XIV: von Videos und gaffenden Blicken

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Plötzlich wurde Kasimir ruckartig von Martha weggerissen. Es war Till, der sich wütend vor Kasimir aufbaute. "Wie kannst du es wagen, uns zu filmen und es dann der ganzen Schule zu zeigen?"

Kasimir grinste bloß. "Hat da etwa jemand Angst um sein Image?"

"Nein, habe ich nicht. Aber hast du nur für eine Sekunde daran gedacht, wie sie sich jetzt fühlt?", erwiderte Till fassungslos.

Marthas Unterlippe bebte leicht. Till warf ihr einen besorgten Blick zu und griff nach ihrer Hand. Ein Raunen ging durch die Menge.

Tills Augen blitzten vor Wut auf, bevor er sich zu den Schülern umdrehte. "Und ihr, ihr seid kein Stückchen besser! Verbreitet Gerüchte und seht gespannt dabei zu, wie jemand private Sachen aus irgend einer Laune heraus öffentlich macht. Ihr solltet euch schämen!"

Seine Rede zeigte Wirkung, zumindest bei den meisten. Etliche Gesichter wurden rot und die gaffenden Blicke fanden einen beschämten Weg zum Boden. Die ersten Schüler drehten sich um und gingen.

"Kasi,...", meldete sich Nele zu Wort, "ich weiß, dass du furchtbar sauer bist, aber das geht zu weit!"

Kasimir hörte nicht auf sie. "Mische du dich nicht ein!", erwiderte er mit einem arroganten Seitenblick auf Nele.

Martha reichte es. Sie schob Till leicht zur Seite und stellte sich vor ihn. "Kasimir, ich weiß, dass die Situation echt scheiße für dich ist. Wenn du mich wirklich so liebst, oder geliebt hast, wie du immer gesagt hast, dann schalte dieses Video jetzt aus, sofort."

Kasimirs überhebliches Lächeln war verschwunden. Stattdessen sah er etwas verzweifelt aus. "Martha, ich liebe dich. Deswegen mache ich das hier."

"Nein, wenn du mich lieben würdest, würdest du wollen, dass es mir gut geht. Das einzige, was du mit dem Video erreichst, ist das du dich besser fühlst, weil deine Rache geglückt ist."

Kasimir fuhr sich durch seine Haare. Nach kurzem Zögern, wand er sich von Martha ab und ging zu seinem Computer. Ein paar Tastenanschläge später war das Video verschwunden und der reguläre Vertretungsplan flimmerte wieder über den Bildschirm.

"Danke.", sagte Martha und lächelte erleichtert.

Kasimir packte hektisch sein Zeug ein. Er drängte sich an den Schülern vorbei nach draußen. Als sich Kasimir kurz umdrehte, sah Martha eine leere in seinen braunen Augen, die sie erschaudern ließ.

Als Kasimir aus dem Schulgebäude raus war, begann er zu rennen.

Martha blickte zu Till. Dieser öffnete seine Arme. "Komm her."

Das ließ sich Martha nicht zweimal sagen. Sie lief zu ihm und ließ sich von Till in eine feste Umarmung ziehen. Till strich ihr über die Haare und Martha merkte, wie sich ihr Puls langsam normalisierte.

"Willst du zurück ins Internat? Ich lasse mir irgendeine Ausrede einfallen.", fragte Till besorgt.

"Quatsch, mir geht es gut.", erwiderte Martha kopfschüttelnd.

"Bist du sicher? Das ist echt kein Problem."

"Till, mir geht es gut. Ich bin bloß etwas verwirrt und enttäuscht, wirklich." Martha lächelte ihm aufmunternd zu. "Mache dir um mich keine Sorgen."

Nele kam auf die beiden zu. "Ist alles okay bei dir?", fragte sie sichtlich aufgewühlt.

Martha nickte nur. "Wir müssen los, der Unterricht fängt gleich an."

Während des gesamten Schultages ging ihr Kasimir nicht mehr aus dem Kopf. Sie konnte nicht glauben, dass er das gemacht hatte. Sie war verwirrt. So verwirrt, dass sie sich nicht einmal sicher war, was sie gerade fühlte. War es Wut, Enttäuschung oder hatte sie ein schlechtes Gewissen?

Sie grübelte und grübelte und konnte sich überhaupt nicht auf den Unterricht konzentrieren.

Als der Schultag endlich vorbei war und sie mit Till und Nele das Schulgebäude verlies, sah sie Kasimir, der an einer Wand lehnte und offensichtlich auf sie gewartet hatte.

Er kam auf die drei zu. Als Till ihn entdeckte, stellte er sich vor Martha. "Was willst du?", fragte er argwöhnisch.

Kasimir lehnte sich an Till vorbei und sah mich an. "Können wir reden? Es ist mir wirklich wichtig." Seine Arroganz und Überheblichkeit von vorhin war verschwunden.

"Tja, Pech gehabt. Sie will aber nicht mit dir reden!", erwiderte Till, bevor Martha überhaupt die Möglichkeit hatte, etwas zu antworten.

Kasimir ließ traurig den Kopf hängen und drehte zum zum Gehen um. "Es tut mir leid. Ich werde dich in Ruhe lassen."

Martha bekam Mitleid, als sie ihn so sah. Es war immer noch Kasimir. Der Kasimir, der sie geliebt hatte, den sie geliebt hatte und mit dem sie eine unbeschreiblich schöne Zeit verbracht hatte.

"Warte!", rief sie ihm hinterher. Kasimir drehte sich erstaunt um. Sie eilte zu ihm und sagte: "Wenn du reden willst, hier bin ich."

Nele und Till sahen sie fassungslos an.  "Leute, es ist okay. Geht schon mal vor.", sagte Martha in ihre Richtung.

Till sah nicht sehr begeistert aus und machte keine Anstalten zu gehen, bis Nele in kurzerhand hinter sich her  zog.

Als sie endlich alleine waren, liefen sie zu einer Bank und setzten sich. Es herrschte eine unbehagliche Stille zwischen den beiden.

"Über was wolltest du mit mir reden? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!" In Marthas Stimme lag ein Hauch von Genervtheit, der auch Kasimir auffiel.

Er seufzte, bevor er anfing: "Ich wollte mich bei dir entschuldigen, für alles. Es war so unglaublich unfair von mir, dich für alles verantwortlich zu machen. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurück drehen."

"Aber das kannst du nicht. Ich bin mit Till zusammen und ich liebe ihn."

"Ich weiß.", erwiderte Kasimir resigniert.

"Ich erwarte nicht, dass du es gut findest, aber bitte höre auf, uns zu schikanieren."

"Ich verspreche dir, dass ich so etwas nie wieder machen werde." In Kasimirs Stimme lag Reue.

Martha lächelte leicht. "Das hoffe ich. Auch wenn wir nicht mehr zusammen sind, habe ich nicht vergessen, was ich mal für dich gefühlt habe. Ich will dich nicht als Feind haben, okay?"

Kasimirs Augen wurden größer. "Du verzeihst mir?"

Martha nickte. "Ja. Aber eine Bedingung habe ich. Ich habe einen Gefallen gut bei dir, okay?"

"Klar!" Die Leere in Kasimirs Augen verschwand und er lächelte erleichtert.

Till und Martha - eine Schloss Einstein-LovestoryWhere stories live. Discover now