8. Funken

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Wut flutet meine Adern, als würde nicht länger Blut, sondern zähflüssige Lava in ihnen fließen. Doch ich werde mir wohl oder übel noch mehr solchen Mist aus seinem Mund anhören müssen, ich sollte mich also gleich daran gewöhnen. Also schlucke ich meine Wut eisern herunter. 

Fox packt ein kleines zerfleddertes Notizbuch aus seiner hinteren Hosentasche und zückt einen Stift. Er schreibt erst schweigend ein paar Zeilen, dann richtet er das Wort an mich.

»Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«, will er wissen. »Vor vier Tagen. Er war bei mir daheim, hat sich verabschiedet als wär nichts, und ist dann einfach gegangen.«

Ich erinnere mich noch daran, als wäre es vor zwei Sekunden passiert. Sein übliches schiefes Lächeln an der Tür, ein kurzer Abschiedskuss, dann ging er. Ich war so unfassbar ahnungslos. Ich hatte absolut keinen Schimmer, dass es das letzte Mal sein würde, dass ich ihn sehe.

Hätte ich nicht irgendwas merken müssen?
Ich bin seine Freundin! Mir hätte doch irgendwas auffallen müssen, oder nicht?

Immer und immer wieder spiele ich unseren Abschied seitdem in Gedanken durch, aber ich bemerke einfach nichts Ungewöhnliches – was mich wiederum noch mehr beunruhigt.

Als ich das Fox mitteile, kneift er nur die Augen zusammen. »Kannst du dir irgendwie vorstellen, warum...«, er prustet in sich rein, »... Jack verschwunden sein könnte. Irgendeine Idee?« Ich knurre frustriert.

»Ich hab dir doch grad gesagt, dass...«

»...du nichts bemerkt hast, schon klar. Aber ich frage dich, ob du dir irgendwas vorstellen könntest.« Ich starre Fox verwirrt an. »Wie? Ich verstehe nicht... was...«, stottere ich.

Er verdreht die Augen. »Also, pass auf: Sieht es ihm ähnlich mal für eine Weile zu verschwinden? Hat er sowas schon mal gemacht?« Vehement schüttele ich den Kopf.
»Er ist nie für mehrere Tage einfach so abgehauen, ohne was zu –« Moment.

Er zieht sich manchmal gern zurück, wenn er eine Auszeit braucht. Auch ohne etwas zu sagen.
Der Unterschied zu jetzt ist nur, dass er immer wieder zurück gekommen ist. Er hat mir sogar einmal einige seiner Rückzugsorte gezeigt: Das Baumhaus zum Beispiel, oder die abgelegene Feuerstelle am Fluss.

Fox scheint gemerkt zu haben, dass mir etwas eingefallen ist und neigt sich gespannt zu mir vor. Ich erkläre ihm kurz, woran ich gerade gedacht habe. »Dann nichts wie hin!«, entfährt es ihm ungeduldig. 

Er macht schon Anstalten aufzustehen, da drücke ich seine Schultern nach unten, sodass er wieder auf den Stuhl plumpst. Er wirkt so überrumpelt von meiner Aktion, dass er sich nicht einmal gegen meine Berührung wehrt.

»Langsam mit den jungen Pferden! Ich war schon an all diesen Orten, da ist nichts.«

Er löst sich aus seiner Starre und schüttelt den Kopf. Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht er mich vielsagend an. »Du hast vielleicht nichts gesehen, aber dass da nichts ist, muss nicht sein. Die Spur sollten wir auf jeden Fall verfolgen. Wir gehen zuerst zum Baumhaus.«

Und damit erhebt er sich erneut entschlossen von seinem Stuhl, diesmal ist der Widerstand zwecklos. »Komm schon, los!«, drängt Fox.

Er packt mich am Arm und zieht mich hoch. »Aua, wegen dir kriege ich noch blaue Flecken!«, protestiere ich.

»Wir haben keine Zeit zu verschwenden!«

Seine Wangen sind gerötet, die Kohle-Augen sprühen Funken und sein Haar scheint in diesem Licht wie eine Stichflamme zu züngeln. 

Offensichtlich ist Fox ein sehr leidenschaftlicher Mensch. Wenn er mir nicht so in der Quere wäre mit seinem Enthusiasmus, würde ich ihn fast dafür bewundern. Aber momentan nervt es doch ziemlich.

FoxtrottWhere stories live. Discover now