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„Chloe! Chloe, hier bin ich!", rief Evelyn mir zu, als ich aus der Kantine kam. „Hey Eve", sagte ich. Sie saß auf den Spinden im hinteren Teil der Schule. Hinter der Kantine, wo das Licht kaputt war und es nach Zigarettenrauch und undefinierbarem anderen Zeug roch. Sie hielt mir die Hand hin und half mir auf den Spind.

„Ich brauche deinen Rat. Elyas hat mich gefragt, ob ich mit ihm gehen möchte". Evelyn klang aufgebracht und ich runzelte die Stirn. „Ähm... bist du denn in ihn verliebt?", fragte ich. Ich hatte mich nicht auf ein Mädchengespräch eingestellt und somit auch keinen wirklich guten Rat für sie parat. Was vielleicht auch damit zusammenhing, dass ich selber noch keinen Freund gehabt hatte. Außer, Joey aus dem Kindergarten zählte mit. Aber da war ich gerade mal vier, also schloss ich das aus.

„Naja, also bis jetzt haben wir noch nie darüber geredet... wir küssen uns halt und so, aber ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass er wirklich in mich verliebt ist. Oder verarscht er mich? Vielleicht verarscht er mich nur, Chloe! Vielleicht ist es eine Wette oder so. Ich meine, ich hatte schon viele Beziehungen, aber das ist länger her. Keine Ahnung, was man da machen soll. Eigentlich gefällt es mir so, wie es jetzt ist", sagte sie.

Mein Gehirn musste die neuen Informationen erst einmal verarbeiten. „Sorry, aber ich glaube, ich bin die letzte, die dir Tipps in Sachen Beziehungen geben kann", gab ich zu und Evelyn legte den Kopf schief. „Warum? Hattest du etwa noch nie einen Freund?"
War das so offensichtlich?

„Hm, also eigentlich... nein, noch nie...bis jetzt, aber...", druckste ich herum und Evelyn riss die Augen auf. „Aber du hast doch schonmal jemanden geküsst oder?", fragte sie überrascht und ich schüttelte den Kopf.

„Warum? Erzähl mir nicht, du hast noch nie für einen Jungen geschwärmt. Glaub mir, mit deinem Aussehen könntest du jeden kriegen. Warum hast du es nie versucht?" Ich unterbrach ihren Redeschwall.
„Ich möchte niemanden küssen."
„Warte, jetzt komm ich nicht mehr mit. Erläutere das mal bitte!"
Ich seufzte.

„Ich habe Angst davor. Ich habe Angst davor, jemanden zu küssen. Es ist unhygienisch und eklig. Ich kann das einfach nicht", gestand ich und Evelyns Augen weiteten sich. „Das darf doch nicht wahr sein, Chloe verdammt! Da stehen eine Menge Jungs auf dich und du denkst noch nicht mal daran, einen von ihnen zu küssen! Weißt du was? Geh zu Brandon und küss ihn. Als Übung für den Ernstfall."

Ich schüttelte energisch den Kopf. „Das geht nicht! Er mag mich doch gar nicht! Außerdem bin ich auch nicht in ihn verliebt", wehrte ich mich.
„Na und? Brandon ist das egal. Der küsst Alles, was hübsch ist."
Ich verzog das Gesicht.
„Ist ja widerlich", beschwerte ich mich und Evelyn und zuckte belustigt mit den Schultern.

„Jetzt mach schon! Stell dir einfach vor, ich bin deine Therapeutin. Du machst eine Kusstherapie und das ist der einzige Weg, deine Angst zu überwinden", beharrte sie und schubste mich leicht von den Spinden.Dann sprang sie selber hinunter. Sie schubste mich lachend weiter in Richtung Brandon, der am Ende des Flurs stand.

„Ich mache das nicht", warnte ich sie. Doch leider klang ich nicht ganz so sicher, wie ich vorgehabt hatte. Ich musste dringend an meinem Durchsetzungsvermögen arbeiten. Doch da stand ich schon vor Brandon.

Eve flüsterte ihm schnell irgendwas ins Ohr und er grinste. Dann setzte sich Evelyn wieder auf den Spind und beobachtete uns. Am liebsten hätte ich ihr noch einen wütenden Blick zugeworfen, doch sie war schon weg.

„Hey Chloe", sagte Brandon. „Hat dir schon mal jemand gesagt, wie wunderschön du bist?"
Ich fühlte mich nicht sonderlich wohl, da ich keine Komplimente gewohnt war.
„Danke", antworte ich schlicht.

„Okay, also Eve hat mir eine Aufgabe gegeben, zu der ich nicht Nein sagen würde", sagte er. Igitt. Doch bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, spürte ich seine Lippen auf meinen. Ich hatte keine Chance, mich von ihm zu lösen, da er mich festhielt. Ich presste die Lippen aufeinander und Brandon hob irritiert seinen Kopf. Dabei ließ er mich jedoch nicht los.

„Du musst schon den Mund aufmachen, Kleine", sagte er, als wäre es total normal, dass er gerade mit Jemandem rumknutschte, den er kaum kannte. „Nein, passt schon", sagte ich mit sarkastischem Unterton und wandt mich aus seinem Griff. „Man sieht sich", rief er mir hinterher. Er war immer noch verwirrt. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, Körbe zu kassieren.

Evelyn grinste mich an, als ich wieder bei ihr ankam und ich schlug ihr gegen das Bein, welches vom Spind herunter baumelte. „Ihr seht unglaublich heiß zusammen aus!", betonte Eve und ich wurde rot. „Und? Wie wars?", fragte sie und ich verdrehte die Augen.
„Eklig."
„Und...?"
„Ich habe nicht zugelassen, dass er mich mit Zunge küsst und trotzdem war es eklig."
Evelyn stöhnte leise auf.

„Naja. Wir kriegen das schon hin", sagte sie, als wäre ich ein schwieriger psychiatrischer Fall, oder so.

„Außerdem haben wir eigentlich über dich und Elyas geredet", wechselte ich das Thema und Eve zuckte mit den Schultern. „Ich werde Ja sagen. Aber nur für eine Probezeit. Ich weiß nicht, ich glaube, ich bin einfach nicht so richtig der Beziehungstyp. Aber ich kann es ja mal ausprobieren. Außerdem mag ich Elyas. Er ist nett." Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und sie fügt hinzu: „Zu mir."

Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Nate auf uns zukam. Evelyn drehte sich um und sah ihn ebenfalls. „Guck mal, Chloe. Da ist dein süßer Freund. In welcher Klasse ist er?", fragte sie.
„In der 11. glaube ich. Woher kennst du ihn?"
„Ich habe euch gestern zusammen gesehen", sie zuckte mit den Schultern.
„Wie heißt er denn?"

„Nate", aus irgendeinem Grund war mir nicht wohl bei dieser Situation.
„Oh, keine Sorge Chloe, er ist definitiv nicht mein Typ. Du kannst ihn haben", schmunzelte Eve und mir blieb kurz die Luft weg.
„Wir sind nur Freunde, aber danke für die Info."
„Na gut. Ich lasse euch mal alleine."

Evelyn zwinkerte mir zu und ich verdrehte genervt die Augen.
„Hey", sagte Nate. Eve grinste ihn an, sprang von den Spinden und war ziemlich schnell verschwunden.


Manchmal trägt das Glück Socken in SandalenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt