9 - Persönliches

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„Haben Sie den Nagellack abbekommen?", erkundigte ich mich am nächsten Tag, als ich Marius im Vorzimmer seines Büros antraf.

Er lächelte und sah zu Boden.
„Ehrlich gesagt bin ich dazu noch nicht gekommen." Ich musste mir eingestehen, dass ich schon nachvollziehen konnte, warum ich mich damals auf ihn eingelassen hatte. Er war ein wirklich attraktiver Mann. „Aber Sie haben da wirklich eine süße Tochter und sehr gut erzogen."

Wow, war das ein Kompliment von ihm?

Es gab kein besseres Kompliment, das man mir machen könnte. Und das diese Wort auch noch von ihm kamen, machte die Sache um so besser. Dass die beiden sich schon kennengelernt hatte und sogar mochten, war vielleicht gar keine so schlechte Ausgangslage.

„Danke."

„Ich habe übrigens noch einen Überfall auf Sie vor. Heute ist ein Kongress zu dem ich Sie bitten möchte mitzukommen. Ich brauch jemand, der ein bisschen Protokoll mitschreibt. Würden Sie mitkommen? Es ist hier ganz in der Nähe und Sie könnten auch pünktlich Feierabend machen."

Ich hatte nichts dagegen aus dem Bürokasten hier rauszukommen.

„Ja, kein Problem."

Zehn Minuten später saß ich auf dem Beifahrersitz seines BMWs. Dieses Auto war der Inbegriff von Protz.

„Ich wollte Ihnen übrigens sagen, dass ich bis jetzt mit Ihrer Arbeit äußerst zufrieden bin. Sie haben wirklich gehalten, was Sie versprochen haben und ich mag das, wenn man nicht nur eine große Klappe, sondern da wirklich auch etwas dahintersteckt."

„Danke."

„Ich hoffe, dass es Ihnen auch gefällt!"

Rechnungen bearbeiten, Krankmeldungen bearbeiten und Emails schreiben. Wenn das nicht die Erfüllung im Leben war! Glaubte er wirklich ich machte das aus Spaß?

„Ja", log ich.

Ich klang wenig überzeugend und war sicher, dass er meine Lüge enttarnte.

„Darf ich fragen, wie alt Sie sind? Sie kommen mir noch so unfassbar jung vor."

„27."

Er zog beide Augenbrauen nach oben. Damit hatte er wohl nicht gerechnet.

„Wow, das sieht man Ihnen wirklich nicht an." Als ob 27 so alt war. „Da haben Sie Ihre Tochter aber auch früh bekommen."

Ja, dank dir!

Ich bereute Greta nicht. Aber ich bereute den Zeitpunkt. Wenn ich sie nur ein Jahr später bekommen hätte, dann hätte ich noch mein Studium abschließen können und vieles wäre vermutlich anders gelaufen.

„Hmm."

Er schien zu merken, dass ich auf das Thema nicht gut zu sprechen war.
„Tut mir leid. Ich wollte nicht zu persönlich werden", entschuldigte er sich sofort.

„Schon okay."

Während der weiteren Fahrt beschränkten wir uns nur noch auf Smalltalk. Irgendwie begann ich ihn zu mögen. Hinter dieser arroganten Fassade steckte tatsächlich ein ganz passabler Kerl, der mir sogar die Autotür öffnete, als wir den Veranstaltungsort erreichten.

In dem Gebäude aus Beton und Glas wimmelte es von Anzugträgern. Die anwesenden Frauen konnte ich an einer Hand abzählen. Und wenn mir mal eine über den Weg lief, dann dackelte sie genau wie ich mit einem Notizbuch in der Hand einem Anzugträger hinterher.

Marius versuchte nett zu sein und begann mir die einfachsten wirtschaftlichen Zusammenhänge zu erklären. Offenbar hatte er meinen Lebenslauf nicht gelesen, denn dann wüsste er, dass ich immer hin 5 Semester Wirtschaftsingeneurwesen studiert und jedes Modul mit 1,0 abgeschlossen hatte. Auch die BWL- und VWL-Klausuren. Aber von mir aus sollte er ruhig denken, dass ich ein kleines Dummchen war.

„Naja, das ist alles ganz schön kompliziert, aber wenn man sich damit beschäftigt, kann das wirklich spannend sein", sagte er schließlich.

„Ja, das glaube ich."

„Sagen Sie mal, es gibt hier eine Dachterrasse. Wollen Sie kurz mit raufkommen? Ich würde gerne eine rauchen. Danach ist dann auch Feierabend für heute. Wenn Sie wollen, setze ich Sie auf dem Rückweg beim Hort von Greta ab."

Es überraschte mich, dass er rauchte. Er roch nicht danach. Normalerweise trugen Raucher immer diese widerliche Wolke mit sich herum, doch sein Geruch hatte immer etwas sehr Frisches.

„Ja, ich komme mit und das wäre wirklich nett, wenn Sie mich absetzen könnten. Es ist auch nicht weit weg vom Firmensitz."

„Na klar, kein Problem."

Bildete ich es mir ein oder war er wirklich deutlich netter geworden? Es schein fast so, als hätte Greta das Eis zwischen uns gebrochen.

Wir gingen auf die Dachterrasse und genossen den Windzug.

„Sie können wirklich gut mit Kindern", ließ ich ihn wissen. „Greta war hin und weg von Ihnen."

Ihm schien diese Aussage zu gefallen.

„Naja, Greta macht es einen aber auch sehr einfach sie zu mögen. Aber ja, grundsätzlich mag ich Kinder."

Das war doch schon mal eine gute Grundvorraussetzung.

„Habe Sie denn auch welche?"

Er ließ seinen Blick in die Ferne schweifen und schüttelte den Kopf.

„Nein ich habe keine Kinder und will auch keine."

Okay, vielleicht doch keine so guten Vorraussetzungen.

Mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Zu gerne würde ich den Grund wissen, doch ich befürchtete, dass jedes weitere nachfragen zu weit gehen würde. Immerhin war er mein Chef und das noch nicht sonderlich lange.

Doch dieser Satz hatte gesessen. Keine Kinder? Das ließ meinen Plan ihm irgendwann mal von Greta zu erzähl in sehr weite Ferne rücken.

My Little SecretWhere stories live. Discover now