7 - Käuflich

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Als ich das Dienstgebäude verließ, sah ich fünf verpasste Anrufe aus dem Hort auf meinem Handy.

Das war gar kein gutes Zeichen. Ich hatte noch nie auch nur einen einzien Anruf aus dem Hort bekommen.

Irgendetwas musste mit Greta sein.

Sofort wählte ich die Nummer um zurückzurufen. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an bis endlich jemand den Anruf abnahm. Derweil malte ich mir 1000 Szenarien aus, was mit meinem Kind passiert sein könnte. Das trug nicht zu meine Entspannung bei.

„Hallo, hier ist Romy Schneider, die Mutter von Greta. Ist alles in Ordnung mit ihr?", ratterte ich in mein Handy.

„Ach Frau Schneider, gut dass sie anrufen", ertönte die junge Stimme von Greta Erzieherin. "Wir hatten wegen Greta angerufen. Sie ist beim Fangespielen ungünstig gefallen und hat sich dabei eine Platzwunde auf der Stirn zugezogen. Wir waren mit ihr schon in der Notaufnahme. Es wurde genäht und sie war wirklich tapfer. Sie ist im Moment auch erstaunlich munter und es geht ihr gut. Sie hat den ersten Schock überwunden. Kein Grund zur Sorge."

Besonders die letzte Aussage beruhigte mich ein wenig. Trotzdem wollte ich im Moment nichts mehr, als einfach nur meine Tochter ganz fest in den Arm zu nehmen.

"Ich komme sofort, um sie abzuholen. Tut mir leid, dass ich nicht früher an mein Handy gehen konnte. Ich hatte heute meinen ersten richtigen Arbeitstag"; entschuldigte ich mich. "Sagen Sie ihr bitte, dass ich gleich da bin und wir heute einen Fernsehabend mit Popcorn machen. Sie soll sich schon mal einen Film überlegen, den wir schauen können."

Es war Gretas erste Platzwunde. Es tat mir unendlich leid, dass ich nicht bei ihr war, als sie genäht werden musste. In solchen Momente sollte es die Mutter sein, die dabei Händchen hielt und nicht eine Erzieherin. Ich bekam ein unglaublich schlechtes Gewissen.

„Alles klar. Richte ich ihr aus! Ach zur Info noch: Der Arzt meinte, dass Greta morgen besser noch zu Hause bleiben sollte und hat sie krankgeschrieben."

Ohjee! Der dritte Arbeitstag und schon musste ich fehlen. Verdammt!

Das war wirklich kein guter Start bei diesem Job.

„Okay, bis gleich!"

Ich stand noch vor dem Dienstgebäude. Vielleicht sollte ich es Marius besser persönlich sagen.
Also lief ich die Treppen wieder hoch.

Vorsichtig klopfte ich an seine geschlossene Tür.

Ich hatte Bammel es ihm zu sagen. Ich hatte ihm heute unbedingt beweisen wollen, dass ich die perfekte Mitarbeiterin war und nun musste ich mich schon am dritten Arbeitstag krankmelden.

„Herein!", ertönte seine tiefe, rauchige Stimme.

Ich öffnete die Tür und sah in sein überraschtes Gesicht.

„Sie? Ich dachte, sie müssen unbedingt Ihre Tochter abholen?"

Er hatte eine Augenbraue hochgezogen und schien an meiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln.

„Ähm, ja. Das muss ich auch. Es ist nur so, dass ich eben einen Anruf aus dem Hort bekommen habe, dass meine Tochter sich den Kopf angeschlagen hat und sie morgen noch zu Hause bleiben soll. Da ich alleinerziehend bin, werde ich morgen nicht zur Arbeit kommen können. Jemand muss sie beaufsichtigen."

Nun hatte ich seine Aufmerksamkeit.

„Das geht nicht!", sagte er sofort. "Ich brauche Sie! Frau Hübner ist doch auch nicht da. Das Büro kann nicht komplett unbesetzt sein."

„Ich weiß, dass das ungünstig ist, aber was soll ich denn machen?"

Ich konnte Greta unmöglich allein zu Hause lassen. Dazu war sie viel zu klein.

Er zuckte mit den Schultern.

„Bringen Sie sie doch einfach mit!"

Oh nein! Auf gar keinen Fall würde ich diese beiden Menschen in einen Raum haben wollen.
„Das halte ich für keine gute Idee."

„Bitte Frau Schneider!" War das etwas ein Betteln von ihm? "Von mir aus bekommen Sie für den Tag auch einen Gehaltszuschlag, aber das Sekretariat muss besetzt sein."

Geld. Ich brauchte Geld.  So traurig es war, aber damit konnte man mich wirklich locken. Ich war käuflich.

„Bitte!", flehte er. Wow, es schien ihm wirklich wichtig zu sein. „Von mir aus kann ihre Tochter mir auch die Zehen in Glitzerpink lackieren, aber bitte lassen Sie mich nicht im Stich."

Für einen winzigen Augenblick musste ich kurz schmunzeln. Als ob er sich die Zehennägel lackieren lassen würde. Er sah so aus, als würde er nicht einmal einen Buntstift anfassen, weil ihm das nicht seriös genug war.

„Das sollten Sie nicht meiner Tochter sagen. Sie macht das wirklich! Nur ist Blau eher ihre Farbe."

„Umso besser!", scherzte er. „Also kommen Sie?"

Ich sollte das nicht tun. Es war nicht richtig die Beiden aufeinander treffen zu lassen ohne dass sie wussten in welcher Beziehung sie zueinanderstanden.

„Okay", hörte ich mich sagen.

Ich blöde Kuh!

Aber ich konnte nun mal jeden Cent gut gebrauchen.

My Little SecretWhere stories live. Discover now