X: von Getuschel und Sonnenblumenfeldern

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Der gesamte Schultag verlief merkwürdig. Haufenweise skeptische Blicke, Getuschel und jedes Mal die gleichen Fragen; "Wer von euch war das?", "Bist du jetzt mit Till befreundet?", "Habt ihr viel Ärger bekommen?"

Am Ende des Schultags war Martha mit den Nerven am Ende. Sie konnte ihre Mitschüler und Lehrer nicht mehr ertragen.

Liebend gerne hätte sie sich einfach mit Kopfhörern auf ihr Bett geschmissen und das komplette Chaos einfach ausgeblendet. Doch sie hatte keine Lust auf Nele. Sie verteufelte zum ersten Mal, dass sie nicht bei ihren Eltern wohnte, bei denen sie ein Einzelzimmer gehabt hätte.

Seufzend legte sie sich mit ihrem Handy und Kopfhörern in eine Hängematte. Sobald die ersten Klänge ihrer Lieblingsplaylist ertönten, zogen sich ihre Mundwinkel automatisch nach oben. Sie schloss die Augen.

Es war gerade mal der zweite Schultag, und schon war alles aus dem Ruder gelaufen. Sie fragte sich, wie das alles passieren konnte.
Ihre beste Freundin hatte sie aus ihrem Zimmer geschmissen. Sie vermisste Nele jetzt schon. Doch jedes Mal, wenn sie an den vergangenen Abend dachte, stach es in ihrer Brust.

Nele hatte ihr nicht vertraut. Nele hatte jemandem, den sie nicht kannte, mehr Glauben geschenkt als Martha, ihrer besten Freundin. Martha hatte bemerkt, dass es Nele in der Schule wirklich leid getan hatte, doch sie war noch nicht bereit für eine Versöhnung. Ihr sonst blindes Vertrauen zu Nele hatte einen Riss.

Kasimir hatte sich verändert. Sie war immer noch erschrocken, wie laut er abends geschrien und wie fest er in der Schule ihren Arm gegriffen hatte. Er war sonst immer besonnen und ruhig gewesen. Kasimir war, im Gegensatz zu Nele, noch nicht bereit für eine Versöhnung. Martha war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie das wollte.

Seit sie mit Till im Wald übernachtet hatte, war alles anders. Nachdem Till ihr seine Geschichte erzählt hatte, sah Martha alles aus einem ganz anderen Blickwinkel. Sie sah nicht mehr den arroganten und hinterhältigen Till. Sie sah einen hilfsbereiten, liebevollen Jungen, der alles dafür tat, um sein Zuhause zubeschützen.

Sie hatte in ihrer Beziehung mit Kasimir nie etwas vermisst, doch sie merkte, dass Till etwas in ihr auslöste, was Kasimir nie getan hatte. Ohne Zweifel war er immer nett und verständnisvoll gewesen, doch dieses wohlige Kribbeln, welches Till regelmäßig bei ihr auslöste, hatte Kasimir nie in ihr ausgelöst.

Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, sie war in Till verliebt!

"Hey, Martha." Till war neben der Hängematte aufgetaucht.

Erschrocken öffnete sie ihre Augen. "Oh, hey Till.", erwiderte sie verlegen.

"Wie geht es dir?"

Martha seufzte. "Der Schultag war wirklich anstrengend. Es gibt schönere Sachen, als das Gesprächsthema Nummer Eins der ganzen Schule zu sein."

"Definitiv."

"Was willst du eigentlich hier?", fragte Martha verwundert.

"Dich ablenken."

"Ach ja?" Martha war skeptisch. "Was hast du vor?"

"Komm, ich zeige es dir." Er streckte seine Hand aus und zog sie aus der Hängematte.

Sie liefen zu den Fahrrädern und fuhren los.

Es dauerte keine zehn Minuten, bis Till anhielt. Sie standen auf einem Feldweg, umgeben von Sonnenblumenfeldern.

Er legte sein Fahrrad nieder und bahnte sich einen Weg zwischen den hohen Sonnenblumen hindurch. "Kommst du?", rief er Martha zu.

Das ließ sich Martha nicht zweimal sagen und stieg ebenfalls von ihrem Rad ab. Sie folgte Till, bis er schließlich stehen blieb.

Martha riss die Augen auf. "Till, ist das dein Ernst?", fragte sie verwundert. "Natürlich." Auf Tills Gesicht lag ein Schmunzeln.

"Du bist verrückt." Martha lachte.

"Komm, setze dich.", sagte Till.

Immernoch fassungslos starrte Martha auf die rot karierte Picknickdecke. "Na los, setze dich jetzt.", wiederholte Till.

Martha setzte sich zwischen die bunten Kissen und den großen Picknickkorb.

"Hast du die aus dem Internat gestohlen?" Sie deutete fragend auf die Kissen.

"Ausgeliehen, nicht gestohlen.", erwiderte Till achselzuckend und Martha musste lachen.

"Hast du Hunger? Wir haben Obst, Chips, Kekse und Orangensaft." Till nahm den Korb und öffnete ihn.

"Das hast du alles für mich gemacht?" Martha konnte es immer noch nicht glauben. "Aber warum?"

"Um mein Gewissen zu beruhigen. Ich habe immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich dich da reingeritten habe."

Till holte sein Tablet. "Ich habe schon mal ein paar Sachen auf Netflix runtergeladen, da hier kein Netz ist. Ich hoffe, dir gefällt davon was." Er reichte das Tablet an Martha.

"Wie will hast du dir bitte runtergeladen? Jetzt ist bestimmt dein ganzer Speicherplatz voll." Sie scrollte durch die Serien und Filme. "Stranger Things? Ich liebe diese Serie!", rief Martha erfreut.

"Ich auch." Till lächelte.

Sie legte sich auf die Kissen und Till startete die erste Folge. Martha legte ihren Kopf auf seine Schulter. Sie war so glücklich, dass sich ihre Mundwinkel nicht mehr senken wollten.

Till blickte zu ihr. "Du grinst wie ein Honigkuchenpferd! Weißt du eigentlich, wie süß du gerade aussiehst?"

Martha sah tief in seine strahlend blaue Augen. Sie lehnte sich vorsichtig etwas nach vorne. Auch Tills Gesicht näherte sich Marthas. Ihre Lippen waren nur noch wenige Centimeter von einander entfernt.

Till schloss die Lücke und legte seine Lippen auf ihre. Nach einem kurzen Kuss nahm Till seine Lippen von ihren, doch ihre Gesichter blieben nah. Till schaute Martha fragend an, er war sich unsicher, ob Martha das gleiche fühlte, wie er.

Martha fackelte nicht lange und legte ihre Lippen auf seine. Vor lauter Glücksgefühlen lächelte sie in den Kuss hinein. Till legte seine Hände um ihre Hüften und Marthas Hände fuhren durch seine blonden Locken.

Atmenlos lösten sie sich voneinander. "Deine Locken sind so flauschig!", bemerkte Martha grinsend. Till lachte über die Freude in ihren Augen.

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryDove le storie prendono vita. Scoprilo ora