23 - Neuanfang

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Ich kam heulend zu Hause an. Ich hatte mit so einer Reaktion nicht gerechnet.

Er hatte sich so gut mit Greta verstanden.

Ich hatte so viel Hoffnung darein gesteckt, dass er für sie ein Vater sein könnte. Dass sie auch eine männliche Bezugsperson hatte und jemanden, der ein gutes Vorbild für sie war. Das alles war nun verpufft wie eine Seifenblase.

Wir hatten uns in den letzten Wochen so gut verstanden. Wir hatten ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Hatte ich mir all das eingebildet?

Ja, ich hatte Verständnis, dass es ein Schock war. Aber dass er mich gleich anbrüllte? Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Er hatte so hasserfüllt gewirkt, fast schon bedrohlich.

Ich kam in Marius Haus an und fühlte mich sofort unwohl hier.

Greta und ich konnten unmöglich in diesem Haus wohnen bleiben. Ich fühlte mich hier nicht willkommen und nach seiner Reaktion war ich mir sicher, dass er uns hier auch nicht mehr haben wollte. Also begann ich unsere Sachen zu packen. Ich konnte nicht aufhören zu weinen.

Es hätte alles so schön sein können. In den letzten Wochen war es auch schön gewesen. Was war denn nur passiert, dass er so reagierte?

Sein Gesicht, als ich es ihm gesagt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Wie konnte man sich nur so sehr in einem Menschen täuschen?

Ich fühlte mich dumm, weil ich wirklich daran geglaubt hatte, dass Marius Teil des Lebens von Greta und mri sein könnte. Ich war so naiv gewesen.


Da wir die letzten Wochen keine Miete zahlen musste, hatte ich nun genug finanzielle Rücklagen, sodass wir für ein paar Tage in ein Hotel ziehen konnten. Ich wüsste nicht, wo wir sonst hinziehen sollten.

Ab Anfang nächsten Monats hatten wir eh dank Marius Hilfe eine neue Wohnung bekommen.

„Wo fahren wir hin?", fragte Greta als ich sie von der Schule abholte.

Es tat mir so leid für sie, dass wir schon wieder in einer so chaotischen Lebensphase waren. Greta hatte ein so viel besseres Leben verdient als das, das ich ihr bieten konnte.

„In ein Hotel", informierte ich sie. „Wir können bei Marius nicht mehr wohnen."

Entsetzt sah sie mich an und blieb stehen.

„Was? Nein! Warum?"

Entäuschung machte sich in ihrem Gesicht breit. Ich wünschte auch, dass ich ihr erfreulichere Nachrichten hätte mitteilen können.

„Es geht einfach nicht mehr. Es tut mir leid, Süße."

Ich konnte ihre die wahre Begründung nicht nennen.

„Will er uns nicht mehr haben? Hat er uns rausgeschmissen?", fragte Greta sichtlich verletzt. „War es wegen der Frau gestern? Weil ich so sauer war, dass ich nicht einschlafen konnte?"

Greta schien mit den Nerven vollkommen fertig zu sein .
„Nein, Schätzchen. Es hat nichts mit dir zu tun. Du hast nichts falsch gemacht. Er mag dich. Das weißt du doch." Ich nahm sie in den Arm. „Es ist einfach eine sehr schwierige Situation für ihn."

Meine schwammigen Worte stellten sie nicht zufrieden.

„Aber kann ich ihn wiedersehen?"

Darauf hatte ich keine Antwort. Wenn ich an seine Reaktion von vorhin dachte, dann vermutlich nicht. Er hatte kalt und herzlos gewirkt. Als gäbe es nichts Schlimmeres auf der Welt als zu erfahren, dass Greta seine Tochter war. Er hatte nicht so gewirkt, als würde er einen von uns beiden je wiedersehen wollen. Eher im Gegenteil. Er hatte so ausgesehen als wolle er, dass ich in der Hölle schmorte.

Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass er Freudensprünge macht, aber mit so etwas hatte ich auch nicht gerechnet.

„Ich weiß es nicht, Greta. Marius hat gerade ein paar Probleme, die er klären muss."

Ich wusste nicht einmal, was mit meinem Job war. Unter den Umständen könnten Marius und ich unmöglich zusammenarbeiten. Ich würde kündigen müssen.

Ich hatte das Gefühl auf einmal wieder vor dem Nichts zu stehen. Ich musste mir schnellstmöglichen einen neuen Job suchen, sonst würde ich wieder aus der neuen Wohnung fliegen.

„Was denn für Probleme?", hakte Greta nach.

Ich wünschte, dass ich ihr ihre Fragen beantworten könnte. Doch was genau Marius Problem, konnte ich selbst nicht sagen. Ich war mir sicher, dass es etwas gab, von dem ich nichts wusste. Sonst hätte er nicht reagiert.

„Ich kenn die auch nicht so genau. Ich weiß nur, dass er gerade eine schwierige Phase durchmacht. Wir müssen einfach ein bisschen Geduld haben", versuchte ich sie zu beschwichtigen.

Greta seufzte.

Für eine Sechsjährige hatte sie wirklich kein leichtes Leben.

"Ich will nicht schon wieder umziehen", jammerte sie.

"Ich auch nicht, Schatz. Ich auch nicht. Aber wir haben leider keine Wahl."

My Little SecretWhere stories live. Discover now