Kapitel 22: Mittagessen mal anders

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Erschrocken ging Narfi zu Boden, einer der Wachen griff nach Vali um ihn von seinem Bruder herunterzureißen, zog sich dabei jedoch nur eine tiefe Kratzspur am Unterarm zu.
Gerade wollte er sein Wächterschwert hervorziehen, um den Wolfsjungen von seinem Halbbruder herunterzubekommen, da hatte Narfi sich bereits aus dessen Klauen befreit und hielt seinen Bruder fest in den Armen.
Zunächst hatte Vali sich gesträubt, doch Narfi war stärker als er und nicht durch Verzweiflung angefressen und konnte seinen Bruder somit gerade so in Schach halten.
Staunend bemerkte er, dass Vali in seiner Mutation sehr viel Stärker war als normalerweise.

"Shhh, sag das nicht, du bist kein Monster! Du bist ein.. Ein Wunder!"

Ein Zittern ging durch Valis ganzen Körper und als Narfi aufsah, waren Fell und Krallen verschwunden.
Auch die Augen seines Bruders schienen wieder normal, doch Narfi bildete sich ein, in den helblau-grünen Seelenspiegeln dennoch einen leichten Anschein von Bernsteingelb ausmachen zu können.

"Und jetzt lass uns zu den anderen gehen. Loki und Thor warten sicher schon. Alles klar?"

Valis nickte geknickt und folgte seinem großen Bruder dann durch seine Zimmertür.

Der Weg durch die labyrinthartigen Gänge des Raumschiffs kam dem Jungen unendlich lang vor und schließlich konnte er die niederschlagende Stille nicht mehr ertragen und räusperte sich.

Narfis eisblaue Augen trafen auf Valis grünlich blaue, sein Blick war fragend.

"Du willst zu diesem Bauger?"

"Ja.", antwortete dieser knapp.

"OK. Und... Denkst du, Loki wird dich einfach in die Verliese lassen?"

Narfi lachte auf:"Ich bin der verdammte Kronprinz. Ich habe Zutritt zu fast allem auf diesem Raumschiff."

Vali nickte, fragte sich jedoch dennoch, zu welchen Orten Narfi keinen Zutritt hatte, und warum.
Er erschauerte:gab es hier... Einen Folterkeller?

Nein, das konnte doch gar nicht sein...
Oder?

***

" Du willst WAS bitte?! "

Narfi kauerte sich in seinem Sitz zusammen und plötzlich wirkte er nicht mehr so selbstbewusst wie noch ein Paar Minuten zuvor.

"Loki, nun halt doch mal die Luft an, willst du deinen Sohn nicht mal ausreden lassen..."

Carol sah aus, als wäre sie den Tränen nahe und sofort verfluchte sich Narfi selbst, dass er diese dämliche Frage gestellt hatte.
Dann sollte Loki halt auf sich allein gestellt sein und sich so verhalten, aber Carol Danvers, die für ihn wie eine Mutter war, durfte darunter nicht leiden!
Er hatte alles nur noch schlimmer gemacht.

"Nein Thor, ich werde nicht 'die Luft anhalten'. Und dieser Ausdruck ist eines Königs unwürdig, wenn du mich fragst.
Narfi, du gehst nicht in die Verliesen zu diesem übermenschlichen Abschaum!"

Carol sprang auf, ihre hellbraunen Augen glänzten vor Wut und die Längen ihrer Locken wippten, als sie anfing völlig in Rage auf ihren Ehemann einzureden.

" Loki, ich weiß ja nicht, was in letzter Zeit mit dir los ist, oder was zwischen dir und diesem Bauger vorgefallen ist, aber ich kann es mir nicht mehr ansehen, wie du in Selbstmitleid schwelgst und ich will es mir nicht mehr anhören, wie du jeden einzelnen Menschen der dich liebt, sei es Thor oder deine Söhne, wie du uns von dir wegstößt!
Entweder du sagst mir-"

Sie atmete zittrig ein und fuhr sich mit einer Hand über die kurzen Haare an ihrem Hinterkopf.
Resigniert blickte sie in die Runde.
Loki starrte sie emotionslos an.

" Entweder du sagst mir was dein VERDAMMTES Problem ist, oder du kannst gehen."

Loki blinzelte langsam, dann nickte er.

"Gut."

Er stand auf, würdigte keinen seiner Verwandten einen Blick und verließ den Saal.

Carol, die Vali als starke und selbstbewusste Frau kennengelernt hatte, brach auf ihrem Stuhl zusammen, Tränen strömten ihr über die Wangen.

Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen , Thor stand auf und legte ihr eine Hand auf die bebenden Schultern.

Narfi war Kreidebleich geworden und starrte an die Stelle, an die noch vor wenigen Sekunden sein Vater gesessen hatte.
Ihm war schlecht.

"Ich glaube es ist besser, wenn ihr jetzt geht.", sagte ihr Onkel leise und sofort sprang Narfi, wie von der Tarantel gestochen, auf und stürmte ebenfalls durch die Flügeltüren aus Thors Speisesaal.

Vali blickte verstört auf seine Mutter, die in sich zusammengesunken war und stark zitterte.
Er kannte das. Sie hatte eine Panikattacke!

Wut flammte in ihm auf: Wieso konnte sein Vater denn nicht einfach mit ihnen reden?!

"Vali. Du auch."

Er riss seinen Blick von Carol los und blickte zu seinem Onkel.
Thors Gesichtsausdruck war eindeutig:
Das hier war nicht verhandelbar.

Langsam stand er auf und verlies ebenfalls den Raum.
Langsam deswegen, weil seine Beine plötzlich wie Gummi waren.
Gott, wieso konnte er nicht einen einzigen ruhigen Tag haben?

Die schweren Türen schlossen sich hinter ihm und ratlos blieb er stehen.
Was nun?
Loki war erneut wie vom Erdboden verschluckt und wo sein Bruder war, wusste Vali auch nicht.
Sein Blick fiel auf einen Jungen, der im Gang saß und in einem Buch Runen las. Er sah aus als wäre er 10, aber so wie Vali sich hier inzwischen auskannte, war er sehr, sehr viel älter.

Er ging zu ihm hinüber und räusperte sich. Der Junge blickte auf und hob fragend die Brauen:
"Ja?"

"Ich hab eine Frage an dich und zwar-"

"Moment mal! Bist du Prinz Vali?!", unterbrach ihn der Junge und klappte das Buch zu.
Gespannt beugte er sich vor:
"Ist es wirklich wahr, dass Ihr nur wie ein Mensch altert?"

Ernsthaft.

"Ja, aber das ist doch jetzt völlig egal!", knurrte Vali genervt.

Der andere strich sich über die kurzen Haare und nickte entschuldigend:
"Alles klar. Was wollt Ihr von mir wissen?"

"Hast du eventuell Loki gesehen? Oder Narfi?"

"Ja, Loki ist in diese Richtung gelaufen. Prinz Narfi habe ich nicht gesehen."

Er deutete den Gang runter in die Richtung, in der er leicht nach unten führte.
Vali schluckte hart.

"Ist... Ist das der Weg zu den Verliesen?"

"Ja. Wieso?", fragte der Junge, doch Vali hetzte bereits den Gang in besagter Richtung hinunter.

"Fuck. Fuck-Fuck-Fuck.", murmelte er, als er an gefühlt unendlich vielen Seitengängen vorbeilief, der Gang schien niemals zu enden.

Endlich kam er an einer Stahltür an, die komischerweise nicht abgeschlossen war.
Vali versuchte, nicht daran zu denken, doch ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken wenn er sich vorstellte, was Loki in den Verliesen tuen könnte.

Lokison- WolfheartedWhere stories live. Discover now