12 - Sieben Kartons und zwei Koffer

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„Danke, Mia! Ich wüsste wirklich nicht, was ich machen würde, wenn ich dich nicht hätte!"

Ich spannte das Laken auf die Couch.

Es war klar, dass wir hier nicht ewig bleiben konnten. Es war eine Zweizimmerwohnung, in der wie jetzt zu viert wohnten. Ich würde mit Greta voerst auf einer Couch schlafen.

„Ich bin doch gern für dich da!", sagte Mia liebevoll. "Ich weiß doch wie schwer du es hast. Zwar ist der Vater von Jashua ein absoluter Vollpfosten, aber immerhin zahlt er. Ohne dieses Geld wüsste ich auch nicht, wie ich über die Runden kommen sollte."

„Ich habe auch schon Wohnungen rausgesucht und Besichtigung vereinbart", informierte ich sie, damit Mia auch wusste, dass das hier nur eine absolute Notlösung war und ich so schnell wiederausziehen würde, wie es nur ging.

Greta saß traurig in der Ecke. Wir hatten all unsere Möbel verkaufen müssen, da wir sie hier nicht unterbekamen. Unser Leben bestand nur aus zwei Koffern und sechs Umzugskartons.

„Schätzchen", sagte ich und setzte mich zu ihr auf den Boden. „Wir finden bestimmt bald eine neue Wohnung und dann kaufen wir uns schöne neue Möbel."

„Aber den Kuschelsessel kann man nicht neu kaufen. Der war von Oma!"
„Ich weiß."

„Und meine Kommode mit den Schildkrötengriffen hatte Opa gebaut."
„Ich weiß und das tut mir auch leid. Ich wollte die ja auch nicht verkaufen, aber es ging nicht anders. Wo hätten die Möbel denn hingesollt?"

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hasse es arm zu sein", murmelte sie unverständlich.

Ihre Worte trafen mich hart auch wenn ich sie so gut verstehen konnte. Ich hasste es auch arm zu sein. Ich hatte noch nie zuvor wahrgenommen, dass Greta es bewusst war, dass wir kaum Geld hatten. Für sie versuchte ich immer die heile Welt zu spiele, doch dieses Mädchen war verdammt pfiffig.

Ich nahm sie in den Arm.
„Ich weiß, dass es nicht schön ist, wenn man nicht so viel Geld hat, aber überleg mal: Es gibt Kinder, die haben noch viel weniger. Die haben nicht mal eine Familie."

„Einen Papa habe ich doch auch nicht", sagte sie und ich konnte sehen wie sich Tränen in ihren Augen bildeten."Und Oma und Opa sind auch nicht mehr da."

So sehr ich mir auch Mühe gab: Mir war stets bewusst gewesen, dass ich einen Vater nicht vollkommen ersetzen konnte.

Ich dachte an Marius und überlegte wie so oft, ob ich es ihm nicht endlich sagen sollte. Doch er wollte keine Kinder. Das hatte er mir nun schon zweimal gesagt.

„Ich habe dich ganz doll lieb. Das weißt du doch, oder?", fragte ich sie und ich war erleichtert, als sie sofort nickte.

„Ich dich doch auch Mama, aber ich will auch einen Papa. So wie alle anderen auch. Ich bin die einzige, die ihren Papa nicht kennt."

Ich strich ihr tröstend über den Kopf. Ich hatte Greta immer erzählt, dass es nur eine kurze Bekanntschaft mit ihrem Papa war und er einfach verschwunden sei, ohne dass ich irgendetwas über ihn wusste. Je älter sie wurde umso mehr Fragen kamen diesbezüglich auf.

„Können wir nicht versuchen ihn zu finden?"

Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.

Mir wurde jedoch schmerzhaft bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich musste mit Marius sprechen. Ich musste es ihm sagen. Ich hatte keine Wahl. Meine Tochter sollte wenigstens die Chance auf einen Vater haben. Was Marius dann daraus machte, konnte ich nicht beeinflussen. Ich konnte nur hoffen, dass er mir verzieh, dass ich es ihm so lange nicht gesagt hatte und er zumindest für Greta eine Art Vaterfigur sein könnte.

My Little SecretWhere stories live. Discover now