9. Der andere Wald

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Das Rascheln unserer Schritte, während wir über den mit Blättern bedeckten Boden gehen, ist das einzige Geräusch weit und breit. Nicht einmal die Autos aus der Nähe um den Wald kann man hören. Wahrscheinlich liegt das daran, dass das Blätterwerk den Lärm dämpft.

Ich lege den Kopf schief. Wenn man ganz genau lauscht, kann man das Rauschen der Fahrzeuge im Hintergrund jedoch trotzdem vernehmen.

»Wo laufen wir hin?«, frage ich zum bestimmt hundertsten Mal. Fox knurrt entnervt und zischt: »Gib endlich Ruhe!« Auch mit dieser Antwort bin ich zum jetzigen Zeitpunkt wesentlich vertrauter, als mir lieb ist. 

Mein Plan ist es, ihn so oft zu nerven, bis ihm endlich der Geduldsfaden reißt und er mir antwortet. Leider scheint er ziemlich stur zu sein, also wird das vermutlich nichts.
Einen weiteren Versuch ist es mir jedoch trotzdem wert.

Ich könnte natürlich genauso gut einfach warten, bis wir da sind. Aber um ehrlich zu sein: Ich weiß gerne was mich erwartet. Überraschungen konnte ich noch nie leiden.

»Wie weit ist es noch?«, quengle ich extra zickig. »Meine Füße tun langsam weh«, füge ich noch sicherheitshalber hinzu. Jetzt muss er einfach anbeißen! Meine Füße pochen in diesen billigen Stoffschuhen tatsächlich nur so vor sich hin, ich habe also die Wahrheit gesagt.

Plötzlich fährt Fox herum und baut sich nur Zentimeter vor mir auf. Erschrocken schnappe ich nach Luft. »Hoppla!«, entfährt es mir. Sein schwarzer Blick durchbohrt mich.

»Hör mal, ich weiß ganz genau, was du da für ein Spiel spielst. Lass. Es. Sein«, knurrt er drohend. Wut macht sich in mir breit und ich balle die Hände zu Fäusten. Was bildet er sich eigentlich ein?!

Ich bin schon kurz davor wütend mit dem Fuß aufzustampfen wie ein kleines Kind – aber das würde mich auch dementsprechend kindisch dastehen lassen, deshalb verkneife ich es mir.

Stattdessen hebe ich würdevoll den Kopf und halte seinem Blick stand. Wortlos starren wir uns in die Augen, jeder versucht den anderen zum Aufgeben zu zwingen. Das hier ist mehr als nur ein Blickkontakt. Es ist ein Machtkampf.

Fox Augen wirken im Sonnenlicht orange wie dunkler Bernstein. Doch kaum, dass sich die Sonne hinter einer Wolke verzieht, sind sie wieder bodenlos dunkel wie schwarzer Kaffee.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem so kalten und gleichzeitig heißem Blick ausgesetzt worden zu sein. Das Gefühl, das mich dabei überkommt, lässt sich wohl am besten mit ›Unwohlsein‹ umschreiben, auch wenn es das nicht ganz ist... Es ist ein solch facettenreiches Befinden, dass es schwer zu fassen ist.

Plötzlich legt sich ein sanfter roter Schleier über seine Wangen und den Nasenrücken und er blinzelt ein paar Mal schnell hintereinander. Ich erinnere mich nicht, ihn jemals in der kurzen Zeit die wir uns kennen, erröten gesehen zu haben.

Ein lautes Rascheln im Unterholz lässt uns beide zusammenzucken und auf diese Weise den Blickkontakt unterbrechen.

Mit einem Mal ist er wieder wie verwandelt. Fox, das Raubtier, ist an die Oberfläche getreten und observiert unsere Umgebung Millimeter für Millimeter wie ein Scanner. Schon wieder wage ich es nicht, auch nur das kleinste Bisschen Luft zu holen.

Mit angehaltenem Atem beobachte ich abwechselnd ihn und den Wald. Unwillkürlich sehe ich mich ebenfalls um. Was (Oder vielleicht wer?) war das?

Ein letztes Mal lässt er den Blick langsam und gründlich um uns schweifen, dann weicht auf einmal die Spannung aus seinem Körper, fast so, als hätte er einen Schalter umgelegt. Er schüttelt den Kopf und murmelt: »Das war nur ein Dachs.«

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