XVII: von Normalos und kleinen Tränen

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Verwirrt und besorgt griff er nach Marthas Hand. "Mit was hat er dich bestochen? Hat er dir gedroht?"

Vor diesem Augenblick hatte Martha Angst behabt. Angst, die ihren Magen zerquetschte und ihren Blick verschleierte.

Sie konnte nicht in seine Augen sehen, die sie so verwirrt, doch hoffnungsvoll anblickten. "Es ist nicht seine Schuld. Ich habe ihn geküsst." Martha fühlte sich, als ob sie gleich umkippen würde.

Till ließ ihre Hand los und lief ein paar Schritte rückwärts. "Was? Aber warum?" In seinem Gesicht zeichnete sich sein Schmerz ab.

"Als Kasimir sich bei mir entschuldigt hat, ist mir so einiges klar geworden. Kasimir kennt mich, er weiß immer wie es mir geht und er versteht mich. Wir hingegen sind so verschieden. Du bist Sportler und wirst nie ganz verstehen, wie ich mich als Normalo fühle."

Marthas Hand begann zu zittern. Kasimir stellte sich neben sie und griff ihre Hand, damit Till das Zittern nicht sah.

"Aber, ich dachte, du liebst mich.", wisperte Till verzweifelt und seine Augen wurden glasig. Marthas Brustkorb zog sich zusammen, als sie ihn dort so stehen sah.

Sie war kurz davor, alles abzubrechen und einfach weg zu rennen, doch sie wusste, dass damit niemandem geholfen war.

"Du warst immer der arrogante egoistische unnahrbare Sportler. Du hast niemanden an dich rangelassen und das hat dich interessant gemacht." Jedes einzelne Wort war ein Kampf für Martha. Ihr Körper sträubte sich, Till zu verletzen.

Eine kleine Träne lief über seine Wange, die er sofort wegstrich. "Du wolltest nur was von mir, weil ich eine Herausforderung für dich war?"

"Hast du wirklich gedacht, dass unsere Beziehung eine Zukunft hat?"

In Tills Augen spiegelte sich seine Antwort. Er hatte gedacht, dass diese Beziehung Zukunft hatte, genauso wie Martha, der mittlerweile Tränen über die Wangen liefen.

"Wenn unsere Beziehung keine Zukunft hat, dann kann ich ja nach England gehen. Wegen so jemandem wie dir, hätte ich mir fast meine Zukunft verbaut!" Till drehte sich zum Gehen um und rannte ins Internat.

Als er durch die Eingangstür verschwunden war, konnte es Martha nicht mehr zurück halten. Unter Tränen sank sie zu Boden. Kasimir zog sie sofort wieder zu sich hoch und umarmte sie fest.

Martha fühlte sich, als ob die Welt über ihr zusammen gebrochen wäre. Ihr kompletter Körper hatte sich zusammen gezogen und sie fühlte sich so machtlos und schlecht wie lange nicht mehr. Die Streitereien mit Nele und Kasimir waren nichts dagegen gewesen.

Kasimir legte einen Arm um Martha und lief mit ihr zum Internat. Sobald Schüler an ihnen vorbei liefen, versucht er sie möglichst gut von ihnen abzuschirmen.

Martha wusste, dass sie sich wieder die Mäuler über sie zerreißen würde, aber das war ihr egal. Das einzige, was momentan in ihrem Kopf war, war Till, wie er so verletzt und enttäuscht vor ihr gestanden war.

Kasimir brachte Martha so schnell es ging in ihr Zimmer. Als er mit der völlig aufgelösten Martha ins Zimmer stolperte, sprang Nele schockiert von ihrem Bett auf und fragte panisch: "Was ist passiert?"

"Ich erzähle es dir gleich.", erwiderte Kasimir, der damit beschäftigt war, Martha zu ihrem Bett zu lotsen.

Sobald sie dort angekommen war, schmiss sie sich darauf und zog ihre Bettdecke über den Kopf.

Nele und Kasimir gingen vor die Tür, damit Kasimir Nele in Ruhe aufklären konnte.

Martha wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis Nele sich auf ihre Bettkante setzte. Sie strich Martha sanft über den Rücken. "Es wird alles wieder gut werden. Du hast das richtige getan."

Martha ging nicht darauf ein. Sie wollte jetzt mit niemandem reden, sondern einfach nur allein sein. Nele begriff dies nach einer Weile und stand auf. "Ich lasse dich lieber mal allein. Ruf mich an, wenn etwas ist."

Doch Martha rief nicht an. Sie blieb in ihrem Bett liegen. Nach einigen Stunden waren die Tränen versiegt und Martha starrte an die Decke.

Da war diese Leere in ihr, die sie nicht mehr los ließ.

Irgendwann kam Nele mit einem Tablett herein. "Hier, du musst etwas essen. Du hast schon das Mittagessen ausfallen lassen."

Martha schüttelte den Kopf. Nele seufzte und stellte das Tablett neben ihr Bett.

De ganze Nacht lag Martha wach. Sie schaffte es einfach nicht einzuschlafen, egal wie sehr sie sich bemühte.

FREITAG

Als die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zu sehen waren, stand Martha auf. Sie wollte zur Fensterbank laufen, als sie die graue Sweatshirtjacke von Till erblickte. Sie zögerte kurz, doch dann zog sie sich die Jacke über.

Dann setzte sich Martha auf die Fensterbank und lehnte ihren Kopf an die kühle Scheibe.

Der Geruch der Sweatshirtjacke benebelte sie. Sie schlang ihre Arme fest um sich. Sie wollte diesen Moment festhalten, in dem sie sich so fühlte, als ob Till genau neben ihr stehen würde. Eine vereinzelte Träne rollte aus Verzweiflung ihre Wange herab.

Sie war vollkommen ausgelaugt und ihr Kreislauf war runtergefahren, doch die ersten schwachen Sonnenstrahlen hatten etwas tröstendes.

Als Nele einige Stunden später aufwachte und sich für die Schule fertig machte, fragte sie besorgt: "Hast du heute Nacht überhaupt geschlafen?"

Martha schüttelte den Kopf, woraufhin Nele erwiderte: "Ich lasse mir eine Entschuldigung für dich einfallen."

Nachdem Nele und die anderen Schüler gegangen waren, ging Martha ins Bad. Sie erschrak, als sie ihr Spiegelbild in einem der Spiegel über den Waschbecken sah. Ihr Gegenüber hatte nichts mehr mit der, sonst so lebensfrohen, Martha zu tun.

Ihre Haut sah ungesund bleich aus. Ihre Augen waren geschwollen und rot und unter ihren Augen waren dunkle Schatten, die ihre Haut noch blasser machten, als sie sowieso schon war.

Sie öffnete den Wasserhahn und spritze sich das kalte Wasser ins Gesicht. Es änderte nicht wirklich etwas an ihrem Erscheinungsbild, doch wenigstens fühlte sie sich nicht mehr ganz so benebelt.

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt