei Drittel in einer Gang, so auch ich, aber das weißt du ja bereits."
Ich zeigte keine Reaktion und er fuhr fort.
"Nun ja, die Gang in der ich bin, ist vermutlich die Größte in unserer Stadt, vielleicht auch Land, dehalb ist es ein Privileg ein Mitglied zu sein, sie sind wie eine zweite Familie für die Meisten. Mitglied wird man, in dem man dem Anführer Respekt erweist sich sämtliche Taten, so werden fast alle ein Teil, allerdings gibt es auch noch eine andere Möglichkeit: man wird hineingeboren. So war es bei mir beispielsweise, aber das wissen nur die wenigsten.
In einer Gang zu leben ist nicht einfach und mit Sicherheit auch zu hundert Prozent illegal."
"So wie du dich anhörst, würdest du gerne nicht dort sein", murmelte ich.
"Ja, dass stimmt. Die meisten würde davor keinen Halt machen jemanden umzubringen, um in diese Gang zu kommen, aber ich würde alles dafür geben rauszukommen."
"Warum tust du es nicht einfach?", fragte ich nach.
Er schmunzelte. "Das ist nicht so einfach, wie du denkst. Es erfordert harte Maßnahmen, und ob du überlebst, ist auch nicht garantiert."
Ich schluckte.
Ich hatte keine Ahnung, dass Logan so unzufrieden ist.
"Keiner sollte je seine Gang verlassen, immerhin haben sie viel für dich geopfert, und besonders nicht wenn du hineingeboren wurdest, dehalb kann ich nicht einfach gehen."
Nickend sah ich auf meine gefalteten Hände. Ich konnte mich nicht äußern, ich musst erst alles verarbeiteten.
"Es stimmt. Joseph Blake ist mein Vater", sagte er mit viel Überwindung.
"Aber nur mein Biologischer. Auf den Papieren muss es stehen, aber im wahren Leben ist er ein Fremder für mich. Meine Mutter hatte einst einen schwachen Moment und schon hatte sie einen Fehler begangen. Sie war eine von vielen Affären, die Jospeh hatte."
Ich schüttelte den Kopf. "Logan, du bist kein Fehler."
Er schmunzelte wieder. "Ich wünschte, es wäre keiner. Ich hätte meiner Mutter viele Schmerzen und Leid ersparen können. Natürlich versuche ich trotzdem alles, um sie glücklich zu machen."
"Und wissen deine Freunde von deiner ... Beziehung zu deinem Vater?", fragte ich in die Stille hinein.
"Nein", lachte er. " Keiner soll davon wissen, naja dich kann ich jetzt von der Liste streichen. Aber Josh ist der Einzige, der es noch weiß.
Ich will auf keinen Fall mit Joseph in Verbindung gebracht werden, ich bin anders als er. Außer dem Geschlecht habe ich nicht von ihm."
Ich nickte. Verständlicherweise könnte ich nachvollziehen, dass er nicht in eine Schublade gesteckt werden wollte.
"Es ist sonst schwer aus dem Schatten zu treten.
Und weil er eben weiß, dass ich nicht als sein Sohn anerkannt werden möchte, muss ich ein Opfer bringen und seinen Anweisungen folgen.
Irgendwann, wenn er sterben sollte, würde sein 'Reich' an seinen Nachfolger weiter gegeben werden und das will ich auf keinen Fall. Es ist zwar eine Ehre, aber auch eine große Verantwortung und ein Job mit vielen Feinden", lächelte er und ich genauso.
"Und es willst du?", fragte ich ihn ehrlich.
"Du bist die Erste, die mich das je gefragt hat", schmunzelte er traurig, doch er räusperte sich wieder.
"Da ist egal, weil es nicht dein Problem ist.
Ich sollte jedenfalls zuerst dich beschatten und dich über deine Mutter ausfragen, denn du warst diejenige, die als einzige Zeugin galt, denn Joseph hatte sie tatsächlich bevor sie wegen dem Autounfall sterben konnte, erschossen."
Das zu hören tat jedesmal weh.
"Würdest du mich an ihn erinnern, hätte er dich vermutlich erledigt."
Ich atmete tief ein und hielt mir schützend die Kehle.
"Aber ich erinnere mich an ihn", flüsterte ich ängstlich.
"Ich weiß", lächelte Logan. "Aber er weiß es nicht."
"Ich dachte, du hast ..."
Er schüttelte mit dem Kopf. "Am Anfang meiner ... Mission ging es mir nur um die Infomationen, dabei war es völlig egal, wie ich am sie kam. Ich entschied mich, dir näher zu kommen, allerdings nur als Freund zuerst, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich in dich verliebe." Er schaute mich an und suchte meinen Blick, den ich für ein paar Sekunden erwiderte.
"Zuerst lieferte ich Joseph Informationen, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr. Annabelle, ich liebe dich und konnte dich nicht hintergehen." Sein Blick war so intensiv und tiefgreifend.
Es tat gut so etwas zu hören.
"Und Kyla?", fragte ich leise nach und schaute auf meine Hände.
"Als ich merkte, dass ich dich nur noch in Gefahr brachte, wenn ich dich immer noch beschatten sollte, hatte ich versucht auf Abstand zu gehen. Allerdings hatte das nicht ganz funktioniert, also musste ich das tun, was einen langfristig verletzte."
"Eine Andere küssen", beendete ich seinen Gedanken und er nickte mir seinen Kopf.
"Versteh Annabelle, ich habe das nur getan, um dich zu schützen, auch wenn es für dich unmöglich aussieht",  meinte er aufrichtig und fürsorglich.
Ich atmete tief ein und aus, keine Ahnung, was ich denken oder fühlen sollte.
"Logan, ich verstehe, warum du das alles getan hast, trotzdem entschuldigt es nicht das, was du getan hast."
Er nickte verständnisvoll. "Du brauchst Zeit, ich verstehe."
Zustimmend lächelte ich. "Ja, aber ich weiß nicht, ob diese Wunden je heilen können."

Good Badboy ?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt