Kapitel 3: Schmerzen

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Mit dem Argument, dass er sehr müde wäre wimmelte er  Clarissa glücklicherweise ziemlich schnell ab.
Leise, um die anderen nicht zu wecken, schlich er die Treppe zu Flur 5a hinauf und in sein Zimmer.
Sobald er den dunklen Raum betrat flammte plötzlich die Deckenbeleuchtung auf und sein Zinmergenosse Clark stand mit verschränkten Armen ihm gegenüber.

Vali stieß einen Laut des Erschreckens aus und griff sich an die Brust, in der sein Herz für einen Schlag ausgesetzt zu haben schien.
Als wäre es nicht so, dass er sowieso schon auf dem Zahnfleisch lief, nach der Sache mit dem Fremden und dem Brief...!!

"Clark du Idiot!", sagte er leise und gab seinem Mitbewohner eine Kopfnuss.

"Wo warst du denn so lange?", fragte Clark, Neugier stand ihm förmlich in das runde, von Sommersprossen gesprenkelte Gesicht geschrieben.

Vali seufzte und ging zu dem Hochbett hinüber um sich seine Schlafsachen anzuziehen.

"Kriege ich noch ne Antwort?", fragte Clark skeptisch und beobachtete Vali, während dieser mit seiner Jeans kämpfte, die an den Knöcheln so eng war, dass er sie nur schwer über die Füße bekam.

"Och lass mich doch mal in Frieden!", knurrte er genervt.

"Jaja, musst ja nicht gleich aggressiv werden!", murmelte Clark und begann, das Hochbett hinauf zu klettern.
Die Holzbalken knartschten unter seinem Gewicht bedenklich, da Clark nicht unbedingt der schlankeste war.
Manchmal machte sich Vali Sorgen, dass das obere Stockwerkbett hinunterstürzen und ihn zerdrücken würde...

Vali unterdrückte eine bissige Antwort, er wusste ja selbst, dass er zu übertriebenen temperamentvollem Verhalten neigte, nur manchmal rutschten ihm die falschen Worte einfach aus dem Mund.
Deswegen hatte ihn bisher auch keine Pflegefamilie behalten wollen...

Wenn er wüsste wer seine Eltern waren, könnte er wenigstens sicher sein, dass diese schlechte Eigenschaft nicht einfach nur von ihm kam. Vielleicht war seine Mutter auch ein bisschen Jähzornig gewesen? Oder sein Vater...

Er schlüpfte unter die kühle Bettdecke und schloss die Augen. Am liebsten würde er mit jemanden über den Unbekannten reden... doch der einzige der ihm da einfiel war Micheal und den kannte er erst seit Heute.

Das wäre dann doch etwas voreilig und übertrieben...abgesehen davon, kannte er Micheal ja garnicht wirklich.

Vali meinte zwar, dass er etwas von Menschen verstand und dass er sich darauf verlassen konnte, dass Micheal kein Arschloch war, doch er konnte sich nicht vormachen, dass er den Jungen nach zwei gewechselten Sätzen in und auswendig kannte.

Jeder hatte doch irgendeine dunkle Seite an sich, nicht wahr? Möglicherweise wäre Mike's, dass er petzte. Konnte doch sein.

Vali drehte sich mit dem Gesicht zur Wand und zog die Decke enger um die schmalen Schultern: hoffentlich machte er keinen Fehler damit, dass er die Sache mit dem Unbekannten für sich behielt... hoffentlich würde er das später nicht bereuen....

***

Als Vali am nächsten Morgen aufwachte wurde ihm augenblicklich schwindelig und er kniff die Augen erneut zusammen.
Oh Gott was war denn nun schon wieder...

Wütend stöhnte er auf und biss die Zähne zusammen, diese verdammten Kopfschmerzen schienen mit jedem Tag schlimmer zu werden!

Das deprimierendste an den Schmerzen war jedoch, dass man noch nie irgendwelche Abnormalitäten an seinem Kopf festgestellt hatte. Die Kopfschmerzen und das Schwindelgefühl hatte er nämlich schon seit er klein war und er war damals oft deswegen zum Arzt geschickt worden...

Aber nein, Es war ja alles in Ordnung mit ihm! Migräne, Schlafentzug, Vitamin D- Mangel... all dies könnten Auslöser sein. Nichts half dagegen. Manchmal wünschte sich Vali einfach einen Hirntumor.

Dagegen könnte man wenigstens etwas machen!

Er stand langsam auf und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen.

Er keuchte auf und hielt sich am Etagenbett fest.

Einige Sekunden später konnte er dann auch wieder völlig normal sehen als wäre nichts passiert und er schüttelte irritiert den Kopf: Wieso veränderten sich seine Schmerzen seit dem letzten halben Jahr nur so sehr zum Schlechten?

Es fühlte sich manchmal so an, als ob die Welt auf der er lebte versuchte, ihm klarzumachen, dass er nicht hierhergehörte.

Hey Vali, siehst du das? Sonnenlicht. Das tut dir in den Augen weh und macht dir Kopfschmerzen. Ah, und das da? Sauerstoff. Davon wird dir schlecht und schwindelig. Du gehörst nicht hierher.

Er zog sich die Jeans vom Vortag an und kramte dann in dem Durcheinander seines Schranks nach einem T-Shirt. Als er sich fertig angezogen hatte, öffnete er die Jalousien (welche solch gequälte Geräusche machten, als würden sie schreien "ÖÖÖLEEEE MIIICH") und ließ die ersten Sonnenstrahlen hinein.

Es war noch früh, vielleicht 6 und die Erzieher würden sie erst um 7.00 Uhr wecken, also hatte Vali noch mehr als genug Zeit, um sich über sein weiteres Vorgehen Gedanken zu machen.

Er schnappte sich den Brief, den er am letzten Abend unter sein Kopfkissen gestopft hatte und las die Worte wieder und wieder.

Viel sagten sie ihm nicht, doch ein Paar wichtige Dinge wusste er trotz dem über den Fremden.

Er war ein erwachsener Mann, sehr groß, hatte lange Haare, er beobachtete Vali und das vermutlich schon seit einiger Zeit.

Er wusste wo Vali wohnte, das hieß, dass Vali ihn vielleicht irgendwann in der Nähe des Waisenhauses erwischen könnte. Und irgendwem was tuen würde der Typ bestimmt auch nicht, wieso sollte er dann explizit sagen, dass er nicht immer (also nur im Notfall, was auch immer in diesem Fall ein Notfall war) eingreifen wird.

Ob der Unbekannte sich für Valis Beschützer hielt? Möglich wäre es. Vielleicht kannte er Valis Eltern und hatte sich selbst zur Aufgabe gemacht nun auf Vali aufzupassen.
Die Idee gefiel ihm zugegebenermaßen...

Er verwarf sie jedoch wieder:

dann könnte ihn die Person  doch einfach adoptieren und müsste ihn nicht stalken!

Diese ganze Sache war ziemlich verwirrend und auch ganz schön gruselig!

Aber diese Verbindung, die Vali gespürt hatte, die machte ihn so neugierig, dass er es einfach niemandem erzählen KONNTE. Man würde ihm doch nur verbieten, zu versuchen, mehr über den mysteriösen Unbekannten herauszufinden.

Und wenn der Typ ein Serienkiller war, würde ihn das wenigstens von den unerträglich lästigen Kopfschmerzen befreien., dachte der Junge bitter: das wäre doch auch was.

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Kapitel 3, Juhuu😊 Meinungen gerne in die Kommentare👇

Lokison- WolfheartedWhere stories live. Discover now