13 - Was hier geschieht, bleibt auch hier

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Dass diese Firma nicht auf der Schwelle zur Insolvenz stand, erkannte man an dieser Betriebsfeier. Es war ein riesiger Saal gemietet worden, wo alle Stühle mit weißen Hussen überzogen wurden und ein Buffet aufgetischt wurde, das wohl selbst die Queen zufrieden stellen würde.

Vielleicht sollten sie mal lieber mehr in die Gehälter des Personal investieren als in luxuriöse Betriebsfeiern.

Mia, die sich bereit erklärt hatte auf die Kinder aufzupassen, hatte mir sogar ein Kleid geliehen, damit ich nicht zu underdressed auftrat. Alle Damen zwängten sich in Cocktailkleider und Highheels.

Marius sah wie immer aus wie aus dem Ei gepellt.

„Frau Schneider! Sie sehen großartig aus!", begrüßte er mich.

Er kam auf mich zu, legte eine Hand auf meine Schulter und gab mir einen Kuss auf die Wange. Er roch so verdammt gut. Dieser Mann schien keine Schweißdrüsen zu besitzen.

„Danke."

„Ihre erste Firmenfeier bei uns, nicht wahr?"

Ich nickte.

„Sie werden es lieben! Und vergessen Sie das Motto nicht: Was auf der Firmenfeier geschieht, bleibt auch auf der Firmenfeier."

Irritiert sah ich ihn an. Hatte er schon getrunken? War das eine Anspielung?

„Ich habe schon gehört, dass die Feiern hier legendär sein sollen", sagte ich knapp. Das war auch der Grund gewesen, warum Mia auf diese Party freiwillig verzichtet hatte. Zu viel Alkohol, zu viele Führungskräfte, die sich daneben benahmen und zu viel Fremdschämen.

Zunächst lief alles jedoch noch gesittet ab. Jeder nahm ein paar Häppchen zu sich, es wurde ein bisschen geplaudert und gelacht. Schließlich kam der Auftritt des DJs und es zog erstaunlich viele auf die Tanzfläche.

Ich tanzte zwar gerne, aber doch nicht vor den Big Bosses dieses Unternehmens.

„Ich dachte, sie feiern nicht mehr die Nächte durch?", erkundigte ich mich bei Marius, der sich erstaunlich rhythmisch zur Musik bewegte.

„Naja, einmal im Jahr kann schon mal eine Ausnahme machen", rief er laut, um die Musik zu übertönen. Er wirkte deutlich ausgelassener als sonst.

Er legte seine Hand um meine Hüfte.
Nanu! Da gehörte die aber eigentlich nicht hin.

„Kommen Sie schon! Nicht so verkrampft", sagte er flirtend.

Was geschah hier?

Er kam mir sehr nah. Einerseits wollte ich mit ihm eng umschlungen tanzen, doch auf der anderen Seite wusste ich ganz genau, dass ich gerade von allen angestarrt wurde. Immerhin war er mein Chef und ich seine Assistentin.

„Herr von Hagen", versuchte ich so leise wie möglich zu sagen. „Es sehen uns alle an."

„Na und?", sagte er schulterzuckend.

„Das ist mir unangenehm", zischte ich. "Nehmen Sie bitte Ihre Hand von mir."

Sofort wich er von mir zurück, als wäre ich eine Wespe, die ihn gerade gestochen hatte. Das war wohl die Folge der #metoo-Debatte. Es gab kaum etwas Vernichtenderes für einen Chef als das Gerücht, dass er Frauen begrabtschte.
„Das tut mir leid! Ich wollte sie in keine unangenehme Situation bringen", entschuldigte er sich sofort.

Nun wirkte er peinlich berührt und deutlich nüchterner. 

„Schon okay. Ich glaube, ich geh erst einmal ein bisschen frische Luft schnappen."

Ich fühlte mich wie damals, als ich in seinen Bann gezogen wurde. Noch zu gut erinnerte ich mich daran wie attraktiv ich ihn gefunden hatte. Und heute war es exakt das gleiche Gefühl. Er hatte dieses gewisse Extra, dem man sich nicht entziehen konnte.

Ich ging auf den Balkon und lehnte mich dort gegen die Brüstung um den Windhauch zu spüren. Ich brauchte einen klaren Kopf. 

„Es ist schön hier draußen, oder?", ertönte eine Stimme hinter mir.

Natürlich war es Marius.

„Hmm."

„Es tut mir wirklich leid, falls ich Sie bedrängt haben sollte."

Er schien wirklich ein schlechtes Gewissen zu haben.

„Ach darum ging es gar nicht. Es war mir nur unangenehm, dass alle geschaut haben."

Er zog eine Augenbraue hoch.

„Also fanden Sie meine Anwesenheit und meine Nähe gar nicht so störend?"

So hatte ich das eigentlich nicht formulieren wollen, doch im Prinzip war es genau so. Ja, verdammt. Ich fand ihn unglaublich attraktiv und nachdem ich ihm den Kuss nach unserem Restaurantbesuch verwehrt hatte, hatte ich die ganze Nacht wach gelegen und es bereut. 

Er stellte sich direkt neben mich, sodass unsere Schultern sich berührten.

„Ist das eine Anmache?", fragte ich direkt.

Er lachte.
„Nur wenn Sie wollen, dass es eine Anmache ist."

Mein Herz klopfte schneller. Warum musste er so verdammt attraktiv sein? Er hatte etwas Unwiderstehliches. Er hatte diese muskulöse Statur, die athletisch wirkte, aber nicht wie die von einem Pumper, der sich ständig Eiweißshakes reinschüttet. Letztendlich war es aber das süße Lächeln und diese Teddybäraugen, die mir vollkommen den Kopf verdrehten.

Ja, ich wollte, dass es eine Anmache war.

„Sie wissen ganz genau, wie sie Frauen um den Finger wickeln können, oder?", fragte ich und versuchte mich zusammenzureißen. 

„Das haben Sie jetzt gesagt!", lachte er. Ich hatte schon so lange keinen Körperkontakt mehr zu Männern gehabt. Als Alleinerziehende konnte ich an einem Finger abzählen mit vielen Männern ich seit Gretas Geburt geschlafen hatte. „Aber Sie wissen doch auch wie Sie Männer rumkriegen können. Sie sind eine sehr attraktive Frau."

So mutig wie in diesem Moment bin ich vermutlich noch nie zuvor gewesen. Und vermutlich auch noch nie so dumm. Ich stellte mich auf Zehenspitzen, drehte seinen Kopf zu mir und küsste ihn. Was tat ich hier nur? Er wirkte für einen Moment überrumpelt, doch erwiderte den Kuss schnell.

Wow, er konnte küssen.

Ich wurde süchtig nach ihm. Ich wollte mehr und gemäß seiner Körpersprache ging es ihm genauso.

„Lass uns in mein Büro gehen", flüsterte er mir ins Ohr.

Mein Herz hämmerte in meiner Brust.

Ich widersprach nicht, auch wenn ich es hätte tun sollen.

Durch eine Feuertreppe gingen wir in die Etage, in dem sein Büro war. Hier waren die Gänge leer, sodass uns niemand sah. Wir waren wie junge Teenager, die nicht voneinander lassen konnte.

My Little SecretWhere stories live. Discover now