Entdeckt

86.4K 1.4K 93
                                    

Kapitel 1
Luna
Luna wiederstand nur mit Mühe den kindlichen Drang, sich die Ohren zuzuhalten als sie dicht hinter Veronica das Zentrum dieser merkwürdigen Discothek betrat. Die Lichter waren grell und reizten ihre Augen, bis sie kaum etwas sehen konnte. Der Bass wummerte von den steinernen Wänden und es war so stickig hier unten, dass sie das Gefühl hatte nicht genügend Luft zu bekommen. Außerdem war es voll.
Menschen drückten sich an den Rand der Tanzfläche und eine dichte Traube hatte sich rund um die Theke versammelt, die die einzige Getränkequelle in diesem Keller darstellte. Die einzige Chance etwas Kühles zu erhalten.
Das hier war nicht ihre erste Disco, die Luna betreten hatte, auch wenn Veronica sie, nicht ganz zu Unrecht, für eine absolute Langweilerin hielt. Menschenmassen waren eigentlich absolut gar nichts für sie, sie bevorzugte die Stille der Universitätsbibliothek oder ihr Zimmer im Wohnheim.
„Du hast gesagt, hier ist es eher ruhig!", erinnerte Luna ihre Mitbewohnerin an ihr Versprechen, ohne das Luna sich nicht hatte dazu breitschlagen lassen ihr hierher zu folgen. Veronica drehte sich mit einem überheblichen Lächeln zu ihr um und schien sie trotz der Lautstärke verstanden zu haben.
„Sie scheinen die Eintrittsvoraussetzungen etwas gelockert zu haben, zum Glück. Sonst wärst du so sicherlich nie hereingekommen!", meinte sie und brachte damit bereits zum vierten Mal an diesen Abend ihr Missfallen über Lunas Outfit zum Ausdruck. Sie und Veronica waren nicht wirklich befreundet, sie teilten sich lediglich eine Studenten-Wohnung . Sie waren also dazu gezwungen gewesen miteinander auszukommen, denn keiner von ihnen konnte es sich leisten alleine zu wohnen. Mittlerweile aber haben sie sich insoweit angenähert, das sie zumindest beschlossen hatten heute Abend etwas miteinander zu unternehmen. Aber das würde nicht lange anhalten, das wusste Luna. Sobald das Semester wieder begann und Veronica ihr Studium beginnen würde, würde sie sich als Erstes einen Freundschaftskreis suchen der ihren Ansprüchen besser genügte als ihre streberhafte Mitbewohnerin.
Noch aber war Veronica neu in der Stadt und begnügte sich somit mit ihrer Anwesenheit. Was Lunas Kleid anging: Sie fand es süß. Sicherlich war es nicht so freizügig wie Veronikas enganliegendes schwarzes Minikleid, mit dem tiefen Ausschnitt und dem Saum, der kurz unter ihrem Po endete, aber Luna hatte nie den Wunsch verspürt sich zur Schau zu stellen.
Wenn sie gemein sein wollte, könnte man mit Fug und Recht behaupten das Luna in Veronikas Outfit wesentlich besser ausgesehen hätte als diese selbst und irgendwie ahnte Luna, dass auch ihre Mitbewohnerin das wusste und es deshalb nicht müde wurde Lunas Kleid zu kritisieren.
Es war ebenfalls schwarz, ärmellos und hatte einen Baby-doll-Schnitt der hochgeschlossen aber eng ihre Brüste umspielte und mit einem roten, breiten Seidenband unterhalb ihrer Brüste den einfach herabfallenden Stoff in Form hielt. Die Schleife an ihrem Rücken passte zu denen, die sich an den Riemchen ihrer roten, hohen Schuhen befanden und die halb durchsichtige Strumpfhose mit den kleinen Punkten sorgte dafür, dass sie bei den niedrigen Temperaturen draußen nicht fror. Ja, ihr Kleid war wesentlich gesitteter, endete an der Mitte ihrer Oberschenkel und schwang frei um ihre Hüfte, so dass man ihre schmale Taille und ihre wohl gerundeten Hüften nicht sofort bemerkte.
Luna wusste, dass sie hübsch war. Es war nicht nötig ihre vollen Lippen mit Lippenstift künstlich zu vergrößern, ihre sowieso schon dunklen Augen umrahmt mit dunklen, langen Wimpern weiter zu mystifizieren oder sich die Haare aufwendig zurechtzumachen. So wie Veronika, die ohne Mascara und künstliche Wimpern wie ein Fisch aussah. Um genau zu sein hatte sich Luna heute nicht geschminkt, das tat sie schließlich nie. Ihre Haut war rein, ihre Langen nussbraunen Haare wellten sich am Ende zu schönen Korkenzieherlocken und die Männer beachteten meisten sowieso nur ihre langen Beine und ihr üppiges Dekolleté. Die wenigsten sahen ihr ins Gesicht, die Zeit zum Zurechtmachen konnte sie sich also weiß Gott sparen.
„Ich bin lediglich mitgekommen, weil du nicht alleine gehen wolltest, wenn du mich nicht dabeihaben willst, dann sag es und ich bin wieder weg. Ich muss mir sowieso nicht anschauen, wie du von einem Männerschoß, auf den nächsten rutschst!", kommentierte Luna wenig freundlich und Veronika zog ihre schmale Lippen zusammen und blinzelte ihr entschuldigend zu.
„Tut mir leid, Süße. Ich wollte wirklich nicht gemein klingen. Komm, wir gehen zur Bar und holen uns etwas was unsere Gemüter abkühlt und während du dann an der Theke zuschaust, wie ich von ein Männerschoß zum nächsten rutschen kannst du dir ja mit Phil wilde Sex-Nachrichten schreiben, ja?", lächelte Veronica auf diese unverkennbar und tatsächlich beneidenswert einnehmende Art, die irgendwie jeden in seinen Bann schlug. Man konnte von ihr sagen, was man wollte, aber sie war sympathisch und stand zu ihrer Art zu leben. Luna hatte nichts gegen Frauen, die ihre Bekanntschaften genauso exzessiv wechselten wie die Männer des gleichen Schlages und Veronica hatte nie irgendjemanden vorgeheuchelt, sie würde es nicht tun. Sie war, wer sie war und sie hatte nicht vor sich zu ändern. Das machte sie zu einer erfrischend ehrlichen Person, was Luna sofort zu schätzen gewusst hatte.
„Phil schläft sicher schon", gab Luna zu bedenken und sah das Augenrollen ihrer Mitbewohnerin, ohne dass sie es wirklich hätte sehen können. Natürlich schlief Phil nachts um zwei bereits. Er gehörte zu den wenigen guten Jungen auf der Uni die es sich nicht zu Lebensaufgabe gemacht hatten, sich durch den ganzen Jahrgang zu schlafen. Luna ging bereits seit drei Monaten mit ihm aus und bis jetzt hatte er noch nicht einmal den Versuch unternommen ihr näherzukommen, als es für einen Kuss nötig gewesen wäre.
„Oh, ich bin mir sicher, wenn du ihm ein Bild von deinen Titten schickst, ist er hellwach!", gab Veronica von sich und kämpfte sich mit Luna an der Hand durch die Menschenmengen und versuchte sich mit anzüglichen Gesten die Aufmerksamkeit des Kellerns zu ergattern. Aber der Trick mit den weiten nach vorne lehnen, damit man ihr direkt in den Ausschnitt schauen konnte, machten andere wesentlich besser als sie.
Es dauerte bis Luna und Veronica ihre Getränke bekamen und noch bevor der Barmann wieder verschwand, tranken sie das erste Glas in einem Zug aus und bestellten sich gleich eine weitere Runde. Natürlich trank Luna keinen Alkohol, aber das würde Veronica schon wieder ausgleichen.
„Gott tat das gut. Wollen wir erstmal tanzen?", fragte Veronika und Luna besah sich fast schon ängstlich die Tanzfläche, die immer noch viel zu klein für all diese Leute war. Wieder kam ihr in den Sinn, dass diese Diskothek nicht wie die anderen war, das hatte sie sich schon ganz zu Beginn des Abends gedacht als Veronika sie durch Hinterhöfe und Seitenstraße zu der Metalltür gebracht hatte, wo eine grob gehauene Treppe tief nach unten führte und sie dann erst zu den Türstehern gelangten, die weder nach Ausweisen noch sonst etwas gefragt hatten. Veronica hatte lediglich eine schwarze Visitenkarte vorgezeigt und war dann eingelassen worden.
„Nicht unbedingt, sag mal: was war das eigentlich für eine Visitenkarte?", fragte Luna und während Veronika an ihren Wodka schlürfte, zuckte sie mit den Schultern und begann sich auf der Stelle im Takt der Musik zu bewegen.
„Die hab ich von irgendeinen Typen bekommen und der meinte, das würde mir exklusiven Eintritt hier reinverschaffen, aber wie es aussieht, ist heute sowieso Tag der offenen Tür, der Türsteher hat gemeint, die brauche ich heute nicht." Das hatte Luna nicht einmal mitbekommen.
„Willst du wirklich nicht tanzen?", fragte Veronica und Luna schüttelte wieder den Kopf.
„Geh ruhig, ich kann deine Tasche solange nehmen", bot Luna an und Veronika schenkte ihr schönstes Lächeln. „Danke. Du bist ein Schatz, ich bleibe in Sichtweite, okay?" fügte sie noch an und gab Luna die kleine Clutch in der sich außer ein bisschen Bargeld, diese merkwürdige Visitenkarte und ein Ausweis nichts weiter befand. Auch Luna hatte genau diese Vorkehrungen getroffen und behielt beide Handtaschen im Arm, während sie dabei zusah wie Veronica sich in der Menge bewegte und dann zusammen mit den anderen quasi zu einer einzigen Masse verschmolz. Luna blieb am Rand stehen, wurde aber schnell von anderen Barbesuchern zur Seite geschoben und lächelte Veronika immer mal zu, wenn diese sich zu ihr umdrehte. Doch umso länger sie in der Masse blieb umso seltener wurde es und als sich endlich ein Typ an sie schmiegte, schien Luna ganz vergessen und Luna kämpfte sich zum Tresen, um sich noch etwas zu trinken zu bestellen.
Es dauerte ohne den aufreizenden Trick ihrer Mitbewohnerin sicherlich eine halbe Stunde bis der Barmann sie überhaupt bemerkte und ihre Bestellung aufnahm. Luna blickte sich über die Schulter, erhaschte einen Blick auf Veronicas wasserstoffblonde Locken und kramte in der Tasche nach einigen Geldscheinen.
Aus versehen aber leider in der falschen. Der Barmann kam zurück und betrachtete sie ungeduldig als Luna ihren Fehler bemerkt und nach ihrer Handtasche griff.
„Wird's bald?", fragte eine andere Frau hinter ihr und kurzum griff Luna nach einigen Dollar aus Veronicas Tasche und reichte sie dem Barmann, wobei sie sich vornahm es ihrer Freundin gleich zurückzugeben. Als sie das Wechselgeld erhielt, musste Luna aber erst diese Visitenkarte aus dem kleinen Fach nehmen um das Geld hinein zu tun und steckte sie sich für eine Sekunde zwischen die Lippen, bis sie das Rückgeld verstaut hatte und...
„Die brauchst du aber heute nicht!", entfuhr es einer männlichen Stimme neben ihr und als sie sich zu dem Mann umdrehte, der sie angesprochen hatte, war sie wirklich dankbar immer noch diese Visitenkarte zwischen ihren Lippen zu haben, denn ansonsten wäre ihr der Mund offen stehen geblieben.
Gott, sah der Typ gut aus.
Luna war eigentlich niemand der sich von schönen Gesichtern und Attraktivität blenden ließ, aber seine Attraktivität musste man einfach neidlos anerkennen. Im gleißenden Licht der hektischen Beleuchtung, schienen seine Haare einen sehr hellen Blondton zu haben und seine Augen schimmerten in einem schönen satten blau. Sein Gesicht war kantig, die Linien seines Kiefers grob gehauen und das Lächeln auf seinen Lippen schwebte zwischen sexy, spöttisch und anzüglich. Er war groß, seine Schultern breit und als sie ihn eine Weile betrachtete hatte, schätzte Luna ihn auf ungefähr zehn Jahre älter als sie selbst. Anfang dreißig vielleicht, denn nichts an seinem Gesicht war mehr Jungenhaft und er trug die Selbstsicherheit eines Mannes zur Schau, der schon viele Herzen gebrochen hatte.
Als sie ihn nur anstarrte, ohne ihm zu antworten, wurde sein grinsen breiter und ... wissender. Oh ja, der Kerl wusste genau, wie er aussah und wie junge Frauen wie Luna auf ihn reagierten. Er streckte die Hand aus und nahm ihr die Visitenkarte aus dem Mund um sie zwischen seinen Fingern zu betrachten. Er trug ein weißes Hemd, dessen Ärmel bis zu den Ellenboden lässig aufgerollt waren und die ersten Knöpfe standen offen, so dass Luna das silberne Schimmern einer Kette wahrnahm, die er darunter trug.
„Ähm, ich weiß. Hab ich auch mitbekommen", stammelte Luna lediglich, schaffte es endlich das Geld zu verstauen und nahm dem Kerl die Visitenkarte wieder ab. Er schien nicht begeistert, dass sie sich so schnell wieder aus seinem Bann befreit hatte und für eine Sekunde wurde sein Blick so dunkel, als würde die Finsternis selbst sie anstarren. Sie verstaute die Karte ohne Worte, ließ kurz ihre Wangenmuskeln zucken, um nicht allzu unhöflich zu wirken und entfernte sich mit ihrem Getränk wieder von der Bar.
Sie mochte solche Männer nicht. Sie waren arrogant und rechthaberisch, egal wie gut er aussaß, sie weigerte sich, sich von so einem Kerl den Kopf verdrehen zu lassen. Sie hatte auch gar keine Zeit dafür. Schließlich begann bald das dritten Semester und sie hatte die Chance das Studium ebenso vorschnell abschließen zu können wie zuvor die High-School, was ihr wiederum eine Menge Geld sparen würde. Zwar hatte sie ein Stipendium, aber wenn sie wieder vorzeitig fertig wurde, würde ein Bonus auf sie warten, den sie dringend gebrauchen konnte. Ihr Journalismus Studium versprach leider nicht automatisch einen guten Job bei einer angesagten Zeitung und ein Notgroschen konnte nun wirklich nicht schaden. Schließlich hatte sie nicht die Gelegenheit einfach nach Hause zu gehen, wenn das hier nicht klappte. Sie war im Heim aufgewachsen und obwohl sie mit dieser Aussage immer traurige Blicke erntete, erfüllte sie selbst es nie mit Bedauern. Sie war nie in eine Pflegefamilie gekommen, die sie hätten schlecht behandeln können, das Heim war hervorragend gewesen und die Erzieherinnen und Erzieher hatten ihr nicht das Gefühl gegeben irgendetwas zu vermissen. Luna war anständig erzogen und war nun eine selbstständige junge Frau, die ihren Weg ging. Sie war eine verdammte Erfolgsgeschichte und das würde sie sich sicherlich nicht von einem hübschen Lächeln kaputtmachen lassen.
Natürlich konnte sie nicht wissen, was der Kerl überhaupt vorgehabt hatte oder ob irgendetwas passiert wäre, aber ihr Instinkt hatte ihr geraten zu gehen und in der Regel hörte sie auf ihren Instinkt, der sie bis jetzt immer vor Schwierigkeiten bewahrt hatte.
Luna sah sich wieder um: Veronika war nicht zu sehen, doch da Luna immer noch ihre Tasche hatte, würde diese schon von selbst zurückkommen, spätestens wenn sie Durst hatte und deshalb machte sich Luna keine Sorgen um ihre Freundin und sah sich lässig in ihrer Näherin Umgebung um, als ihr ein Mann auffiel, der sie die ganze Zeit anstarrte.
Es war nicht der blonde Typ von vorhin, der hier war genau das Gegenteil von ihm. Ebenfalls groß, mit breiten Schultern, aber dunkelhaarig und mit Piercings im Gesicht. Auf diesen Typ Mann stand Luna so gar nicht, aber zu ihrem Leidwesen musste sie auch diesem Exemplar neidlos anerkennen, wie verdammt gut er aussah, trotz oder gerade wegen dem ganzen Metall im Gesicht. Zwei Ringe an der linken Augenbraue, Tunnel in den Ohren und ein böse aussehenden Dorn unterhalb seiner Lippen. Sein Gesicht sah sogar noch etwas gröber aus als das des blonden und seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde er nicht einmal versuchen charmant zu sein. Er trug ein T-Shirt und eine tief sitzende Jenas und beides verbarg nicht viel von diesem muskulösen Körper, der sich darunter befand. Er lehnte lässig an einer Wand ganz in ihrer Nähe und starrte sie direkt an, ganz so als hätte sie ihn bestohlen und er wartete nur auf genau den richtigen Zeitpunkt, um sie dafür zu bestrafen.
Bei dem blonden war die Warnung in ihrer Magengegend zwar definitiv vorhanden gewesen, aber bei dem Kerl schlug er quasi ein Purzelbaum und drückte so viel Adrenalin in ihre Venen, dass ein Fluchtreflex von ihr Besitz ergriff, der sie dazu trieb auch den Platz am Rand aufzugeben und sich selbst aktiv auf die Suche nach Veronica zu begeben.  

Beta: Geany

Take it Deep, Babygirl - Seven SinsDove le storie prendono vita. Scoprilo ora